Razzia in KalkKölner Polizei geht gegen kriminelle Diebesbande vor

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Diebesgut Razzia

Das sichergestellte Diebesgut

Köln – In Kalk hat sich bei vielen inzwischen eine Art Routine eingestellt mit großen Polizeiaufgeboten. So zieht es an diesem regnerischen Mittwochabend kaum Schaulustige an die Absperrbänder an den Bereich um die Kalker Hauptstraße, die wieder einmal Schauplatz einer konzertierten Aktion von Polizei und mehreren städtischen Ämtern ist. Eine Vorhut von mehreren zivilen Kastenwagen und kurze Zeit später diverse Streifen- und Mannschaftswagen biegen in die Kalk-Mülheimer Straße ein und ziehen Absperrbänder auf. Etwa 80 Beamte durchsuchen sodann in Sturm und Dauerregen ein ungefähres Dutzend Ladenlokale. Es sind Spielhallen, Wettbüros, Shisha-Bars, Cafés und Restaurants, die in den vergangenen Jahren immer wieder uniformierten Besuch bekommen haben. An diesem Abend finden die Ermittler unter anderem Drogen und untergetauchte Personen. „Wir haben etwa 100 Personen kontrolliert“, sagt Einsatzleiter Peter Frauenkron noch am Abend. „Eine solche Polizeipräsenz wird schon wahrgenommen.“

Diebesgut Razzia

Das sichergestellte Diebesgut

Hinter der Razzia vom Mittwochabend stecken Ermittlungen gegen eine wohl seit Monaten in Köln agierende Diebesbande. Die Zahlen von Eigentumsdelikten sind seit dem Spätsommer rasant gestiegen. Bis einschließlich Juli wurden sieben Personen festgenommen, zwischen August und Dezember stieg die Zahl auf 35. „Die Festgenommenen treten nicht nur als Taschendiebe auf. Sie begehen auch Gepäckdiebstähle und nutzen die ganze Bandbreite der bekannten Tricks, um Menschen zu bestehlen“, sagt Günther Korn, Leiter der Projektgruppe Taschen- und Trickdiebstahl bei der Polizei. Zuletzt haben sich Hinweise ergeben, dass die Mitglieder der Diebesbande in Kalk, Vingst und Ostheim Unterschlupf gefunden haben. Dabei handelt es sich offenbar fast ausschließlich um algerisch-stämmige Tatverdächtige. Diese sollen seit einem halben Jahr von dort immer wieder zu Klautouren in die Innenstadt aufgebrochen sein, wo sie es wohl auf wertvolle Diebesgüter abgesehen haben: Laptops, Handys, Markenklamotten, Kamera-Zubehör.

Handys, Portemonnaies und Bargeld gestohlen

Die Gruppe geht den bisherigen Erkenntnissen zufolge professionell in Organisation und Struktur vor. Die Kriminellen spähen demnach zum Beispiel Menschen mit teuren Autos aus, etwa in Parkhäusern. Wenn diese zu ihren Wagen zurückkehren und etwa hochwertige Gegenstände in den Kofferraum packen, spricht sie eine Art Lockvogel an, klopft unter einem Vorwand an die Scheibe oder fragt nach dem Weg. All das dient der Ablenkung, damit ein Komplize unauffällig den Kofferraum öffnen und Beute machen kann. An Bahnhöfen wird außerdem immer wieder auf diesem Weg Gepäck geklaut. Auch in Restaurants kommen die Täter ihren Opfern körperlich so nahe, dass sie unbemerkt zum Beispiel Smartphones, Bargeld oder Portemonnaies aus den Jackentaschen stehlen können.

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Gestohlene Waren im Wert von gut 200.000 Euro hat die Polizei schon beschlagnahmt, vieles davon Anfang Januar bei einer Razzia in der Homarstraße in Vingst. Zwei Personen wurden damals festgenommen, mehr als 300 Gegenstände sichergestellt. In einem Büro des Kriminalkommissariats (KK) 74 im Kalker Präsidium präsentieren die Ermittler einige Stunden vor der Razzia am Abend die Funde. Eine Jeanshose mit 700-Euro-Preisschild, Louis-Vuitton-Taschen im Wert von mehreren tausend Euro, teure Sonnenbrillen und Uhren. Was genau die Gruppe mit dem Diebesgut vorhatte, ist nicht in jedem Einzelfall herauszufinden. Gut 40 DHL-Versandquittungen für Pakete nach Algerien legen den Verdacht nahe, dass die Waren dorthin verschickt werden sollten, um sie dort zu Geld zu machen. Auch die Festnahmen zweier aus Algerien stammender Männer nach dem Diebstahl eines Smartphones aus der Tasche einer Frau auf dem Friesenwall vor einer Woche bestätigen die Ermittler. Nach derzeitigen Erkenntnissen dürften sie für vier weitere Diebstähle am Hauptbahnhof und am Deutzer Bahnhof verantwortlich sein.

Szene ist zurück in Kalk

Oft werden Geschäftsleute und Touristen zu Opfern, oft auch ältere Menschen. 34 Geschädigte aus der ganzen Welt wurden inzwischen ermittelt. Ein Koffer mit Messtechnik im Wert von 25.000 Euro wurde an seinen Besitzer in den USA zurückgegeben, ein gestohlener Laptop ging nach Singapur. „In einem Fall haben wir über die Notenblätter den Besitzer einer wertvollen Violine ermitteln können“, sagt Sandra Matthiä vom KK74. Der Profimusiker durfte sich freuen, dass er seine Geige im Wert von 4000 Euro wiederbekommen hat. Viele Besitzer von Smartphones und Tablets aber konnten noch nicht ausfindig gemacht werden. Diese können sich per Mail an die Kommissare wenden.

Mehrere Stunden sind die Kräfte unter anderem von Polizei und Ordnungsamt in Kalk an diesem Abend noch im Einsatz. Neben 16 Dosen unverzolltem Shisha-Tabak wurde unter anderem ein illegales Glücksspielgerät sichergestellt. Das Umweltamt versiegelte einen Shisha-Ofen, weil es keine Feuerstättenbescheinigung gab. Das Kassen- und Steueramt vollstreckte Forderungen von mehreren tausend Euro und pfändete einen Pkw. Weil Kalk als sogenannter „gefährlicher Ort“ deklariert ist, dürfen dort Personen kontrolliert werden, wenn diese „Straftaten von erheblicher Bedeutung verabreden, vorbereiten oder verüben“, wie es im NRW-Polizeigesetz steht. Ende März sollen hier auch die Videokameras der Polizei aufgeschaltet werden und die Straßen um das Postgebäude überwachen. Bis vor einigen Jahren galt Kalk schon einmal als Kriminalitätsschwerpunkt, etwa der Drogenszene. Unter anderem durch starke Polizeipräsenz wurde der Stadtteil dann befriedet. „In den vergangenen Monaten stellen wir die Szene hier aber wieder verstärkt fest“, sagt Frauenkron. Viele der aus Nordafrika stammenden Tatverdächtigen kommen auch aus dem benachbarten Ausland hierhin. Womöglich hänge das mit den dortigen Lockdowns zusammen, die auch den Kriminellen das Geschäft schwer machen.

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