Interview mit Künstlerin Nike Seifert„Ghetto! Ich wollte nie in den Hahnwald”

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Nike Seifert wollte erst nicht ins „Ghetto“ Hahnwald. Nun weiß sie die Vorteile der Wohnlage zu schätzen.

Nike Seifert wollte erst nicht ins „Ghetto“ Hahnwald. Nun weiß sie die Vorteile der Wohnlage zu schätzen.

Köln – Nike Seifert kam 1973 nach Köln, ihre Mutter ist Österreicherin. Doch seit Kindergartenzeiten war sie gleich ein kölsches Mädchen. Mit ihrem Mann hat sie lange in Lindenthal gewohnt, mit Familie dann in Sürth, dort hatte sie ihr erstes Atelier. In den Hahnwald wollte sie nie ziehen. Ihre eigenen Vorurteile über Bonzen, Besserverdiener und fehlende Infrastruktur standen ihr im Weg. Jetzt ist sie dort mit Familie seit vier Jahren glücklich.

Frau Seifert, wenn Sie an den Hahnwald dachten, dann ...

… dachte ich immer gleich: Ghetto! Ich wollte nie in den Hahnwald. Eigentlich tatsächlich aufgrund meiner Vorurteile.

Dann haben Sie ein Haus gefunden. Wie war der erste Eindruck?

Das geht gar nicht! Das Haus stand drei Jahre leer. Ich bin dann ein zweites Mal mit viel Fantasie ins Haus gegangen. Bei uns ist alles selbst gemacht, wir haben nichts geerbt. Die Sprossenfenster habe ich selber abgeschliffen, wir haben alles eigenhändig gestrichen. Bei uns ist nicht alles etepetete. Wenn der Löwenzahn schießt, dann möchte er das wohl, und unsere Einfahrt ist auch nicht geleckt. Alleine den Pool instand zu setzen, glich einem Albtraum. Als das Wasser immer weiter herunterging, tauchten weiße Kröten mit roten Bäuchen auf. Ich habe eine Weile gebraucht, meinen eigenen Pool zu genießen.

Wie stehen Sie heute zum Hahnwald?

Ich sage immer, ich wohne im Kölner Süden – oder zwischen Shell und Ikea. Oder scherzhaft auch schon mal zwischen Shell und Autobahn.

Ist es denn laut?

Es ist super laut. Aber ich finde die Lage toll, und meine Vorurteile habe ich abgelegt. Die Kinder sind viel besser angebunden, sind in zwei Minuten am Bus. Ich kaufe in Hochkirchen oder Rondorf ein, die Discounter sind in fünf Minuten erreichbar. Das Vorurteil der schlechten Infrastruktur ist zumindest in dem Teil, in dem wir wohnen, widerlegt. Am äußeren Rand des Hahnwalds trifft einen das Problem nicht.

Und das Vorurteil bezüglich der Leute?

Wir haben unsere Antrittsbesuche gemacht. Zu manchen habe ich immer noch kein Gesicht. Manchmal denke ich, wenn ich von der Leiter falle, merkt das niemand. Aber die Leute, die ich im Wald treffe, sind normale, nette Menschen. Auch die Vorstandsvorsitzenden laufen in Gummistiefeln durch den Wald. Es ist viel entspannter als im Auenviertel. In Rodenkirchen denke ich oftmals, ich muss erst zum Friseur, ehe ich mich da blicken lassen kann. Hier lebt man anonym, aber das ist so gewollt. Wir sind zu siebt zu Hause, da ist schon genug los und wir sind uns genug. Man muss es halt mögen.

Arbeiten Sie von zu Hause aus?

Mein Garten ist meine Kommandozentrale. Da recherchiere ich mit Laptop und genieße den Blick auf die Gänseblümchenwiese und den morgendlichen Besuch der Rotkehlchen. Im Keller habe ich mein Atelier. Ich möchte kein Ladenlokal besitzen, das Haus ist groß genug. Ich heiße jeden willkommen, der sich anmeldet.

Fünf Kinder, fünf Haushälterinnen?

Früher hatten wir mal ein Au-pair. Das hat mehr belastet, als es etwas brachte. Heute hilft mir eine Haushälterin, Patrizia. Sie ist eher eine Freundin – Italienerin, mit einem entsprechenden Gemüt. Wir bewältigen zusammen die unendlichen Wäscheberge und das tägliche Chaos.

Sehen Sie sich als Malerin oder als Künstlerin?

Gute Frage. Im Moment sehe ich mich eher als Malerin. Ich bin immer noch der Meinung, die Bilder machen sich eigentlich selbst. Alle meine Bilder brauchen einen Namen. Wenn ich den Titel nicht habe, ist das Werk nicht fertig. Ich gehe mit mir selbst in Revision. Der Koala? Der kleine König? Wenn ich den Titel habe, weiß ich auch, wohin es verkauft wurde. Den Erfolg sehe ich weniger als das Feedback, dass sich die Menschen an den Bildern erfreuen.

Steckbrief

Das mag ich am Hahnwald: Die Weitläufigkeit, die Natur, die Stille und letztendlich auch die Anonymität. Du kannst Kontakt mit den Nachbarn haben oder auch nicht. Ich genieße meine Ruhe. Ich mache die Türe zu. Ende.

Das ist verbesserungswürdig: Es ist nicht wirklich ein Veedel, eher ein Stadtteil. Aber die Anwohner möchten ja, dass es so ist. Ich ärgere mich über die Kosten für den Sicherheitsdienst, andererseits wurden uns vor der Haustüre auch schon fünf Fahrräder entwendet. Soll ich mir ein Büdchen wünschen? Eigentlich nicht.

Lieblingsort im Hahnwald: Ehrlich gesagt mein Garten. Wir haben das Glück, ein großes Grundstück zu haben. Das ist mein Refugium. Hier leben bedeutet Freizeit zu Hause.

Zur Person

Nike Seifert (Jahrgang 1970) ist gelernte Goldschmiedin. Heute arbeitet sie erfolgreich als selbstständige Künstlerin.

Seit vier Jahren wohnt sie mit ihrer Familie im Hahnwald. Mit ihrem Mann, den fünf Kindern im Alter zwischen neun und 17 Jahren und zwei Hunden. Hier hat sie auch ihr Atelier.

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