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„Lügen, bis sich die Äste biegen“Wechselvolle Geschichte eines Rodenkirchener Baums

Lesezeit 2 Minuten

Der erste Lüchbaum, eine Robinie, in den 20er Jahren. 

Rodenkirchen – Auf dem kleinen lauschigen Platz oberhalb der Rodenkirchener Rheinpromenade standen vor 150 Jahren drei Robinien. Die Sitzbänke unter den Bäumen waren ein beliebter Treffpunkt älterer Männer, die hier die Aussicht auf den Rhein genossen und sich über die neuesten Geschichten aus dem Dorf austauschten. Dabei haben es die Herren mit der Wahrheit nicht immer so genau genommen, das machte schnell die Runde, und der Platz wurde zum Synonym für Lügengeschichten.

Zwei Robinien überlebten den Zweiten Weltkrieg nicht, die dritte musste 1989 aus Altersgründen gefällt werden. Da die Rodenkirchener auf ihren traditionellen Lüchbaum nicht verzichten wollten, wurde bald für Ersatz gesorgt. Eine Kaiserlinde, ein Ableger von der Berliner Prachtallee „Unter den Linden“, thronte von da an auf dem Platz und lauschte weitere 17 Jahre den Neuigkeiten, den Sorgen, Freuden und Lügen der Dorfbewohner. Im Jahr 2006 musste dann auch die Kaiserlinde weichen, für den Bau der neuen Hochwasserschutzmauer war die Fällung unumgänglich.

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Fast fünf Jahre lang bestimmte dann eine Großbaustelle den historischen Ort. Dem Dorf am Rhein fehlte sein sozialer Treffpunkt, eines seiner Wahrzeichen. 2011 dann endlich die Rückkehr zur Normalität. Die Arbeiten zum Hochwasserschutz waren beendet und eine sechs Meter hohe Linde wurde angepflanzt.

Die örtliche Prominenz und zahlreiche Bürger schauten zu, wie der dritte Lüchbaum in der jüngeren Rodenkirchener Geschichte wieder die Regentschaft über den Platz übernahm. Einige hatten zur Feier des Tages sogar Sprüche verfasst: „Der neue Lüchbaum es endlich widder do, et darf widder gelore wede, wie schon fröher all die Johr“, hat zum Beispiel der Mundartdichter Jo Jünger geschrieben.

Der dritte Lüchbaum ist auf seinem alten Stammplatz aber nicht mehr allein, jetzt hat auch die moderne Kunst dort Einzug gehalten. Die Architekten, die den Platz neu gestaltet haben, verkleideten ein Entlüftungsrohr mit einer Skulptur in Form eines extravaganten Baumexemplars.

Der neue Lüchbaum, eine sechs Meter hohe Linde nebst der Baumskulptur

Dieser „Lügenbaum“ besteht aus Cortenstahl, er kennt keine Jahreszeiten und spendet keinen Schatten. Ob er, so ganz ohne Blätter, Zweige und Baumrinde, jemals die vertrauensvolle Rolle seiner Ahnen übernehmen kann, das scheint dann aber eher fraglich.

Spruch zur Feier des Tages