Er war ein Ermöglicher: Der langjährige Pfarrer der Kölner Pfarrei Sankt Agnes, Frank Müller, ist im Alter von 63 Jahren gestorben.
Nachruf auf Frank MüllerLangjähriger Pfarrer von Sankt Agnes in Köln ist gestorben

Pfarrer Frank Müller (2.v.r., 1962 bis 2025), bei einer Führung in der Kölner Pfarrkirche Sankt Agnes
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„1902 wurde die katholische Kirche St. Agnes in Köln geweiht, jetzt wird sie endlich berühmt“, witzelte im Jahr 2007 die „Tageszeitung“ (taz). Für die buchstäblich interkontinentale Prominenz hatte Pfarrer Frank Müller gesorgt mit seiner Entscheidung, das Kircheninnere für Dreharbeiten zu dem „Bollywood“-Film „Aap Kaa Surroor“ (Deine Freude) zu öffnen. In der leergeräumten Kirche, vor dem eigens verhüllten Hochaltar sangen und tanzten der indische Popstar Himesh Reshammiya und insgesamt 800 Statisten.
Große Aufregung über die angebliche „Entweihung“ des heiligen Raums, reservierte bis verärgerte Reaktionen beim Erzbistum. Und: ein zerknirschter Pfarrer. Im Nachhinein müsse er sich „ein gewisses Maß an Arglosigkeit und Naivität vorwerfen“, sagte Müller damals und sprach von einem Spontanentschluss unter großem Zeitdruck. In der Sonntagspredigt wandte er sich an seine Gemeinde: „Ich bekenne mich durchaus schuldig.“ Seine Entscheidung habe Verletzungen bewirkt, „mehr, als ich mir ausgemalt habe, und mehr, als ich vielleicht durfte“.
Der schlimmste Vorwurf, den man ihm als Pfarrer habe machen können, sei es, religiöse Gefühle verletzt zu haben. „Ich bin bereit, wenn Sie es wünschen, Konsequenzen zu ziehen.“
Sankt Agnes in Köln: Pfarrer Müller warb für Offenheit
Die Gemeinde wünschte das nicht. Im Gegenteil: Es gab Applaus für Müller, der erst 2005 als leitender Pfarrer nach Sankt Agnes gekommen war und zu seinem Amtsantritt für eine Kultur der Offenheit warb. „Gerne stelle ich meine verfügbaren Kräfte und meine mir mögliche Zeit in den Dienst der Erwartungen seitens der Gemeinden. Allerdings benötige ich dafür auch einen Rückhalt, eine Resonanz. Sprechen Sie mich ruhig an, formulieren Sie Ihre Erwartungen“, schrieb Müller im Pfarrbrief. Und: „Als Mensch haben wir, Sie wie ich, unsere Grenzen.“

Pfarrer Frank Müller (1962 bis 2025) bei einer Führung in der Kölner Kirche Sankt Agnes
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Erfahrungen im Pfarrei-Management hatte der am 18. Februar 1962 in Bonn geborene Geistliche bis dahin jedenfalls nicht. Nach seiner Priesterweihe 1992 war er mehr als 20 Jahre in der Schul- und Hochschulseelsorge tätig, die meiste Zeit zugleich auch als Religionslehrer, so am Blücher-Gymnasium in Köln-Nippes und am erzbischöflichen Kardinal-Frings-Gymnasium in Bonn-Beuel.
Frank Müller: Im besten Sinne liebenswürdig
In Sankt Agnes kam auf Müller die Aufgabe zu, die drei altehrwürdigen Pfarreien St. Agnes, St. Kunibert und St. Ursula zusammenzuführen. Wer mit den Verhältnissen vertraut ist, weiß, mit wie vielen Konflikten, Widerständen und Animositäten solche Prozesse verbunden sind. Für jemanden wie Müller, der sich einerseits als „ziemlich organisiert“ schilderte, andererseits aber auch als konfliktscheu, war das ein Mammutunternehmen. „Ich wirke oft ausgleichend“, sagte Müller, „wobei man sich darauf nicht verlassen darf“.
Auf die Menschen, die mit ihm zu tun hatten, wirkte Müller vor allem einnehmend, zugewandt und im besten Sinn liebenswürdig. Immer in ziviler, oft betont legerer Kleidung, setzte er damit auch ein Zeichen für sein Verständnis vom Priesteramt: nicht in Distanz oder klerikaler Pose, sondern nahe bei den Menschen, nahe an ihrem Lebensgefühl.

Pfarrer Frank Müller (1962 bis 2025)
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Dem WDR-Rundfunkbeauftragten Klaus Nelißen, der 2011 nach Köln kam und in St. Agnes heimisch wurde, fiel auf, dass Müller zu den Messen mit dem Nippeser Schwesternkonvent der Vinzenterinnen immer Sneaker in der liturgisch passenden Farbe trug. Einem Kommunionkind, das zur Erstkommunionfeier gegen den Willen der Familie in seinen geliebten Chucks kommen wollte, gab Müller den Tipp: „Sag deinen Großeltern, der Pfarrer trägt die auch.“
Müller hatte ein Faible für Kunst und Literatur, vor allem aber für die klassische Musik. Dass die langjährige Kantorin von St. Agnes, Margret Hoppe, nicht nur hervorragend Orgel spielte, sondern auch den Chorgesang pflegte und regelmäßig Orchestermessen zur Aufführung brachte, stieß beim Gemeindepfarrer sichtlich auf Wohlgefallen. „Wenn das Gespräch auf Musik kam, dann war er ganz bei sich“, erinnert sich ein langjähriger Wegbegleiter. Zudem reiste Müller gern, vorzugsweise in die südliche Sonne, was seinem Teint anzusehen war.

Pfarrer Frank Müller (1962 bis 2025) zeigt ein Bronzerelief in der Kölner Kirche Sankt Agnes mit dem Stifter der Kirche, Peter Joseph Roeckerath.
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Müller war ein Ermöglicher; einer, der Räume des Miteinanders erschließen konnte: mit seinen viel beachteten Predigten, bei Taufen und Trauungen, mit regelmäßigen Ausstellungen moderner Kunst oder Dichterlesungen in der Kirche – Projekten, die Müller schon bei seinem Amtsantritt vorfand und in der Verantwortung seines Pastoralreferenten Norbert Bauer weiterführen ließ. Bis das Erzbistum in Gestalt des damaligen Generalvikars Dominik Schwaderlapp eingriff: Der Kirchenraum sei ausschließlich der Ort für die Verkündigung des Wortes Gottes – nicht für säkulare Texte. Mit Festlegungen solcher Art hatte Frank Müller stets seine liebe Not.
Pfarrer Frank Müller nahm sich Auszeit
Irgendwo in den Tiefen seiner Seele muss ihn eine Sehnsucht, ein Ungenügen, ein ungestillter Durst umgetrieben und gequält haben. 2016 informierte Müller seine Gemeinde über eine Auszeit, in der er einen „aufgrund von Überlastung und Erschöpfung außer Kontrolle geratenen Alkoholkonsum in den Griff bekommen“ wolle.
Doch trotz wiederholter Anstrengung gelang die erhoffte Gesundung nicht. Bei seiner Verabschiedung aus St. Agnes 2018 stellte Müller sein persönliches Schlusswort an die Gemeinde unter die Stichworte „Freude“ und „Rettung“. Die Kirche sei nach seinem Verständnis ein Rettungsanker. Sie könne Halt geben und der Einsamkeit wehren. Sein Ziel sei es gewesen, „Menschen vor dem Untergang zu bewahren, und sei es sogar mich selbst“.
Am Motiv der Rettung versuchte Müller in den folgenden Jahren anzuknüpfen, als Pfarrer für die Diözesancaritas und zuletzt als Krankenhausseelsorger. Am 6. August ist Frank Müller nach langer, schwerer Krankheit im Universitätsklinikum in Köln gestorben.
Der erste Eintrag im Kondolenzbuch der Agnesgemeinde, verfasst von Müllers letztem Pastoralreferenten, Peter Otten, lautet: „Lieber Frank, ich wünsche Dir den Himmel und den Frieden und die Liebe, zu denen Du in Deinem Leben immer unterwegs warst.“
Die Totenmesse für den verstorbenen Pfarrer Frank Müller wird am Montag, 18. August, um 10 Uhr in St. Agnes gefeiert, Neusser Platz, 50670 Köln. Die Urnenbeisetzung ist am 20. August um 12 Uhr auf dem Melatenfriedhof. (jf)