Schließung in Kölner InnenstadtTop-Designerin gibt auf – Appell an Stadt

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Gockel draußen (1)

Anja Gockel vor ihrem Laden auf der Pfeilstraße

  • Die Stadt Köln hat in den vergangenen Monaten immer mehr Straßen zu verkehrsberuhigten Zonen gemacht.
  • Seit Mai 2022 ist auch die Ehrenstraße in der Innenstadt für den Autoverkehr gesperrt.
  • Designerin Anja Gockel bemängelt, dass dadurch zahlreiche Parkplätze wegfallen. Viele Kunden würden deswegen fernbleiben – und zwingen sie nun zur Schließung.

Köln  – Sie ist eine der bekanntesten Modeschöpferinnen Deutschlands, hat eigene Schauen bei der Berlin Fashion Week. Ihre Kleider wurden von der schwedischen Königin Silvia und Barbara Schöneberger getragen und 2017 wurde sie zur Designerin des Jahres gekürt. Seit 2015 ist Anja Gockel mit einem eigenen Geschäft auf der Pfeilstraße vertreten. Doch das muss sie jetzt schließen. Bis zum 15. Dezember geht der Ausverkauf, 60 Prozent auf alles.

„Das ist mein Herzensshop. Das ist sehr schwer für mich, aber es geht nicht anders.“ Die Corona-Zeit sei schon hart gewesen, sagt die 54-jährige Mainzerin. Doch seit Mai ging der Umsatz schlagartig noch einmal rapide zurück – seit die Ehrenstraße zur Fußgängerzone wurde. „Selbst im Vergleich zum Mai des letzten Jahres waren es 50 Prozent weniger.“

Die häufigste Klage, die sie von Kundinnen hörte: die fehlenden Parkplätze und die schwierige Verkehrssituation in der City. Seit breit über das erklärte Ziel „Autos raus aus der Innenstadt“ berichtet wurde, scheuten sich viele Kundinnen, in die Innenstadt zu kommen. „Die haben einfach Angst, keinen Parkplatz zu finden.“ Die meisten Käuferinnen kommen ihrer Erfahrung nach aus dem Speckgürtel von Köln und das in der Regel mit dem Auto. 

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Pfeilstraße ist weiter befahrbar

Dabei kann man weiterhin durch die Pfeilstraße fahren und mehrere Parkhäuser sind erreichbar. Aber die Kundinnen fühlten sich abgeschreckt. „Die haben das Gefühl: Hier will mich niemand.“ Das entnimmt Anja Gockel vielen Gesprächen. Sie findet, die Stadt hat die Sache nicht richtig verkauft. „Auch ich bin für weniger Autos in der City, aber dann muss man das Konzept besser erklären, eine Werbekampagne dazu starten.“

„Innenstadtberuhigung“ sei an sich ein paradoxes Wort. „Wir wollen ja alle, dass weiterhin Besucher kommen.“ Also sollte man der Beruhigung auch eine Belebung entgegensetzen, zum Beispiel durch Anreize wie ein Shoppingticket, preiswertere Parkhäuser, Aktionen und ein schöneres Umfeld.

Ähnliche Probleme auf der Mittelstraße

Von ähnlichen Problemen berichten auch die Händler auf der Mittelstraße, die sich vor kurzem deswegen auch in einem Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker wandten. Auch hier hängen die eher hochpreisigen Geschäft vor allem von Kunden aus dem Umland ab, die traditionell nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen. Auch auf dem autofreien Eigelstein und der Deutzer Freiheit, die ein Jahr versuchsweise verkehrsberuhigt ist, haben sich bereits Geschäftsleute über Umsatzeinbußen beklagt.  

Anja Gockel hält das Problem für typisch kölsch. Sie hat auch ein Geschäft in ihrer (wesentlich überschaubareren) Heimatstadt Mainz und eines in Berlin. Die liefen nach Corona wieder normal an. „Dabei war Köln mein liebster und auch schönster Laden. Ich mag die Stadt sehr. Aber man kann nicht in Schönheit sterben.“ Einen Ausverkauf habe sie in ihrer 25-jährigen Karriere noch nie zuvor gemacht. Doch ein Lager hat sie nicht und so könne sie „plus minus null“ abschließen.

Langer Donnerstag wird wiederbelebt

Traurig, dass die Modeschöpferin geht, ist auch Nachbarin Alicja Strippel, die seit 30 Jahren mit ihrem Modeladen „Entrée“ auf der Pfeilstraße ansässig ist. Auch sie verzeichnet einen Umsatzrückgang seit der Sperrung der Ehrenstraße. Und schon lange ärgert sie sich über das ungepflegte Erscheinungsbild der Innenstadt. Möglicherweise spiele aber auch Krieg und Inflation eine Rolle bei der Zurückhaltung der Kunden. 

Sie bietet zum Geschäftsjubiläum nun bald Rabatte an. Und sie schließt sich einer vor Kurzem gestarteten Initiative jüngerer Inhaber von Kettengasse, Friesenwall und Pfeilstraße an. Dabei soll der klassische „Lange Donnerstag“ wieder etabliert werden. Die Geschäfte öffnen einmal im Monat bis 22 Uhr, begleitet von Sonderaktionen. Eine Belebung in der beruhigten Zone.

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