Avantgardistisches Design der 1960er Jahre gab es auch in der DDR. Das Museum für Angewandte Kunst Köln zeigt ein Kultmöbel.
Schock-Werners Adventskalender (14)Küchenstuhl als Museumsstück

Plastikstuhl von Helmut Bätzner aus den 1960er Jahren - bis heute ein Klassiker, zu sehen im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK)
Copyright: Alexander Schwaiger
Ich liebe Kunststoffmöbel der 1960er Jahre, von denen das Museum für Angewandte Kunst aus der Sammlung Winkler einen sehenswerten repräsentativen Querschnitt beherbergt. Leider nicht zum Draufsitzen, sondern nur zum Gucken – und zum Schwelgen.
Natürlich ist der berühmte Thonet-Freischwinger von Mart Stam da, aber auch Helmut Bätzners Kunststoffstuhl aus den 1960er Jahren – mein Lieblingsstück aus dieser Zeit, den ich in Weiß auch selbst zu Hause bei mir in der Küche habe, samt dem dazu passenden schwarzen Tisch.
Überzeugende Form, hochwertiger Kunststoff
Bätzners Stuhl mit seiner nach wie vor überzeugenden Form war der erste Plastikstuhl, den es in Deutschland gab: ohne Schrauben, ohne Nieten, sondern einfach massiv aus einem Stück glasfaserverstärktem Polyester gepresst. Dadurch war er ziemlich schwer, aber dafür – sehr praktisch – stapelbar! Der Kunststoff ist hochwertig. Da ist über sechs Jahrzehnte hinweg nichts porös oder stumpf geworden. Die Stühle sehen auch heute noch aus, wie gerade gekauft.
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Helmut Bätzners Kunststoffstuhl steht nicht nur im MAKK, sondern auch in der Küche von Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner.
Copyright: Alexander Schwaiger
Wenn man sich die Sammlung im MAKK anschaut, bekommt man das Gefühl: Jeder Designer der 1960er Jahre, der etwas auf sich hielt, machte sich irgendwann an den Entwurf für einen Stuhl. Sogar in der DDR. Aus dem Kombinat Schwarzerde stammten zwei Elite-Modelle. Da ist zum einen ein Kunststoffstuhl, der zeitgenössischem westlichem Design in keiner Weise nachsteht. Auch davon habe ich einen in der Küche. Meine Studierenden in Erlangen, wo ich an der Universität unter anderem Vorlesungen über Designgeschichte gehalten habe, haben ihn mir zum Abschied geschenkt, bevor ich 1998 nach Köln ging. Sie müssen ihn irgendwo auf einem Flohmarkt aufgestöbert und gleich als Original erkannt haben.
Besonders auffallend ist zum anderen das „Senftenberger Ei“ des ungarischen Designers Peter Ghyczy, ein Polstersessel für draußen in einer Plastikschale, die man auf- und zuklappen, verschließen und dann im Freien stehen lassen konnte. Zwei Versionen gab es davon. Ein solches Luxusgut war in der DDR aber offenbar ideologisch nicht genehm. Die Produktion wurde jedenfalls ziemlich bald eingestellt.
Nach der Wende hat Ghyczys Sohn die Fertigung wieder aufgenommen. Als Retro-Möbel aus dem einstigen Alltag im Osten hat das „Gartenei“ (oder auch „Garden Egg“) inzwischen Kultstatus, aber auch seinen Preis. Ich habe spaßeshalber im Internet gestöbert. Da werden schnell vierstellige Summen aufgerufen. Aber ich sage mal: Man bekommt auch etwas für sein Geld.
Aufgezeichnet von Joachim Frank
In unserem Adventskalender stellt Dombaumeisterin a.D. Barbara Schock-Werner jeden Tag ein besonderes Ausstellungsstück aus einem von sechs Kölner Museen vor. Alle Folgen finden Sie hier:
www.ksta.de/weihnachten
Das Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK), An der Rechtschule 7, 50667 Köln, ist geöffnet von 10 bis 18 Uhr (montags geschlossen, außer an Oster- und Pfingstmontag). Geschlossen ist das Museum auch an Heiligabend, am 1. Weihnachtsfeiertag, an Silvester und Neujahr sowie an Karneval. Am „Köln-Tag“, dem ersten Donnerstag im Monat, ist das Museum bis 22 Uhr geöffnet (außer an Feiertagen).
Eintritt für die Dauerausstellung „Kunst und Design im Dialog“: 4 Euro (ermäßigt 2 Euro). Kombi-Tickets zu den Sonderausstellungen: 10 beziehungsweise 13 Euro (ermäßigt 5 bzw. 6,50 Euro). Am Köln-Tag freier Eintritt für alle Kölnerinnen und Kölner, ab 17 Uhr ermäßigter Eintritt für alle anderen.


