Fehlendes SchulpersonalRechtsanspruch auf Ganztag ist nicht nur in Köln gefährdet

Lesezeit 3 Minuten
Grundschüler einer ersten Klasse laufen die Treppe rauf zu ihrem Klassenzimmer.

Der geplante Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz in der Grundschule ist nach Ansicht des Städte- und Gemeindebunds längst nicht überall einlösbar.

Erstklässler haben ab dem Schuljahr 2026/27 einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung. Allein Köln bräuchte sukzessive 9000 neue Plätze. Aber es fehlen Personal und Schulräume.

Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule ist nach Einschätzung der Kommunen gefährdet. Laut dem Deutschen Städte- und Gemeindebundes ist der Anspruch, der ab 2026 gelten soll, nicht flächendeckend umsetzbar, da es in der Praxis an fehlendem Betreuungspersonal für die Kinder scheitert.

„Die mehr als 100.000 erforderlichen Erzieherinnen und Erzieher gibt es nicht, und sie können auch nicht kurzfristig eingestellt werden“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, gegenüber der „Bild“-Zeitung.

Hinzu komme, dass in den nächsten zehn Jahren 573.890 Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Kommunen ausschieden. Das entspreche etwa 30 Prozent des Personals. Diese Lücke sei selbst mit Werbungs- und Bonusprogrammen nicht zu lösen, weil es schlicht nicht genug junge Menschen gebe.

Für das Schuljahr 2026/27 müsste Köln 2400 zusätzliche Ganztagsplätze für die Erstklässler schaffen

In Köln müssten nach Angaben der Stadt bis zum Schuljahr 2029/30 noch 9000 zusätzliche Plätze geschaffen werden, um die 100 Prozent Versorgungsquote zu erreichen und damit jedem Kölner Grundschulkind einen Ganztagsplatz anzubieten. Allein bis zum Schuljahr 2026/27, wenn der Rechtsanspruch zunächst für die Erstklässler beginnt, müssten 2400 zusätzliche Plätze geschaffen worden sein.

Dabei steht die Stadt im Vergleich zu anderen Städten noch gut da: Es gibt bislang in Köln 33.100 Plätze in der Ganztagsbetreuung an den 151 Kölner Grundschulen, was einer aktuellen Versorgungsquote von 83 Prozent entspricht.

Nach Ansicht der Verwaltung besteht nur bei Abstrichen beim Personal überhaupt eine Chance, das Ziel zu erreichen.  Der Erlass von Bund und Ländern macht nämlich keine Vorgaben zum Fachkraftschlüssel im Ganztag. Grundsätzlich ist vorgesehen, dass es im Ganztag neben einer Fachkraft als Gruppenleitung noch eine sogenannte Ergänzungskraft gibt.

Schon sei es jedoch in Köln so, dass bald die Hälfte der Gruppen keine Fachkraft mehr als Leitung hätte. Hinzu komme das Problem der mangelhaften Bezahlung, da ein großer Teil der Träger des offenen Ganztags nicht tarifgebunden sei. Die Träger müssten in Köln bis zum Schuljahr 2029/30 noch 1300 zusätzliche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter anstellen. Um überhaupt pädagogisches Personal zu gewinnen, müssten dringend die Bedingungen verbessert werden: Die 31 verschiedenen Träger des Ganztags müssten nach Tarif bezahlte Vollzeitstellen mit attraktiveren Arbeitszeiten als bislang schaffen.

Köln hat aber noch ein zweites gravierendes Problem auf dem Weg zur Erfüllung des Rechtsanspruchs: Zum Fachkräftemangel in der Branche kommt die schwierige Situation im Schulbau. Das Nadelöhr sei die Mittagsverpflegung für alle, auf die viele Grundschulen baulich nicht ausgelegt seien, sagte die Leiterin des Schulentwicklungsamtes, Anne Lena Ritter. Es fehlt an Mensen oder anderen Räumlichkeiten, wo alle Kinder essen könnten. Derzeit werden an allen Grundschulen Standortanalysen gemacht. Parallel sucht man nach Interimslösungen. Es werde auch über Varianten wie Warmanlieferung oder Lunchpakete nachgedacht.

Wir lösen das Problem nicht im Gerichtssaal
Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds

Als Ausweg sieht der Städte- und Gemeindebund nur, Tabus zu brechen, manche Regelungen und Leistungen sowie Rechtsansprüche auszusetzen. Das grundsätzliche Ziel sei richtig und die Kommunen würden das auch vorantreiben. „Aber wir lösen das Problem nicht im Gerichtssaal“, so Landsberg.

Bund und Länder hatten im vergangenen Jahr einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule beschlossen, der schrittweise eingeführt wird. Ab dem Schuljahr 2026/27 greift die Regelung bei Kindern der 1. Klasse, ab 2029/30 bei allen Klassen. Ziel war es, dadurch mehr Bildungsgerechtigkeit zu schaffen und aufgrund des Fachkräftemangels in allen gesellschaftlichen Bereichen mehr Müttern und Vätern zu ermöglichen, eine Arbeit aufzunehmen. (mit dpa)


„Wie war's in der Schule?“ Abonnieren Sie hier unseren Newsletter für Familien und Lehrende in der Kölner Region – immer mittwochs.

KStA abonnieren