Schulplätze in KölnWelche Chancen Eltern mit einer Klage für ihr Kind haben

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Gymnasium Köln 160322 RAKO

Schulklasse an einem Kölner Gymnasium 

Köln – Viele Familien werden in diesem Jahr keinen Platz an ihrer Wunschschule bekommen. Das wird für jede Menge Enttäuschung sorgen und viele werden sich fragen, wie sie sich gegen die Schulplatzlotterie und ihr Ergebnis wehren können. Eine Übersicht mit den wichtigsten Fragen und Antworten.

Haben Eltern überhaupt eine Chance, sich zur Wehr zu setzen, wenn es mit der Anmeldung an ihrer Wunschschule nicht klappt?

Durch das neue Verfahren sind die ohnehin geringen Chancen einer erfolgreichen Klage noch einmal gesunken. Das Verfahren ist im Vorfeld umfassend auf Rechtssicherheit geprüft worden. Außerdem entscheidet sich das Gros der Schulen angesichts der Anmeldeüberhänge dafür, die Rangfolge der Plätze per Los zu ermitteln. Die Entscheidung per Los ist das rechtssicherste Verfahren. Auch deshalb haben sich die meisten Schulen für diese umstrittene Methode entschieden.

Welche Möglichkeiten haben denn Eltern, die es trotzdem juristisch versuchen wollen?

Die Erziehungsberechtigten haben auch in dem neuen Verfahren die Möglichkeit, Widerspruch gegen eine ablehnende Aufnahmeentscheidung an ihrer Wunschschule zu erheben. Darauf weist die Bezirksregierung hin. Da jede Schulleitung ihr eigenes Aufnahmeverfahren und ihre eigene Auswahlentscheidung durchführt, sei es dafür unerheblich, an wie vielen Schulen angemeldet wurde.

Dann können Anwälte Akteneinsicht nehmen und überprüfen, ob sie an irgendeiner Stelle des Losverfahrens oder des gesamten Prozederes einen Verfahrensfehler nachweisen können. „Man sucht dann akribisch und systematisch nach irgendeinem Fehler“, erläutert der Kölner Schulrechtsanwalt Felix Winkler, der auf Schulplatzklagen spezialisiert ist.

Im vergangenen Jahr haben nach der chaotischen Schulplatzvergabe mehr Eltern als sonst diesen Weg gewählt. War der Einspruch von Eltern an irgendeinem Kölner Gymnasium, das das Losverfahren gewählt hat, erfolgreich?

Das korrekt durchgeführte Losverfahren selbst hat sich als unangreifbar erwiesen. Aber auch Schulen, die losen, ziehen zumeist weitere Kriterien heran wie Geschwisterkinder oder Geschlechterparität. Winkler verweist zum Beispiel auf ein im letzten Jahr erfolgreiches Widerspruchsverfahren an einem losenden Kölner Gymnasium. Dort hatten sich an diesen weiteren Kriterien Ansatzpunkte ergeben.

Es ist paradox: Eltern wollen die Lotterie per Los nicht. Die Schulleitungen wollen eigentlich auch kein Losverfahren. Treiber ist die Angst vor Klagen, wenn die Schule inhaltliche Kriterien anlegt. Klagewillige Eltern treiben also eine Entwicklung an, die sie eigentlich mit ihrer Klage bekämpfen. Ist die Angst der Schulleitungen berechtigt?

Das Verfahren ist in der Tat anfälliger, wenn man Kriterien wie etwa die Eignung für ein bestimmtes Schulprofil oder etwa die Schulweglänge einbezieht. Das bestätigt auch Anwalt Winkler. Bei der Schulweglänge wird dann beispielsweise genau nachgemessen oder bei anderen Kriterien akribisch nach Fehlern oder mangelnder Stringenz gesucht.

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Gibt es denn die Klagewelle, die immer als Drohszenario im Raum steht, wirklich?

Christian Birnbaum, einer der neben Winkler bei diesem Thema präsentesten Rechtsanwälte, sprach gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ bezogen auf das vergangene Jahr davon, dass er in ganz Nordrhein-Westfalen in insgesamt zehn Fällen für Eltern vor ein Verwaltungsgericht gezogen sei. In keinem der Verfahren, in denen es um die Schulweglänge ging, war er nach eigenen Angaben erfolgreich. Sein Kollege Felix Winkler, an den sich im vergangenen Jahr viele Eltern aus dem Bezirk Lindenthal gewandt hatten, sprach von einem Fall, wo sich ein Schulleiter bei der Schulweglänge vermessen habe.

Von einer Klagewelle kann also keine Rede sein. Allerdings nehmen beide Anwälte für sich in Anspruch, dass durch den durch Klagen aufgebauten Druck indirekt die Neigung zu pragmatischen Lösungen – wie etwa die Einrichtung einer Mehrklasse - verstärkt werde. Dies ist allerdings nicht objektiv belegbar.

Welche Kriterien gibt es denn überhaupt, nach denen Schulen im Regierungsbezirk Köln die Plätze vergeben dürfen?

Neben dem Losverfahren und der Schulweglänge sind das der Besuch einer Schule in der Nähe der zuletzt besuchten Grundschule sowie Geschwisterkinder und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Mädchen und Jungen. Die letzten beiden Kriterien werden von den allermeisten Schulen auch angelegt.

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Die Bezirksregierung betonte schon nach dem Ärger im vergangenen Jahr gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger, dass es durchaus in Köln Schulen gebe, die alle vom Gesetz benannten inhaltlichen Kriterien zur Platzvergabe anwenden – auch die Schulweglänge. Das sei allein die Entscheidung der Schule.

Die beiden neu an den Start gehenden Gymnasien im Kölner Westen gehen ausdrücklich nicht per Losverfahren an den Start. Sie machen die Schulweglänge zum entscheidenden Kriterium und wollen eine Veedelsschule sein. Ist das ein Paradigmenwechsel?

Es ist zumindest ein wichtiges Signal, dass man sich offensiv traut, eine Schule prioritär für Kinder eines bestimmten Stadtteils anzubieten. Was in dem Fall aber auch inhaltlich Sinn macht, da gerade im Kölner Westen im vergangenen Jahr die größten Engpässe bei den Gymnasialplätzen entstanden sind. Inwieweit das einen Dominoeffekt nach sich zieht, bleibt abzuwarten. Das hängt auch von der Akzeptanz des Verfahrens ab.

Wobei man auch sagen muss, dass das Kriterium Schulweglänge nicht für alle Schulen geeignet ist. Für Innenstadtschulen oder andere Schulen, die aufgrund ihres besonderen Profils oder der guten Erreichbarkeit mit ÖPNV ein weites Einzugsgebiet haben, ist Schulweglänge relativ. Ein zehnminütiger Fußweg ist nicht vergleichbar mit einer gleich langen Bahnfahrt zur Schule.

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