Sommergefühl und AbstandsschwimmenSo war der Start im Freibad Dünnwald während Corona

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Viel Platz für Langstreckenschwimmer im Waldfreibad

Viel Platz für Langstreckenschwimmer im Waldfreibad

  • Die Freibad-Saison ist seit dem 19. Mai in NRW wieder eröffnet.
  • Im Waldfreibad Dünnwald ist am Mittwoch nach der Zwangspause noch viel Platz im Schwimmbecken – gemäß der Abstandsregel. Funktioniert das überhaupt, Abstand halten beim Bahnen ziehen?
  • Jonah Lemm hat sich umgesehen: So war das „Anschwimmen“.

Köln – Eigentlich war dieser Mittwoch kein Freibadtag. Wäre er zumindest nicht gewesen, vor Corona. Lächerliche 17 Grad, auf die sich die Mai-Luft da gestemmt bekam.

Dazu ein grauer Vorhang vor der Sonne, als wolle sie lieber in Ruhe gelassen werden. Eigentlich war das ein Tag für ein gutes Buch auf dem Balkon oder auch ein bisschen Gartenarbeit. Sowas eben.

Aber weil das Markenzeichen dieses Virus ja ist, alles von heute auf morgen verändern zu können, den Einkauf im Supermarkt, die Schulpflicht, die Weltwirtschaft, war dieser Mittwoch doch ein Freibadtag.

Kontaktdaten der Besucher werden gesammelt

Paragraf 10 der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 des Landes Nordrhein-Westfalen, Absatz 3: „Der Betrieb der folgenden Einrichtungen und Begegnungsstätten sowie die folgenden Angebote sind untersagt: Freibäder bis einschließlich 19. Mai 2020.“ Der 19. Mai 2020 war Dienstag.

Waldbad Dünnwald. Sie haben pinke Striche auf den Asphalt vor dem Eingang gemalt, klar, die anderthalb Meter, versteht mittlerweile jeder. Neben der Kasse liegt ein Leitz-Ordner. Name, Anschrift, Telefonnummer, Mailadresse bitte hier eintragen. Müssen sie sammeln und für vier Wochen aufbewahren, Punkt 6 der 16 Hygieneregeln, die das Land den Freibädern geschickt hat. Punkt 8: Hände vorher desinfizieren. Und jetzt rein da.

Die Rutsche rauscht, die Sonne traut sich auch endlich heraus. Lichtreflexionen tanzen über das Blau. Beckenrand-Palmen wippen im Wind. Libellen und Schmetterlinge surren über die Wiese, auf der bunte Decken liegen, auf denen Mütter liegen, ihre Kinder rufen „Arschbombe!“, Springen vom Beckenrand verboten, aber dann zischt es, dann kommen sie pitschnass zurück und holen sich ein Weingummi ab, Mama, kann ich noch eins haben? Lachen, zurück ins Wasser.

Der Sound des Sommeranfangs

Mit Störgeräuschen. Rascheln. Flatterband, rot-weiß und überall, vor der Sauna, vor den Duschen. Und dann sind da die laminierten Schilder. „Abstand von 1,5 Meter bitte einhalten und auf allen Bahnen im Kreis schwimmen“. Das Umweltbundesamt sagt, das Chlor im Wasser und die Filtration sorgen schon dafür, dass Viren verlässlich „inaktiviert“ werden. Sören Roth sagt, er sorgt lieber selbst dafür, dass sich hier keiner zu nah kommt, weder im Becken noch anderswo.

Roth ist ein kräftiger Mann mit kurzen Haaren und ernstem Gesicht. Seit vier Jahren leitet er das Freibad. Während andere Chefs in den vergangenen Wochen darauf gewartet haben, wiedereröffnen zu dürfen, hat er darauf gewartet, überhaupt mal öffnen zu dürfen. Die Freibadsaison beginnt klassischerweise am 1. Mai. Zweieinhalb Wochen Zwangspause. Wir hätten keinen Tag länger ausharren können, sagt Roth.

„Sonst hätte ich im schlimmsten Fall Mitarbeiter entlassen müssen. Wir sind hier schließlich ein privater Verein, der kaum Rücklagen haben darf.“ Deswegen war er nun auch einer der ersten, der aufgemacht hat. Die städtischen Kölnbäder lassen erst an Christi Himmelfahrt Gäste hinein. Auch in einigen Bädern im Rhein-Erft-Kreis, etwa im Terrassenfreibad in Frechen oder im Freibad Türnich, war das Baden bereits am Mittwoch schon möglich.

„Eine verdammt ungewohnte Situation“

Wie genau die Freibäder – nur die dürfen öffnen – für Schutz sorgen, ist ihnen überlassen. Manche haben Zeitfenster für Besucher eingeführt. In fast allen muss man sein Ticket vorab online kaufen, damit der Ansturm vor Ort nicht zu groß wird.

In Dünnwald kann jeder Gast so lange bleiben, wie er möchte. Gerade sind vielleicht 300 da, 2000 dürfen nach den neuen Regeln maximal noch aufs Gelände. „Schaffen wir ganz sicher“, sagt Roth, spätestens wenn es am Wochenende warm wird. Heute Morgen sei bereits das Gesundheitsamt da gewesen, war alles gut. Die Bahnen sind mit drei Metern breit genug. Dürfen halt nur nicht zu viele gleichzeitig rein. Mal sehen, wie sie das machen, wenn es so richtig voll wird, sagt Roth. „Ist auch für uns eine verdammt ungewohnte Situation.“

Er hat sich die Infektionsschutzstandards ausgedruckt, auf A3.

Regale einräumen als „Corona-Minijob“

Sabine Friedrichs war Nummer zwölf. Ihre Tochter Mariella die elf, die Grundschulfreundin Afomia die zehnte Person, die heute das Bad betreten hat. Jetzt planschen die Mädchen im Wasser, kraulen um die Wette und sind fröhlich. Friedrichs, die gerade 40 Prozent Kurzarbeit durchsteht, deswegen nun zusätzlich Regale einräumt, als „Corona-Minijob“, wie sie es nennt, schaut von der Wiese aus zu. „Wir waren die ganze Zeit brav zu Hause“, sagt sie. Haben der Tochter sogar ein Trampolin gekauft, damit es Mariella nicht allzu langweilig wird. Sie sagen dazu „Coronapolin“.

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„War schon echt gut, jetzt mal wieder rauszukommen“, sagt Friedrichs. Werde wohl auch nicht der letzte Besuch sein. Urlaub geht ja kaum dieses Jahr. Das hier ist dann der Ort, der dem am nächsten kommt. La deutsche Vita.

Aber noch ohne Pommes. Der Kiosk ist zu. Roth will ihn in den kommenden Wochen wieder öffnen, darf er, solange alle Vorgaben auch dort eingehalten werden. Was er gar nicht darf, ist Spielzeug wie Poolnudeln ausleihen.

„Hier ist ja echt genug Platz“

Petra und Fabian Lagodny hätten lieber einen Kaffee. Den trinken die beiden, Mutter und Sohn, Jahreskartenbesitzer, hier immer nach dem Schwimmen, sagen sie. „Müssen wir uns wohl die nächsten Tage selbst einen mitbringen“, meint Petra. „Ist ja nicht schlimm, heute war ja nur Anschwimmen“, sagt Fabian. Und war’s anders als sonst? Nö, entgegnen beide. Das mit der Adressliste sei natürlich nervig, aber man gewöhnt sich bestimmt auch daran. Ist ja auch für unser aller Wohl. Haben sie Angst um ihr eigenes? „Ich denke“, sagt Fabian, „im normalen Arbeitsalltag setzen wir uns einem höheren Risiko aus. Hier ist ja echt genug Platz.“

Betriebsleiter Roth hat auch schon einen ziemlich genauen Plan, was mit den Gästen passieren soll, die sich nicht an die neuen Regeln halten: „Wir sagen das zwei Mal freundlich. Und beim dritten Mal fliegst du dann raus.“

Eine Maskenpflicht gibt es in Dünnwald nicht. Auf der Toilette aber soll sie getragen werden. Sagt ein Schild an der Tür. Ein Junge in Badehose rennt trotzdem ohne hinein.

Zumindest er bleibt noch unbemerkt.

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