Zu spät dran?Stadt Köln noch ohne Ausschreibung für Sicherheitsdienste bei der EM 2024

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Das Rhein-Energie-Stadion

Eine von zehn EM-Spielstätten: das Rhein-Energie-Stadion

Ist Köln bei der Suche nach Sicherheitspersonal für die EM 2024 zu spät dran?

Die Stadt Köln hat sich bislang nicht auf die Suche nach Sicherheitsdiensten für die Fußball-Europameisterschaft 2024 begeben. Das teilte ein Stadtsprecher auf Anfrage mit. Die Ausschreibung befinde sich derzeit „in der finalen Abstimmung“, hieß es weiter. „Ziel ist es, den Auftrag bis Ende des Jahres/ Anfang 2024 zu vergeben.“

Das Rhein-Energie-Stadion ist eine von zehn Spielstätten bei der EM 2024. Gespielt wird auch in Berlin, München, Leipzig, Hamburg, Dortmund, Gelsenkirchen, Düsseldorf, Frankfurt und Stuttgart. In Köln sollen insgesamt vier Gruppenspiele und ein Achtelfinale stattfinden. Weil vier Austragungsorte in Nordrhein-Westfalen liegen und mit Frankfurt ein weiterer in Westdeutschland, geht die Stadt bei der Suche nach geeignetem Sicherheitspersonal von einer Konkurrenzsituation zwischen den Standorten aus.

Stadt Dortmund hat Leistungen teilweise schon ausgeschrieben

Einen Fragenkatalog des „Kölner Stadt-Anzeiger“ beantwortet die Stadt Köln ebenso wie die vier anderen Austragungsorte im Westen des Landes in Teilen nur knapp. Ein Satz eines Düsseldorfer Stadtsprechers lässt den Grund erahnen: „Ein Sicherheitskonzept, das öffentlich dargestellt wird, ist keines mehr.“ In Düsseldorf sei „eine komplexe Sicherheitsarchitektur mit allen Netzwerkpartnern entwickelt und erstellt“ worden, heißt es. Ob Sicherheitsfirmen bereits unter Vertrag genommen worden sind, bleibt offen.

Dortmund ist indes erkennbar weiter als Köln: Zwar hänge der Prozess vom Einsatzbereich der Sicherheitsdienste und den genauen Aufgabenstellungen ab. Dennoch seien Leistungen teilweise bereits ausgeschrieben. „Die Verknappung des Sicherheitspersonals ist ein seit längerem bestehendes brancheninternes Problem, welches sich unabhängig von der Euro 2024 entwickelt hat. Durch den Mangel an Personal entsteht natürlich eine Konkurrenz um die Ressourcen“, teilte ein Dortmunder Stadtsprecher mit. Aber: Ein „sicherheitsrelevanter Personalmangel“ in einer Stadt habe auch Auswirkungen auf andere Städte. Es geht also nicht nur um Konkurrenz, sondern auch um Kooperation. Die Städte Gelsenkirchen und Frankfurt ließen den Fragenkatalog bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

„Es vollkommen klar, dass es zu wenig Personal geben wird“

Einen Überblick über die Arbeit von Sicherheitsdiensten in Nordrhein-Westfalen hat Oliver Hofmann, der in dem Bereich seit Jahrzehnten tätig ist. Schon bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, bei der Köln ebenfalls Austragungsort war, hat er in der Branche gearbeitet. „Damals hatten alle Angst vor den Hooligans“, erinnert er sich. Das habe sich zwar geändert, dafür sei die heutige Zeit politisch wesentlich unruhiger. Es seien mehr Konflikte zu erwarten. Vor rund zehn Jahren hat Hofmann in Düren seine eigene Firma gegründet, die seitdem stetig wächst und mit Teilzeitkräften und Auszubildenden auf rund 80 Mitarbeiter kommt.

Neben Köln, Düsseldorf und Aachen ist Hofmann auch im Ruhrgebiet tätig.  „Es ist von vornherein vollkommen klar, dass es für die EM zu wenig qualifiziertes Personal geben wird, das wissen auch die öffentlichen Auftraggeber“, sagt er. „Die Konkurrenz ist riesig, am Ende wird sich jede Stadt die nächste sein.“ Anfragen von Kommunen lasse er selbst häufig „links liegen“, sie seien oft wenig attraktiv. Denn: Den Zuschlag bekommt in der Regel der Günstigste. Und der arbeite dann mit Subunternehmern, die sich regelmäßig nicht an das Arbeitsrecht halten würden. Halte man sich an die gesetzlichen Regelungen, habe man bei öffentlichen Ausschreibungen kaum eine Chance, so Hofmann weiter.

Er berichtet von einem System, das in Köln durch einen Bericht des Rechnungsprüfungsamtes offenbar geworden ist: In den vergangenen Jahren war unqualifiziertes Personal ohne polizeiliche Prüfung nachweislich in den Straßenkarnevals-Hotspots im Einsatz. Die Arbeitszeiten waren zu lang, die Stadt kannte zahlreiche Unternehmen, die sie mittelbar beauftragt hatte, überhaupt nicht. Stadtdirektorin Andrea Blome kündigte in der vergangenen Woche an, daran etwas ändern zu wollen. „Wir werden in künftigen Vergaben vermutlich nicht nur den Preis als Kriterium nehmen“, sagte sie im Rechnungsprüfungsausschuss. Aus Sicht von Oliver Hofmann ist eine Erweiterung der Ausschreibungskriterien die einzige Chance, zuverlässig an geschultes Personal zu kommen. Dafür brauche es aber auch strikte Kontrollen aller Mitarbeiter der beauftragten Sicherheitsdienste – das bundesweite Vorbild sei hier das Münchener Oktoberfest, wo alle involvierten Angestellten mehrere Monate im Vorfeld vollständig kontrolliert werden.

Stadt Köln: Es kommt bei der Sicherheit auch auf den Spielplan an

Insgesamt rechnet die UEFA in Deutschland mit zwölf Millionen Menschen alleine in den Fan-Zonen an den Spielorten. Die Frage, wie viel in welcher Stadt los sein wird, ist noch nicht seriös zu beantworten. Mehr Klarheit herrscht nach der Auslosung am 2. Dezember in Hamburg, danach weiß auch die Stadt Köln, mit welchen Fan-Lagern zu rechnen ist. Seit Beginn des Jahres arbeitet ein von der Stadt beauftragtes Unternehmen am Sicherheitskonzept für die EM 2024 im öffentlichen Raum. Darunter fallen neben den Spielen auch die Public-Viewing-Events – bestätigt sind bislang die Standorte Tanzbrunnen und Heumarkt – sowie die Bewachung der zentralen Orte der Stadt.

„Die Finalisierung dieses Konzeptes ist unter anderem abhängig von den Spielpaarungen, die erst nach der Auslosung Anfang Dezember feststehen, sowie weiteren Informationen, die erst unmittelbar vor Turnierstart vorliegen. Erst dann wird das finale Sicherheitskonzept fertiggestellt“, heißt es von der Stadt Köln. Der aktuelle Stand des Sicherheitskonzepts beinhaltet verschiedene Szenarien für unterschiedliche Spielpaarungen und ermöglicht es laut Stadt deshalb schon jetzt, die notwendigen Ausschreibungen vorzunehmen. Dennoch kommen die Ausschreibungen erst zum Jahreswechsel, also nicht vor der Auslosung.

Warum? Ein frühes Vorgehen sei „grundsätzlich ratsam und wünschenswert, aufgrund äußerer Umstände aber nicht immer realisierbar. Bei allem möglichen Konkurrenzdruck in Sachen Personal stehen Sorgfalt und eine verantwortungsvolle Vorbereitung immer an erster Stelle.“ 

Auf kommende Großevents wie die EM 2024 blickt Oliver Hofmann trotz der Ankündigungen der Stadt Köln wenig optimistisch. „Ich denke, man wird wach werden, wenn an irgendeiner Stelle Opfer zu beklagen sind“, sagt er.

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