Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Stadtdechant Kleine„Da sieht man Hünen im FC-Trikot, die heimlich eine Träne verdrücken“

13 min
07.08.2025, Köln: Gerald Selch und Joachim Frank mit Stadtdechant Robert Kleine im Garten der Religionen. Foto: Arton Krasniqi

Kölns Stadtdechant Robert Kleine am Rande des Gesprächs für den Kölner Stadt-Anzeiger mit Chefredakteur Gerald Selch und Joachim Frank im Garten der Relogionen.

Der Kölner Stadtdechant Robert Kleine über die Andacht für Fans des 1. FC Köln zum Saison, den Dom und eine mögliche Segnung für queere Paare. 

Herr Stadtdechant, die Bundesligasaison in Köln beginnt mit einer Andacht im Dom. Offenbar glauben nicht einmal die Fans, dass der ruhmreiche 1. FC Köln ohne Gottes Segen die Klasse hält. Die Tickets für den Dom waren jedenfalls in Nullkommanichts vergriffen. Ist das Ihre Art, die Kirche in die Stadt zu bringen?

Die Andacht findet jetzt zum elften Mal statt. Ich habe vor der Premiere gesagt: In dieser Stadt haben wir zwei feste Größen, den Karneval und den FC. Zu beidem sollte es auch einen Gottesdienst im Dom geben. Der traditionelle Termin zur Saisoneröffnung war das erste Heimspiel des FC. Nun haben wir 2025 ein doppeltes jeckes Jubiläum: 77 Jahre 1. FC Köln und 777 Grundsteinlegung des Doms am 15. August. Deshalb findet der Gottesdienst genau an diesem Tag statt – ohne ein Spiel im Anschluss. Mit den Tickets, die wir dieses Jahr erstmals verteilt haben, wollten wir uns einen Überblick verschaffen, ob trotzdem Leute kommen würden. Das ist offensichtlich sehr wohl der Fall.

Was glauben Sie, woran das liegt?

Es hat bestimmt mit der Verbindung zum Dom zu tun. Der Dom steht für Köln, das Köln-Gefühl und zugleich noch für etwas Höheres, für Gläubige ist das natürlich Gott. Ich glaube, diese Mischung macht’s. Ob alle Teilnehmer am Gottesdienst gläubig sind, weiß ich gar nicht. Das muss aber auch nicht.

Wofür beten Sie?

Natürlich nicht dafür, dass der FC gewinnt oder gar Meister wird. Erstens sollen die Wünsche ja realistisch sein, und zweitens soll immer der Beste gewinnen. Das wird meistens der FC sein (lacht). In den Texten und Gebeten versuchen Stadtsuperintendent Bernhard Seiger und ich, das sportliche Geschehen mit dem Glauben in Beziehung zu setzen: Gemeinschaftsgeist, Zusammenhalt in guten wie in schweren Zeiten, Vielfalt der Begabungen und Talente – darum geht es im Stadion wie auch im Leben von uns Christen. Voriges Jahr haben wir über die Hymne des FC Liverpool gepredigt: „You’ll never walk alone.“ Das ist auch eine zentrale Zusage des Glaubens: Du bist nie allein. Gott steht an deiner Seite.

Sie wirken selbst ganz empathisch, wenn Sie das sagen.

Es freut mich jedes Mal, wenn mir die Menschen nach so einem Gottesdienst sagen: „Toll, dass der Dom dafür seine Türen öffnet!“ Ich kann ihnen ja nicht hinter die Stirn gucken. Aber ich glaube, viele kommen anders aus dem Dom heraus, als sie hineingegangen sind. Da sieht man gelegentlich wahre Hünen im FC-Trikot, die heimlich eine Träne verdrücken oder vor der Schmuck-Madonna ein Kerzchen anzünden. Umgekehrt mute ich den Teilnehmern im Gottesdienst schon auch etwas zu. Einmal habe ich gesagt: Wer zu Gewalt greift, im Stadion oder davor, der hat das Recht verwirkt, sich Fan zu nennen.

Und?

Dafür gab es Applaus.

„Im Dom wurden keine Pittermännchen gesegnet“

Der Kardinal ist bei so was nicht dabei. Auch nicht beim anderen Kölner Großereignis: Zur Prinzenproklamation war er zuletzt gar nicht mehr eingeladen. Das Festkomitee hat offen das Verbot von Segensfeiern für homosexuelle Paare kritisiert: Fahnen segnen und Pittermännchen, aber keine Menschen, die sich lieben, das gehe gar nicht. Verstehen Sie diese Kritik?

Zunächst einmal: Es wurden im Dom keine Pittermännchen gesegnet. In der Messe zu seinem Amtsantritt 2014 bekam der Kardinal bei der Gabenprozession eines überreicht – als etwas Typisches für unsere Region, zusammen mit Aspirin-Tabletten aus Leverkusen oder einer CD der „Toten Hosen“ aus Düsseldorf. Aber selbst wenn wir Gegenstände segnen, gilt der Segen immer den Menschen, die sie nutzen oder mit ihnen umgehen.

Das Bild zeigt Kardinal Woelki mit Kölschfass „Pittermännchen“ beim ökumenischen Gottesdienst der Karnevalisten im Kölner Dom am 10.01.2019. Foto: Uwe Weiser

Kardinal Woelki mit Kölschfass „Pittermännchen“ beim ökumenischen Gottesdienst der Karnevalisten im Kölner Dom am 10.01.2019.

Die kontrovers diskutierte Frage lautet nun, ob auch queere Menschen als Paare gesegnet werden dürfen.

Papst Franziskus hat dafür die Tür einen Spalt weit geöffnet und einen Segen en passant erlaubt. Aber nicht in feierlichem Rahmen, nicht in der Kirche. Ich glaube, damit wollte der Papst Rücksicht nehmen auf Weltgegenden, die sich mit Homosexualität schwertun. Bei uns, finde ich, müsste es Wege geben für eine kirchliche Segensfeier – ohne dass sie mit einer sakramentalen Eheschließung gleichzusetzen wären. Segen heißt: Wir wünschen diesem Paar und seiner Liebe im Angesicht Gottes alles Gute. Was sollte daran verkehrt sein?

Dass homosexuelle Paare „in Sünde leben“ – immerhin ist das die offizielle katholische Lehre.

Sollen wir zu queeren Menschen wirklich sagen: „Gott will nicht, dass ihr so seid, wie ihr seid?“ Ich kann das nicht. Ich kann Menschen in ihrer Beziehung auch nicht auf ihre Sexualität reduzieren. Da geht es um so viel mehr: um Treue, Verlässlichkeit. Ich hoffe, dass sich der Blick der Kirche darauf wandelt. Unser Erzbischof will im Moment nicht weiter gehen, als Rom es erlaubt. Ich sage mir: Das ist eine klare Haltung. Nur sollten wir in dieser Frage im Dialog bleiben.

Aber Sie persönlich würden queere Paare trotzdem segnen?

Ich würde ihnen auf jeden Fall zusagen, dass Gott sie liebt, begleitet und sie unter seinem Segen stehen. Aber an Regeln muss ich mich halten.

96 Prozent aller Katholiken sagen, ihre Kirche müsse sich grundlegend verändern, wenn sie eine Zukunft haben will. Und sie nennen Reformanliegen wie die Zulassung von Segensfeiern, aber auch die Heirat für Priestern und vieles mehr. Alles Punkte, gegen die Kardinal Woelki sich sperrt. Wundert es Sie da, dass er in Köln nur mehr auf 3 Prozent Zufriedenheit kommt – ein „Hirt ohne Herde“?

Kardinal Woelki ist als Kölner Erzbischof der Hirt seiner Herde, und so versteht er sich natürlich auch.  Er sagt aber auch: Ich bin vom Papst ernannt und der Lehre der Kirche verpflichtet. Das ist für ihn eine Frage der Loyalität und des Amtes.

Und deswegen lässt er präventiv Regenbogen-Symbole an erzbischöflichen Schulen unterbinden, weil sie kirchenfeindlich seien? Wie haben Sie diese Aktion am Bildungscampus Köln-Kalk kurz nach dem Kölner CSD empfunden?

Ich habe bei Ihnen im „Stadt-Anzeiger“ davon gelesen. Seitdem hatte ich keine Gelegenheit, mit den Akteuren zu sprechen. Ich finde nur: Wenn ich ein so großartiges Projekt habe wie den Bildungscampus Köln-Kalk, der ein echtes Herzensanliegen des Erzbischofs ist, dann lenke ich doch nicht im Vorfeld den Blick auf Nebensächlichkeiten, um die es überhaupt nicht geht. Zumal der Regenbogen auch das Zeichen für den Bund Gottes mit uns Menschen ist. In meinen 31 Jahren als Priester habe ich viele Erstkommunionfeiern unter das Symbol des Regenbogens gestellt. Jetzt wird er nur noch mit dem Einsatz für die Rechte von queeren Menschen verbunden – was auch nichts Schlechtes ist, aber der Regenbogen steht für mehr. Warum konnte man nicht sagen: „Kommt alle her, wir feiern ein Fest und freuen uns über diesen architektonisch und pädagogisch tollen Ort!“ Stattdessen hat man scheinbar ein Signal der Abwehr und Ausgrenzung gesendet – eine verquere Kommunikation.

Nicht das erste Mal. Seit Jahren ist im Erzbistum von Kommunikationsproblemen die Rede. Die hat sogar Papst Franziskus festgestellt, als es um die Auszeit für den Kardinal ging. Jetzt liegen erneut Anzeigen gegen den Kardinal beim Papst vor, in denen es neben der Amtsführung auch um eine Außendarstellung geht, die jede Einsicht in eigenes Fehlverhalten vermissen lässt. Wie sehr belastet das Ihre Arbeit?

Ich habe zur Kenntnis genommen, dass es diese Anzeigen gibt. Gut, dass es dafür Verfahrenswege und Regeln gibt. Jetzt liegt es beim Heiligen Vater und den zuständigen Stellen in Rom, auf diese Anzeigen zu reagieren. Zu Ihrem anderen Punkt: Kommunikation ist für jede Organisation zentral, für die Kirche ganz besonders. Natürlich werde ich, wo immer ich hinkomme, auf all diese Dinge angesprochen, die Sie genannt haben. Ich finde, die Menschen haben auch das Recht, danach zu fragen – und eine Auskunft zu bekommen. Mit ihren Fragen zeigen sie ja, dass es ihnen wichtig ist.

Und welche Auskunft geben Sie?

Dass ich so manches an dem Bild ungerecht finde, das von unserem Erzbischof in der Öffentlichkeit entstanden ist. Was den Missbrauchsskandal betrifft:  Der Kardinal hat nichts vertuscht, er hatte nie eine Position wie Personalchef oder Generalvikar. Die hatten andere inne, deren Namen auch in Gutachten veröffentlicht wurden. Die haben vertuscht, und Kardinal Woelki hat als Erzbischof direkt begonnen aufzuklären. Meines Erachtens war er nicht immer gut beraten – wie beim Umgang mit den beiden Gutachten. Aber seitdem ist in seinem Auftrag eine Menge Gutes passiert in puncto Intervention und Prävention. Das sollte man auch mal  klar benennen - gerade im Hinblick auf andere Akteure in der Kinder- und Jugendarbeit, die längst nicht so weit sind.  Oder denken Sie an sein großes Engagement für Geflüchtete: Die Aktion Neue Nachbarn oder direkt zu Beginn – die Messe zu Fronleichnam mit einem Flüchtlingsboot als Altar…

… Das war vor neun Jahren - zu ganz anderen Zeiten! Nehmen Sie es nicht auch so wahr, dass die Stimme des Kardinals in die Kölner Gesellschaft hinein inzwischen weitgehend verstummt ist?

Der Erzbischof von Köln ist doch verantwortlich für das ganze Bistum und meldet sich deshalb verständlicherweise nicht unbedingt bei städtischen Themen zu Wort, die allein Kölnerinnen und Kölner umtreiben. Dass die Stimme der Kirche insgesamt weniger wahrnehmbar ist – gilt das nicht generell? Früher saßen in den Talkshows öfter mal Bischöfe oder Theologieprofessoren. Das ist vorbei. Dabei gäbe es viele Themen, zu denen wir als Kirche etwas zu sagen hätten und haben.

„Zeigen in Köln klare Kante gegen Rassismus und Hetze“

Zur AfD haben die Bischöfe gesagt, die Partei mit ihrer Programmatik sei für Christen nicht wählbar.

Das stimmt. Nur: Was heißt das jetzt? Und wie positionieren wir uns als Kirche vor Ort? In Köln haben wir das getan, haben klare Kante gezeigt gegen Rassismus und Hetze - und darin sehe ich auch meine Aufgabe in der Stadt. Genau wie am Beginn des Ukraine-Kriegs oder nach dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023.  Wenn ich mitbekomme, dass in unserem Land zur Vernichtung Israels aufgerufen wird, da kann ich doch nicht schweigen, da muss ich doch hier in Köln für die Kirche meine Stimme erheben.

Sie haben für unser Gespräch über Kirche und Glauben als Treffpunkt keinen „katholischen Hotspot“ vorgeschlagen, sondern den „Garten der Religionen“ hier in der Südstadt. Warum?

Erstens gehört das Gelände zum Bereich unseres Sozialverbands „In via“, der zusammen mit der Caritas und anderen Organisationen eine tolle Arbeit für die Menschen in unserer Stadt macht. Eine Arbeit übrigens, die weit über die Kirchengrenzen hinaus hohe Wertschätzung genießt. Zweitens ist der Garten der Religionen eine Oase der Ruhe, die zum Verweilen, zum Nachdenken einlädt und die zugleich für das friedliche Miteinander der Religionen steht. Das ist mir umso wichtiger, als in vielen kriegerischen Auseinandersetzungen missbräuchlich die Religion ins Feld geführt wird. Denken Sie etwa an Putins Krieg, den der russische Patriarch Kyrill zum „Heiligen Krieg“ erklärt hat. Vom Nahen Osten gar nicht zu reden.

Islamistische Terroristen führen auch die Rede vom „Heiligen Krieg“ im Mund. Selbstmordattentäter werden als „Märtyrer“ ausgegeben. Auch das im Namen der Religion.

Aus meiner Sicht ist das eine Perversion von Religion. Märtyrer nach unserem christlichen Verständnis sind Menschen, die für ihren Glauben den Tod erleiden und nicht andere umbringen. Diese Leute, die andere in die Luft sprengen, sind feige Mörder. Ich bin sicher, die meisten Muslime sehen das auch so. Es ist ja bezeichnend, dass der sogenannte Islamische Staat in der islamischen Welt weitestgehend keine Unterstützung hat. Mir fehlt allerdings bisweilen auf muslimischer Seite die klare Verurteilung dieser islamistischen Gewalt.

07.08.2025, Köln: Gerald Selch und Joachim Frank mit Stadtdechant Robert Kleine im Garten der Religionen. Foto: Arton Krasniqi

Der Kölner Stadtdechant Robert Kleine (Mitte) mit Gerald Selch, Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“ (links), und Chefkorrespondent Joachim Frank beim Interview im Garten der Religionen.

Auch nach dem Massaker der Hamas, das Sie schon erwähnten?

Die NRW-Landesregierung hatte damals ein Treffen der Religionsgemeinschaften organisiert, den Überfall aus Israel gemeinsam zu verurteilen. Die muslimischen Vertreter waren dabei, aber insgesamt war ihre Stimme doch eher verhalten. Ein Problem mag es sein, dass die Verbände sehr unterschiedlich sind – von der türkischen Ditib bis zur Vertretung einer syrischen Moscheegemeinde. Da gibt es nicht „die eine Stimme“ wie bei katholischer oder evangelischer Kirche.

Terror ist Terror.

Eben. Es sollte schon eine Stellungnahme möglich sein, die lautet: Allah will das nicht. Wenn ich einmal auf die Ditib schaue – da haben wir auf Stadtebene sehr guten Kontakt. Aber von „ganz oben“ kommt doch immer wieder Bedenkliches und Kritikwürdiges. Da merkt man dann doch die strukturelle Anbindung an den türkischen Staat. Manchmal denke ich: Wenn wir uns als katholische Kirche kritisch zu politischen Vorgängen in Deutschland und der Welt äußern, könnte von der Ditib ja auch mal was kommen zur Unterdrückung der Opposition in der Türkei und zu Verhaftungen von Gegnern des Regimes Erdogan….

Kommen wir nochmal zurück auf Köln. Es wird, angestoßen von der Oberbürgermeisterin, vor der Kommunalwahl am 14. September unter anderem viel über die zunehmende Verwahrlosung der Stadt diskutiert. Wie hat sich Köln in der Zeit verändert, in der Sie hier leben?

Seit 1997 wohne ich in Köln, seit 2012 bin ich Stadtdechant. Ich bin vor allem in der Innenstadt unterwegs, und da nehme ich schon das wahr, was als „Verwahrlosung“ kritisiert wird. Sorgen macht mir vor allem die Drogenszene. Die neuen, synthetischen Drogen machen die Menschen in einer Heftigkeit und einem Tempo kaputt – das ist erschreckend. Wandelnde Leichen, denke ich manchmal. Wie wollen wir denen helfen? Das ist für mich eine große, ungelöste Frage.

Zur Problemzone Neumarkt sagt die KVB, man müsse die Drogenabhängigen anderswo hinbringen. Da kommen sofort die Sozialverbände und warnen vor Verdrängung. Ist Verdrängung prinzipiell unchristlich?

Ja, wenn die Menschen nur fortgeschafft, aber nicht versorgt werden. Das würde bedeuten: Wir machen jetzt mal den Neumarkt „clean“, die Menschen sind uns egal. Und das geht nicht. Eine Versorgung könnte auch an einem anderen Ort geschehen. Auch ich sage, am Neumarkt muss etwas passieren. Aber da gibt es verschiedene Aspekte. Dass der Neumarkt kein attraktiver Platz ist, liegt nicht allein an der Drogenszene. Außer zum Ein- und Aussteigen in die Bahnen der KVB läuft da doch nichts. Ein Vergleich mit dem Münchner Viktualienmarkt ist vielleicht ein bisschen unfair, markiert aber auch das Gefälle zwischen einem echten Platz und einer öden Freifläche.

Drogen in Köln: „Das Problem lässt sich nicht verdrängen“

Die Drogenszene macht es ja nun auch nicht besser.

Das ist ein weiterer Aspekt. Da kann man fragen: Wo siedeln wir einen Drogenkonsumraum an? Innerstädtisch gelegen sollte er schon sein. Aber finden Sie dann mal einen Ort, wo es nicht heißt: „Anderswo sehr gern, aber bitte nicht hier!“ Das eigentliche Problem scheint mir zu sein, dass es immer mehr Menschen sind, die den harten Drogen verfallen. Und dieses Problem lässt sich nicht verdrängen. Gibt es also vielleicht doch noch Möglichkeiten, Betroffene für eine Therapie zu gewinnen und sie dahin zu vermitteln? Es kann auf jeden Fall nicht sein Bewenden damit haben, dass man die Augen verschließt und sagt, „das ist halt so, und wir sehen nur noch zu, dass wir die Situation am Neumarkt bereinigen“. Und Stichwort „bereinigen“: Man muss sehr aufpassen, dass man beim Reden über die Verwahrlosung der Stadt über Menschen spricht – und nicht nur über Müll.

Der ist aber auch ein Problem.

Ja, und da bin ich - ehrlich gesagt – mindestens so ratlos. Ich war vor einiger Zeit in München und habe eigens Fotos gemacht, weil die Straßen so sauber waren. Warum gelingt das nicht auch in Köln?

Haben Sie eine Idee?

Ich weiß es nicht. An den Abfallwirtschaftsbetrieben liegt es nicht. Deren Mitarbeiter sind fleißig und machen wirklich einen guten Job, gerade auch in Domnähe, da kenne ich die AWB-Leute, die da arbeiten. Aber wenn die auf der einen Seite der Domplatte fertig sind, können sie auf der anderen gleich wieder anfangen. Vielleicht braucht es wirklich mehr Härte - das Ordnungsamt rigoros durchgreift und Knöllchen verteilt, wenn die Leute ihren Müll fallenlassen.

Und nicht nur den.

Was den Uringestank an jeder Ecke und die Fäkalien betrifft, habe ich immer gesagt: Es kann nicht sein, dass es nur im Hauptbahnhof Toiletten gibt, die viel kosten, oder am Dom die Toilette am Eingang zur Turmbesteigung, die um 20 Uhr schließt. Wir brauchen viel mehr Toiletten im öffentlichen Raum mit einer regelmäßigen Säuberung. Wofür gibt es eigentlich die Bettensteuer? Die Einnahmen sind doch am besten dafür verwendet, dass es Touristen und Geschäftsleute auf Besuch in Köln nicht graust und sie nicht das Gefühl mitnehmen: Köln, bloß nicht!

Im Erzbistum steht Ihnen ein großes Sparprogramm ins Haus. Wissen Sie schon, was Sie künftig wegfallen lassen müssen?

Wir haben in der Tat eine Kürzung von 20 Prozent zu verkraften. Für die Gemeinden geht es in erster Linie um Immobilien: Was wird in Zukunft noch gebraucht? Was können wir sinnvoll nutzen? Wovon können wir uns trennen? Ein zweiter großer Hebel sind immer die Personalkosten. Ich habe in meinem Bereich zum Beispiel bei der Neubesetzung meines Sekretariats gekürzt. Der Erzbischof hat als einen „pastoralen Schwerpunkt“ das sozial-karitative Handeln benannt. Konkret: Das Stadtdekanat ist Träger zweier Eheberatungsstellen, einer Erziehungsberatungsstelle, der Telefonseelsorge, der Obdachlosenseelsorge. Die sollen von den Kürzungen nicht so stark betroffen ist. Bei der Familienbildungsstelle, die über das Bildungswerk des Erzbistums mitfinanziert wird, ist noch unklar, ob es Kürzungen gibt. Aber wenn, sollten die maßvoll ausfallen.

Das heißt: Hier bei In Via und im Garten der Religionen können wir uns auch in ein paar Jahren noch treffen?

Das hoffe ich doch sehr. Natürlich lebt die Arbeit auch von Förderprogrammen der Stadt. Wenn die wegfielen, würde es schwierig. Daneben haben wir aber auch kirchliche Angebote, die vom Staat nicht refinanziert werden, von denen wir aber sagen, sie sind Teil unseres Auftrags.

Fahrradstationen? Die Arbeit für Migranten oder unbegleitete Flüchtlinge?

All das wird man nicht einfach streichen können. Sicher, manches muss auf den Prüfstand. Nehmen wir die Schuldnerberatung – müssen wir das machen, oder könnten es auch andere tun? Der Dienst am Nächsten gehört zweifellos zu unserer DNA als Kirche. Aber verschiedene Angebote sind auch Teil der staatlichen Daseinsvorsorge. Würden wir da aussteigen, müsste der Staat es auffangen. Also, das wird sicher auch ein Ringen mit der Stadt, dem Sozialdezernenten und der Kämmerin um die Frage: Was ist finanzierbar?

Geld für eine theologische Hochschule in Köln hat das Erzbistum aber schon, und zwar immer noch mehr Geld.

Das ist nicht mein Feld. Der Erzbischof setzt seine Schwerpunkte. Und ich bin jedenfalls sehr froh, dass er unter anderem auch das Soziale und die Verkündigung der Frohen Botschaft zu solchen Schwerpunkten erklärt hat.


Fan-Andacht zum Saisonbeginn

Die ökumenische Fan-Andacht zum Start in die Bundesliga-Saison 2025 am Freitag, 15. August, wird live auf domradio.de übertragen. Die Tickets zur Teilnahme im Dom sind vergriffen. Der Liturgie stehen Dom- und Stadtdechant Monsignore Robert Kleine und Stadtsuperintendent Bernhard Seiger vor. Ein besonderes Highlight: die FC-Hymne, gespielt an der Domorgel.

„Auf den Tag genau 777 Jahre nach der Grundsteinlegung des Kölner Domes am 15. August 1248 und im Jahr des 77. Geburtstags des 1. FC Köln kommen Fußballfreunde zum bereits elften Mal in der Kathedrale zusammen, um Gott um seinen Segen für eine gute Saison und einen fairen Umgang zwischen allen Spielern, Mannschaften, Schiedsrichtern und Fans zu bitten“, schreibt das Erzbistum in einer Ankündigung. „Wie in den vergangenen Jahren werden wieder zahlreiche FC-Fans in Trikots und mit Fan-Schals … erwartet, aber natürlich sind auch die Fans aller anderen Fußballvereine herzlich eingeladen, den Gottesdienst mitzufeiern.“ (jf)