Angeklagter stand unter BeobachtungSuizid vor Kölner Lynchmord-Urteil – Das sagt die JVA

Lesezeit 4 Minuten
Die Verteidiger Pantea Farahzadi und Ingmar Rosentreter beim Prozessauftakt mit den angeklagten Vater und Sohn.

Die Verteidiger Pantea Farahzadi und Ingmar Rosentreter beim Prozessauftakt mit den Angeklagten. Der 57-Jährige (r.) hat sich das Leben genommen.

Bedienstete sollten den 57-Jährigen maximal alle 15 Minuten in seiner Zelle kontrollieren.

Nur wenige Stunden, bevor am Freitag im sogenannten Lynchmord-Prozess vor dem Kölner Landgericht das Urteil gegen einen Vater und seinen Sohn gesprochen werden sollte, hat sich der 57-jährige Angeklagte im Gefängnis in Köln-Ossendorf das Leben genommen. Wie Anstaltsleiterin Angela Wotzlaw bestätigte, habe ein Bediensteter den Mann gegen sechs Uhr stark blutend auf dem Bett in seiner Einzelzelle gefunden. Es seien zunächst noch Lebenszeichen festgestellt worden.

Mitarbeiter, Sanitäter und ein Notarzt hätten Erste Hilfe geleistet. Der 57-Jährige sei ins Krankenhaus gebracht worden, dort sei er aber um kurz vor 13 Uhr seinen Verletzungen erlegen. Wie es heißt, soll der Mann ein abgestumpftes Brotmesser angespitzt und sich damit Stichverletzungen zugefügt haben.

Köln: Seelsorger informierte ebenfalls angeklagten Sohn über Suizid seines Vaters

Ein Seelsorger informierte umgehend auch den Sohn des Mannes, der ebenfalls in der JVA Köln einsitzt. Offenbar rechneten Vater und Sohn damit, dass sie am Freitag zur Höchststrafe verurteilt werden, möglicherweise sogar mit anschließender Sicherungsverwahrung. Dem 23-Jährigen droht immer noch Lebenslänglich wegen gemeinschaftlichen Mordes an einem Autofahrer im Kölner Stadtteil Höhenberg. Das für Freitag angesetzte Urteil in der Sache wurde auf nächste Woche verschoben.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln

Der 57-Jährige saß seit acht Monaten im Klingelpütz in Untersuchungshaft. Im Gefängnis stand er unter besonderer Beobachtung. Er sei „in unregelmäßigen Abständen“ kontrolliert worden, berichtete Wotzlaw. Maximal alle 15 Minuten hätte ein Bediensteter einen Blick in seine Zelle geworfen, um sich vom gesundheitlichen Zustand des Mannes zu überzeugen – eine Maßnahme, die allerdings aus medizinischen Gründen angeordnet worden sei. Der 57-Jährige sei ausdrücklich nicht als suizidgefährdet eingestuft gewesen. Um sechs Uhr habe der Mitarbeiter dann das Blut bemerkt, sagte Wotzlaw.

Nachdem der Mann ins Krankenhaus gebracht wurde, durchsuchten Ermittler der Mordkommission seine Zelle. Ob sie einen Abschiedsbrief fanden, ist unklar. Die Zelle ist nun versiegelt. Der Leichnam soll kommende Woche in der Gerichtsmedizin obduziert werden. Anhaltspunkte für ein Fremdverschulen gebe es bislang nicht, sagte Wotzlaw.


Beratung und Seelsorge in schwierigen Situationen

Kontakte | Hier wird Ihnen geholfen Wir gestalten unsere Berichterstattung über Suizide und entsprechende Absichten bewusst zurückhaltend und verzichten, wo es möglich ist, auf Details. Falls Sie sich dennoch betroffen fühlen, lesen Sie bitte weiter: Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen? Wenn Sie sich nicht im Familien- oder Freundeskreis Hilfe suchen können oder möchten – hier finden Sie anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote.

Telefonseelsorge – Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de

Kinder- und Jugendtelefon – Das Angebot des Vereins „Nummer gegen Kummer“ richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Samstag nehmen die jungen Berater des Teams „Jugendliche beraten Jugendliche“ die Gespräche an. nummergegenkummer.de.

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention – Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de

Beratung und Hilfe für Frauen – Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ ist ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben. Unter der Nummer 08000 116 016 und via Online-Beratung unterstützen werden Betroffene aller Nationalitäten rund um die Uhr anonym und kostenfrei unterstützt.

Psychische Gesundheit – Die Neurologen und Psychiater im Netz empfehlen ebenfalls, in akuten Situationen von Selbst- oder Fremdgefährdung sofort den Rettungsdienst unter 112 anzurufen. Darüber können sich von psychischen Krisen Betroffene unter der bundesweiten Nummer 116117 an den ärztlichen/psychiatrischen Bereitschaftsdienst wenden oder mit ihrem Hausarzt Kontakt aufnehmen. Außerdem gibt es in sehr vielen deutschen Kommunen psychologische Beratungsstellen.

KStA abonnieren