Tod von Vierjähriger in Kölner KlinikGutachter erhebt schwere Vorwürfe gegen Ärzte

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Demo Selin

In Vingst machten Demonstranten ihrem Ärger Luft

Köln – Für Familie Ismet aus Vingst ist klar: Ihre Tochter Selin würde noch leben, wenn sie rechtzeitig und richtig behandelt worden wäre. Und das haben sie jetzt auch schriftlich: Das Ergebnis eines Gutachtens liegt dem „Express“ vor.

Mit hohem Fieber hatten die Eltern die vierjährige Selin am 22. Dezember vergangenen Jahres in die Notfall- und Aufnahmeambulanz der Kinderklinik im Porzer Krankenhaus gebracht. Dort wurde ein Infekt der oberen Luftwege festgestellt. Die behandelnde Assistenzärztin entließ die kleine Patientin wieder. Empfohlen wurde unter anderem, viel zu trinken und mit Medikamenten oder kühlenden äußeren Anwendungen das Fieber zu senken.

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Selin war am 26. Dezember verstorben. Laut Obduktionsbericht an einer Lungenentzündung.

Drei Tage später brachten die Eltern ihr Kind erneut in die Klinik. Selins Zustand hatte sich dramatisch verschlechtert. Weil die Porzer Kinderklinik keine Intensivstation hat, ordnete der behandelnde Oberarzt die Überweisung in die Kinderklinik Amsterdamer Straße an. Dort starb das Mädchen.

Todesursache war laut Obduktion eine Lungenentzündung. Das neue Gutachten, das von einem allgemein beeideten, gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Kinder- und Jugendheilkunde erstellt wurde, kommt zu dem Schluss, dass „die Chance einer Heilung durch rechtzeitige Therapie gegeben gewesen wäre“.

Der Gutachter, ein Universitätsprofessor, der von Selins Familie beauftragt worden war, stellt „schwerwiegende medizinische Fehler sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie“ fest. Dem Schreiben zufolge hatte Selin eine vorgeschädigte Lunge, eine Folge eines Atemnotsyndroms, das sie bei der Geburt erlitten hatte. Der Gutachter ist daher auch der Ansicht, dass auch schon die behandelnden Kinderärzte Fehler gemacht hätten, da sie dem Atemnotsyndrom nicht ausreichend nachgegangen seien.

Ermittlungen dauern an

Aber: Welche Aussagekraft hat dieses Gutachten möglicherweise vor Gericht? Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer sagt: „Auch ein von privater Seite in Auftrag gegebenes Gutachten ist stets von Relevanz, wenn es der Staatsanwaltschaft zur Verfügung gestellt wird.“ Zum aktuellen Sachstand im Fall Selin wollte Bremer keine Angaben machen. „Die Ermittlungen dauern noch an“, so der Oberstaatsanwalt.

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Eine Anfrage beim Krankenhaus Porz am Rhein blieb unbeantwortet. Mit Blick auf das laufende Verfahren hatten die Verantwortlichen bereits damals erklärt, dass man sich nicht näher äußern wollte. Man bedauere den tragischen Tod, könne aber keine Verletzung der ärztlichen Sorgepflicht feststellen, hatte Klinik-Geschäftsführer Sigurd Claus damals dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesagt.

Das sieht Familie Ismet anders. Nordzhan Ismet, Vater von Selin, hatte am Sonntag erneut zu einer Kundgebung aufgerufen: Etwa 40 Demonstranten machten erst vor der Kinderarztpraxis in Vingst ihrer Trauer und Wut Luft, später wollten sie zur Kinderklinik nach Porz fahren. Dort hatten bereits Anfang Januar rund 400 Teilnehmer mit Bannern und Fotos des Mädchens protestiert.

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