„Es war ein apokalyptisches Bild“Kölner THW-Helfer spricht über Einsatz im türkischen Erdbebengebiet

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Zwei Männer gehen durch Trümmer in der Innenstadt von Kirikhan.

Zwei Männer gehen durch Trümmer in der Innenstadt von Kirikhan.

Bei einem fünftägigen Einsatz in Kirikhan ist dem Team auch die Rettung einer verschütteten Frau gelungen.

Zusammen mit Kolleginnen und Kollegen des Kölner THW war Anton Hünnemeyer-Weber nach dem Erdbeben im südtürkischen Katastrophengebiet, um mit Personal und Material zu helfen. Dabei gelang dem Team auch die Rettung einer verschütteten Frau. Hier ist sein Erfahrungsbericht:

Anton Hünnemeyer-Weber lächelt am Flughafen Köln-Bonn in die Kamera

Anton Hünnemeyer-Weber hat für das THW in der Türkei geholfen.

Wir waren fünf Tage in Kirikhan in der türkischen Provinz Hatay zwischen Mittelmeer und syrischer Grenze und kamen mit Personal, Hunden und unserem eigenen Werkzeug. Was wir gesehen haben, war eine unvorstellbare Zerstörung. Die meisten Gebäude waren komplett zerstört oder zumindest unbewohnbar. Die Straßen waren aufgerissen und durchtrennt von einer großen Verwerfungslinie. Uns bot sich ein geradezu apokalyptisches Bild, die ganze Region war ein einziges Katastrophengebiet.

Rettung 130 Stunden nach dem Beben

Die Lage war sehr unübersichtlich. Die Anwohner und lokalen Hilfskräfte haben zwar schon gearbeitet, aber von dem Erdbeben waren ja nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die staatlichen Strukturen betroffen. Es gab keine funktionierenden Rettungseinheiten mehr, keinen Feuerwehrchef, der die ganze Operation leitet. Wir waren gemeinsam mit Isar-Germany vor Ort die einzige ausländische Hilfsorganisation. Nach uns kam noch ein Team aus Jordanien.

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Weil das Zeitfenster, in denen wir Menschen noch lebend retten können, sehr klein ist, haben wir uns vor Ort darauf konzentriert. Wir haben Hunde die Trümmerberge absuchen lassen und mit Abhörtechnik nach Geräuschen gesucht. Eigentlich sagt man, dass – je nach Witterung und Begebenheit – maximal ungefähr 100 Stunden nach einem Erdbeben bleiben, in denen noch lebende Menschen gerettet werden können. Wir haben aber am vorletzten Tag unseres Einsatzes nach etwa 130 Stunden noch eine ältere Frau aus den Trümmern befreien können.

Die Menschen waren uns dankbar, dass wir gekommen sind
Anton Hünnemeyer-Weber, THW Köln

Wir wussten durch die örtlichen Helfer, dass die Frau unter den Trümmern noch Lebenszeichen von sich gibt. Wir sind dann mit einem hydraulischen Spreizer vorgegangen, den auch die Feuerwehr zum Beispiel nach Verkehrsunfällen benutzt. Damit konnten wir die Einrichtungsgegenstände und eine Heizung anheben und einen Spalt öffnen, durch den die Frau gerettet werden konnte. Sie war zum Glück nicht sehr schwer verletzt.

Wir brachten unsere eigene Verpflegung mit und Zelte, um den Menschen vor Ort nicht zur Last zu fallen. Aber einige Menschen, die selbst schon sehr wenig hatten, haben uns noch etwas zu Essen und zu Trinken angeboten. Diese Menschlichkeit zu spüren, war einfach überwältigend. Dann auch noch eine Frau retten zu können, war ein glückliches, unbeschreibliches Gefühl. Nach mehreren Tagen mit wenig Schlaf und großer Belastung, nachdem wir so viel Tod und Leid gesehen haben, kam dann dieses Erlebnis. Die Menschen waren uns dankbar, dass wir gekommen sind. Wir hoffen, dass wir einen Funken Hoffnung zünden konnten, dass die Menschen vor Ort nicht vergessen sind.

Aufgezeichnet von Alexander Holecek

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