Frauen in die Chefetagen zu bringen, ist eines der Ziele der Kölner Unternehmensberatung Female Ressources. Wie das klappt, erzählt eine IT-Anwältin.
Gläserne Decke in Kölner Wirtschaft„Frauen in Tech und IT stehen schon in den Startlöchern“

Im Rahmen des Cross-Mentoring-Programms von Female Ressources bilden Michelle Petruzzelli (Mitte) von der Anwaltskanzlei Luther und Philipp Brüse (rechts) von der Sparkasse Köln-Bonn ein Tandem.
Copyright: Female Ressources
Gläserne Decke – so heißt das Phänomen, das die unsichtbare Barriere beschreibt, die den Aufstieg für Frauen in Führungspositionen erschwert. „Gläsern“, weil es eigentlich keine sichtbaren Hindernisse gibt, die der Karriere im Weg stehen – und doch sind sie da, strukturell und kulturell gewachsen. „Häufig hören gerade wir Frauen: ‚Alles ist möglich, alle haben die gleichen Chancen.‘ Und dann stoßen viele doch an diese Decke, an der es nicht weitergeht. Ich habe den Eindruck, das ist in unserer Gesellschaft noch häufig der Fall“, sagt Michelle Petruzzelli.
Die 38-Jährige ist Rechtsanwältin der Wirtschaftskanzlei Luther, einem international tätigen Unternehmen mit Standorten in elf deutschen Städten, darunter Köln. Dort hat sich Petruzzelli auf den Bereich IT und Datenschutz spezialisiert, begleitet nationale und internationale Projekte, auch mit eigenen Mandanten und leitet ein Team. Im Rahmen der Auszeichnung „Deutschlands Beste Anwälte“ wurde sie in drei aufeinanderfolgenden Jahren in der Kategorie „Ones to Watch“ gelistet, gilt unter Juristen also als Anwältin mit besonders guter Perspektive und außergewöhnlicher Reputation.
Studie: Unternehmen mit gemischten Führungsteams sind profitabler
Ihre Kompetenz sei trotzdem häufig infrage gestellt worden, insbesondere in den ersten Berufsjahren, nachdem sie mit 28 Jahren vereidigt wurde, erzählt Petruzzelli. „Ich habe früh allein Verträge für meine Mandanten verhandelt. Das wollte ich auch immer – es hat mich gefordert und gefördert.“ Inzwischen ist sie Senior Associate. In ihrer Branche erlebe sie trotzdem noch, dass sie eher als Anhängsel ihrer männlichen Kollegen und seltener als Verhandlungsführerin erkannt werde. „Ich weiß nicht, woran es liegt – ob es ein Männer-Frauen-Thema ist oder am IT-Kontext liegt –, dass die Leute häufig noch denken, ‚der‘ IT-Anwalt, das muss ein Mann sein.“ Unterkriegen lässt sich Petruzzelli davon nicht, sie sporne das an.
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Ihre Überzeugung: Unternehmen tue es gut, Männerdomänen aufzubrechen und in gemischten Teams zu arbeiten. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Studie der Unternehmensberatung McKinsey aus dem Jahr 2024, für die mehr als 1.200 Unternehmen in 23 Ländern untersucht worden. Demnach haben Unternehmen mit gemischten Führungsteams in Europa eine 62 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich profitabel zu sein.
Häufig hören gerade wir Frauen: ‚Alles ist möglich, alle haben die gleichen Chancen.‘ Und dann stoßen viele doch an diese Decke, an der es nicht weitergeht
Doch um die Potenziale zu nutzen, müssen mögliche weibliche Führungskräfte auch gefördert werden, sagt Petruzzelli. Dieses Ziel verfolgt unter anderem die Kölner Unternehmensberatung Female Ressources. Das 2016 gegründete Netzwerk umfasst mittlerweile 20 Unternehmen aus der Region, darunter NetCologne und Zurich, die AWO und den Flughafen Köln/Bonn.
Neben Themen wie Entgeltgerechtigkeit oder Gleichberechtigung im Bewerbungsprozess bietet Female Ressources auch ein Cross-Mentoring-Programm an. Ausgewählte, karriereorientierte Frauen werden mit erfahrenen Führungskräften zusammengebracht, die den Mentees bei Fragen zur Seite stehen. Im September startete etwa ein Durchlauf speziell für Mütter im Management, ein anderes Programm richtet sich an Frauen im Finanzwesen oder der Tech- und IT-Branche.
Teil des Cross-Mentorings ist auch Michelle Petruzzelli. Ihr Mentor: Philipp Brüse, verantwortlich für das Firmenkundengeschäft bei der Sparkasse Köln-Bonn, und zuständig für rund 200 Angestellte. Als Arbeitgeber sei es wichtig, Talente zu akquirieren und „sie nicht deshalb zu verlieren, weil der Rahmen es nicht hergibt“. Häufig seien es aber Lippenbekenntnisse, Frauen zu fördern. „Es in die Umsetzung zu bringen, ist das andere“, so Brüse.
Mentoring-Programm für Tandems aus verschiedenen Branchen
Dass er als Mentor und Petruzzelli als Mentee für ein Jahr lang zusammenarbeiten, sei dem Match-Making von Female Ressources geschuldet. „Eigentlich hatte ich im Rahmen meines Interviews mit den Organisatoren angegeben, dass ich mir eine weibliche Mentorin wünschen würde, da ich bereits in einer eher Männer-dominierten Branche arbeite“, sagt Petruzzelli. Doch die Verantwortlichen hätten den richtigen Riecher bewiesen: „Philipp war der perfekte Ansprechpartner für meine Themen.“ Vielleicht auch, weil sich die beiden ähnlich seien, sagt Brüse. „Michelle ist ein Energiebündel. Wenn sie den Raum betritt, weiß man, da ist jemand.“
Der Einblick in andere Unternehmenskulturen sei für beide gewinnbringend. Unter Juristen denke man manchmal starr nach dem Prinzip „Problem - Lösung“. „Wir werden in unserer Ausbildung geradezu dazu erzogen, mehr oder weniger im Alleingang zu arbeiten, Fälle zu bearbeiten und die Mandate zu betreuen.“ Das schränke ein. Brüse hingegen arbeite viel mehr im Team und in Prozessen. Seine Tipps hätten Petruzzelli etwa beim Zeit- und Aufgabenmanagement weitergebracht. „Er hat mir da geholfen, wo ich mit meinen Lösungsansätzen an Grenzen gestoßen bin. Zum Beispiel, es kleinschrittiger anzugehen und so Aufgaben besser zu delegieren, nicht immer zu denken, dass ich allein verantwortlich bin und das Team besser einzubinden.“
Nicht nur die Gespräche mit ihrem Mentor bringen sie weiter, es sei darüber hinaus auch der Austausch mit anderen Frauen in ähnlichen Situationen – ebenfalls Teil des Female Ressources Programms. Da gehe es etwa um Themen wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Petruzzelli hat einen Sohn. Je mehr Verantwortung im Job, desto flexibler müsse sie sein. Da stelle sie sich durchaus regelmäßig die Frage: „Wie mache ich beides gut und wie schaffen es andere?“
„Wir denken immer, wir seien total gleichberechtigt“, sagt sie. Doch spätestens bei der Elternzeit-Debatte werde klar, dass man in Deutschland noch nicht so weit sei. „Insbesondere, solange auch Männer noch häufig in einen Rechtfertigungsdruck kommen, sollten sie mehrere Monate Elternzeit beantragen.“ Auch deshalb brauche es Programme wie Female Ressources, um Unternehmen zu zeigen, dass noch etwas zu tun ist – solange, bis die gläserner Decke endgültig zersplittert.

