Üben für den Ernstfall: Zwei Luftrettungs-Crews demonstrieren auf der Rheinperle, wie eine Windenrettung Leben retten kann.
Teamarbeit in luftiger HöheLuftretter zeigen ihre Arbeit über dem Kölner Rhein

Die Luftrettungen von ADAC und DRF demonstrieren eine Windenrettung. Mit Hubschraubern werden Personen von einem Binnenschiff auf dem Rhein in Köln gerettet.
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Bevor man ihn sieht, hört man ihn schon: Das rhythmische Schlagen der Rotorblätter schneidet durch die kalte Morgenluft, wird dann immer lauter, bis es zu einem kleinen Donner anwächst und der Hubschrauber über der Hohenzollernbrücke auftaucht.
„Noch eine Minute bis zur Rettung“, ruft jemand. Die Rede ist von einer sogenannten Windenrettung nahe des Kölner Doms, zwei Luftretter-Crews demonstrieren sie am Dienstag. Während der Hubschrauberfachmesse European Rotors wollen die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA), Airbus Helicopters, sowie die beiden Luftrettungen von ADAC und DRF (früher Deutsche Rettungsflugwacht) öffentlichkeitswirksam zeigen, wie wichtig die professionelle Windenrettung ist.
Eine Windenrettung ist eine Rettung aus der Luft, also per Hubschrauber, bei der der Notarzt oder die Notärztin mit einer Seilwinde zum Patienten abgelassen wird und dann auch wieder mit dem Patienten hochgezogen werden kann. Das ist sinnvoll, wenn eine Rettung vom Boden aus nicht möglich, zu riskant oder zu zeitaufwendig wäre.
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So kann die Crew des Rettungshubschraubers Patienten möglichst schnell aufnehmen, egal ob am Berg, bei Überflutungen oder auch aus schwer zugänglichen Gebäuden. Die Windenrettung kann Leben retten, besonders dann, wenn Sekunden zählen. „Was die Windenrettung ausmacht, ist der Faktor Zeit. Wir können die Hilfe schnellstmöglich an die richtige Stelle bringen“, sagt Pilot Thorge Sieß.
Dafür müssen die Crews ein perfekt eingespieltes Team sein und sich aufeinander verlassen können. Denn Luftrettung bedeute immer höchste Präzision, sagt Sieß. Er flog selbst mehrere Rettungseinsätze mit der Winde und weiß, dass die Luftrettung inzwischen unverzichtbar ist.
Rettung von der Rheinperle
Viel Zeit zum Erklären bleibt aufgrund des Zeitdrucks auch gar nicht, denn genau diese Schnelligkeit stellen die beiden Luftrettungs-Crews direkt unter Beweis. Die Crews bestehen immer aus drei Personen: Pilot vorne rechts, Windenbediener vorne links und der Notarzt im hinteren Bereich der Maschine. Pilotinnen und Piloten, die Rettungshubschrauber mit Winde fliegen, müssen ein aufwendiges Zusatztraining absolvieren. Die Windenbediener sind meist Rettungssanitäterinnen und -Sanitäter oder auch vom Bergrettungsdienst.
Uns reichen drei mal drei Meter Fläche für ein sicheres Absetzen unseres Notarztes, wir schaffen theoretisch auch kleinere Flächen
Heutiger fiktiver Einsatzort ist die Rheinperle, ein Personenschiff auf dem Rhein. Ein 70 Kilogramm schwerer Dummy spielt den Patienten. Der erste Hubschrauber nähert sich dem Schiff und überfliegt einmal den Einsatzort.
Bei diesem Erkundungsflug führt die Crew einen sogenannten Powercheck durch, erklärt Sieß. Dabei prüfen die Mitglieder, ob an Bord alle technischen Parameter in Ordnung sind und ob die Fläche des Einsatzortes groß genug ist. „Uns reichen drei mal drei Meter Fläche für ein sicheres Absetzen unseres Notarztes, wir schaffen theoretisch auch kleinere Flächen“, sagt Sieß.
Umsteigen bei 100 Kilometer pro Stunde
Sobald der Powercheck erfolgt ist, beginnt das Windenverfahren. Der erste Schritt ist das Umsteigen: Der Windenbediener steigt im Flug bei fast 100 km/h – natürlich stets gesichert – von vorne nach hinten um und nimmt seine Position an der Winde ein. Er ist ab jetzt dafür verantwortlich, dass der Pilot den Hubschrauber an Ort und Stelle hält. Denn diese fliegt lediglich nach den Kommandos des Windenbedieners und hat selbst keine ausreichende Sicht auf den Einsatzort.
„Das Umsteigeverfahren in der Luft führen wir in dieser Form erst seit 2022 durch. Es erspart uns aber im Ernstfall bis zu 10 Minuten. Früher mussten wir erst zwischenlanden, dann die Kabine des Hubschraubers vorbereiten und dann wieder starten“, sagt Sieß.
Diese Neuerung hat dazu geführt, dass die Crews direkt nach Alarmierung eine Windenrettung starten können. Sekunden, die oft zählen, sagt Sieß: „Ich hatte mal einen Einsatz, da wurden wir zu einem sinkenden Schiff nahe Wangerooge gerufen. Und wirklich, wie im Film ist das Schiff nur wenige Momente nach unserer Rettung vollständig gesunken.“
Kontrolliert, aber zügig senkt sich der Hubschrauber Richtung Rhein, bis nur noch wenige Metter zwischen Schiff und Maschine sind. Der Schwung der Rotorblätter wirft die Wasseroberfläche zu Wellen auf, Wassernebel steigt auf, das Schiff schwankt.
Der Notarzt tritt auf die Kufen des Hubschraubers und innerhalb weniger Sekunden wird er auf das Schiff abgelassen, man spricht vom „winchen“. Dann klinkt er sich aus dem Seil aus und beginnt sofort mit der Versorgung des Dummy-Patienten.
Dafür hat er sowohl medizinische Grundausrüstung dabei als auch einen Rollup, eine spezielle Rettungstrage für die Höhenrettung. Während der Notarzt den Patienten zum Abtransport vorbereitet, befindet sich der Hubschrauber nahe dem Einsatzort im Schwebeflug, bevor er dann Arzt und Patient wieder am Seil einklinkt.
Im Rettungssack vor dem Kölner Dom schweben
„Damit das alles so schnell geht, üben wir mindestens zweimal im Jahr je eine Woche. Wir sind dann ein wirklich gutes Team“, sagt Sieß.
In Zukunft soll das Training zudem mit Übungen im Virtual-Reality-Windensimulator ergänzt werden. So können dann auch Ernstfälle wie schlechte Wetterbedingungen oder ein Triebwerksausfall erprobt werden.
Deutschland gilt als Vorreiter und führt diese Spezialmission bereits seit 1995 durch. Landesweit gibt es sechs Stationen mit der Möglichkeit zur Windenrettung. Im Vorjahr gab es 522 Einsätze, zu denen die Crews gerufen wurden. Auch bei der Flutkatastrophe im Ahrtal war die Winde im Einsatz.
Nur wenige Minuten nach dem Absetzen werden Dummy und Arzt dann auch schon wieder per Winde hochgezogen. Vor der Kulisse des Kölner Doms hängen die beiden in durchaus luftiger Höhe, drehen sich ein paar Mal und verschwinden dann auch schon im Bauch des Rettungshubschraubers.
„Jetzt könnten wir die zu versorgende Person praktisch direkt ins Krankenhaus fliegen“, sagt Sieß und schaut zufrieden dem Hubschrauber nach, der mit einem letzten Getöse über die Hohenzollernbrücke abdreht.

