Veedels-CheckFinkenberg ist Kölns jüngster Stadtteil – und voller Gegensätze

Lesezeit 6 Minuten

Ein Thema wird in dem Kiosk am Platz der Kulturen im Finkenberger Zentrum heiß diskutiert. „Haben Sie den Beitrag über Finkenberg im TV gesehen?“, wird Uwe Hausmann gefragt. Mehr als ein Nicken kann der Hauptkommissar gar nicht geben. Die Fragestellerin ist direkt auf 180: „Hier wohnen nicht nur Russen und Drogenabhängige.“ Dieses Bild habe ihrer Meinung nach die Dokumentation von ihrem Heimat-Veedel vermittelt. Das „Demo“ stehe wieder als Schmuddelstadtteil da. Das Demo, das ist das „Demonstrativ-Bauvorhaben des Bundes“ Finkenberg aus den 70ern. „Das Gute und Schöne, die engagierten Menschen werden völlig ausgeklammert“, sagt sie und verabschiedet sich dorthin, wo viele dieser engagierten Menschen zusammenkommen: Ins Bürgerzentrum an Stresemannstraße 6a. Kleidercafé ist dort angesagt.

kp_VC_finkenberg10

Die Stele  auf dem Platz der Kulturen ragt in den Himmel.

Das Bürgerzentrum – wie auch andere Institutionen und deren Akteure – kennt Uwe Hausmann nur all zu gut. Regelmäßig hält er hier seine Polizeisprechstunde, kennt die engagierten Damen und Herren sowie die Sorgen und Nöte der Bewohner des Stadtteils. Sie sprechen Hausmann auch auf der Straße an.

Zu Fuß ist er in „seinem“ Stadtteil unterwegs, die Nähe zu den Menschen sei wichtig. Am sogenannten Kirchenhügel spricht ihn vor der Jugendeinrichtung OT Arche Nova Stella Shcherbatova von der Synagogen-Gemeinde an. Die Leiterin des Begegnungszentrums hat eine Bitte: Er solle doch noch einmal zum Thema Sicherheit im Alltag Gemeindemitgliedern einen Vortrag halten. Beide vereinbaren einen Termin. „Ich bin die sprechende Litfaßsäule“, sagt Hausmann. Jeder könne ihn immer ansprechen, aber nicht anpinkeln. Respekt ist hier das Stichwort.

kp_VC_finkenberg6

Im Veedell gibt es Einfamilien-, Reihen- und Hochhäuser.

Den hat er sich in den sechs Jahren verdient, die er als zuständiger Bezirksbeamte für Finkenberg tätig ist. Bei der Schulwegsicherung grüßen ihn viele. „90 Prozent sind Migranten, 98 Prozent sagen ,Guten Morgen Herr Hausmann’.“ Für einige Kinder ist der zweifache Familienvater aber nicht nur Polizist, sondern auch Tröster – etwa bei einer Fünf in Mathe.

Wie bestellt kommt eine Schulklasse vorbei. Es wird freundlich gegrüßt. Auf die Frage wohin es gehe, bekommt Hausmann ein lautes „in den Zoo“ zu hören. Von der Lise-Meitner-Schule kommend, nehmen Lehrer und Schüler eine Abkürzung vorbei an den Hochhäusern an der Stresemannstraße. Hier sind die Büsche akkurat gestutzt. Müll und Unrat sucht man vergebens. Ein Blick in den Eingangsbereich der Hausnummer 3: „Wie in einer Hotel-Lobby“, sagt der Polizist.

kp_VC_finkenberg7

Reihenhäuser in Finkenberg

Das krasse Gegenteil findet sich nur ein paar Meter über die Straße in einem anderen Hochhausblock. Um den Eingangsbereich eines der Häuser zu betreten, braucht Uwe Hausmann spitze Finger. Zwar wurde die Haustür vor gar nicht all zu langer Zeit erneuert. Doch haben Metalldiebe die Klinken abmontiert. Im Eingang des Hauses fällt einem der unangenehme Geruch auf. Die Worte, das es „leicht uriniert“ rieche, nimmt Hausmann nicht in den Mund. Er wählt eine andere Ausdrucksweise.

Vor einigen Jahren sah es auch in etlichen Wohnungen ganz schlimm aus. Das Ergebnis zahlreicher Immobilien-Heuschrecken, die die Häuser haben verkommen lassen, aber weiter kräftig Miete kassiert haben. Um den ehemaligen Sozialraumkoordinator Jochen Auth und SPD-Ratsfrau Monika Möller hatte sich 2012 eine Mieterinitiative gegründet. Mit Erfolg: Ein paar Wohnungen sind saniert worden. Mit Blick auf die vielen verbeulten Briefkästen im Eingangsbereich mag man das kaum glauben. Auf manchen stehen gar keine Namen, auf anderen bis zu acht. „Hier Postbote zu sein ist schon Hardcore“, sagt Hausmann. Der 47-Jährige spricht aus Erfahrung. Nicht selten muss er Personen aus unterschiedlichsten Gründen zu Hause aufsuchen. Das gestaltet sich in diesen Häusern aber ein ums andere Mal mehr als schwierig. „Manch einer ist hier zwar offiziell gemeldet, aber ob er hier noch wohnt, steht auf einem anderen Blatt.“ Gerade die Hochhäuser an der Theodor-Heuss-Straße oder das am Discounter am Eingang zu Finkenberg prägen den Stadtteil und sind der Grund, warum Finkenberg in Verruf geraten ist.

kp_VC_finkenberg8

Uwe Hausmann wird von Passanten angesprochen.

Für Hausmann die Folge einer fehlerhaften Belegungspolitik: „Wie sollen Menschen integriert werden, wenn keiner mehr da ist, der sie integrieren kann?“ Stattdessen verschiedene Nationalitäten, die sich nicht grün sind. Die unterschiedlichen Religionen erschweren das Problem. Dazu kommen eine hohe Arbeitslosigkeit und Kriminalität. Die Statistik letzterer ist zwar zurückgegangen und nicht höher als in anderen Veedeln. Oft genug sei er hier aber auch mal mit einem Haftbefehl vor Ort.

Wieder an der frischen Luft, begrüßen ihn zwei Herren, die gerade Müll entsorgt haben. „Das ist ein großes Thema in Finkenberg“, sagt der Beamte. Hier und da werden einfach Sachen weggeworfen. „Ich sage den Leuten immer, dass der Dreck doch scheiße aussieht. Das sehen die Menschen zwar auch ein und stimmen mir zu, aber es ändert sich nicht viel. Immer wieder gibt es wilde Müllhalden. „Einmal hab ich mich gefragt, ob ich einen Laden mit weißer Ware oder mit Autoreifen aufmachen soll.“ Er ist bei seinem Job geblieben.

kp_vc_finkenberg8_2

Beim Feriencamp „Finkenhoven“ sorgen viele gemeinsam für Spaß für die Pänz aus dem Veedel

Zu dem gehört es eigentlich nicht, falsch parkende Autos aufzuschreiben. Hausmann tut es dennoch. „Die werden Post bekommen“, sagt er. Die Leute sollen lernen, das falsches Handeln Konsequenzen nach sich ziehen. Hoffen auf den Lerneffekt. Der setzt ein paar Meter weiter umgehend ein. Ein Sprinter steht in einer Feuerwehrzufahrt. Der Fahrer will bei Hausmann zehn Minuten Zeit rausschlagen. Die Wahl zwischen 35 Euro Verwarngeld oder dem teuren Abschleppdienst erledigen die Diskussion. Der Wagen wird weggefahren.

Das könnte Sie auch interessieren:

Das müssen die Fahrzeuge, die ein paar hundert Meter weiter geparkt am Straßenrand stehen, nicht. Darunter sind Autos, die man mit dem Veedel nicht direkt in Verbindung bringt. Hier zeigt sich ein anderes Finkenberg. Bepflanzte Vorgärten, Reihen- und Einfamilienhäuser, Bungalows. „Ein Traum“, sagt Hausmann und hält kurz inne. Solche Momente braucht der Hauptkommissar, die saugt er auf, die geben Kraft. Denn schließlich geht es wieder zurück: Dringender gebraucht wird er in einem anderen Teil von Finkenberg.

Offene Baustellen in Finkenberg

Finkenberg hat vor allem eins – ein Image-Problem. Finkenberg wird häufig zu Unrecht als reines Hochhaus-Wohnquartier angesehen.  Dabei handelt es sich  bei über  70 Prozent der Wohngebäude um Ein- und Zweifamilienhäuser. Dennoch prägen gerade die Hochhäuser das  Erscheinungsbild des Veedels. Waren diese zu Beginn noch in der Hand eines Projektträgers, änderten sich die Eigentumsverhältnisse in den folgenden Jahren laufend. Und damit begannen die Probleme. Investoren und „Immobilien-Heuschrecken“ gaben sich die Klinke in die Hand. Nötige Renovierungen und Instandsetzungen in einigen Hochhäusern blieben aus. Die Folge: Ein Wegzug vieler „alter Finkenberger“. Die Wohnungen wurden auf Teufel komm raus an ein anderes Klientel vermietet.    Vandalismus   und Müll sind ein großes Problem in Finkenberg. Allerdings sind sie  nur typisch für bestimmte Häuser und Straßen. Doch gerade die sind es, die Finkenberg den Makel des Problemstadtteils anheften.  Hohe Arbeitslosigkeit und ein fehlender Bevölkerungsmix tun ihr Übriges dazu bei. Kirchen, Initiativen, Vereine und auch Einzelpersonen versuchen, sich dieser Probleme anzunehmen. Getreu dem Motto: „Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“.

Geschichte des Stadtteils Finkenberg

Mitte der 1960er Jahre ist das heutige Finkenberg als Planstadt konzipiert und ab 1972 auf Eiler Ackerflächen errichtet worden. Eine Kombination aus Wohnblöcken mit bis zu 20 Etagen, Einfamilienhäusern und einer überdachten Geschäftspassage. Aus diesem Status als „Demonstrativ-Bauvorhaben“ resultiert die von vielen  Porzern auch heute noch verwendete Bezeichnung „Demo“. Dessen Straßenzüge gehörten zu den Stadtteilen Porz und Eil.

Um die „persönliche Identifikation“ der Finkenberg  lebenden  zu stärken, regte die Bezirksvertretung Porz auf Vorstoß der FDP  im Dezember 2004 an, Finkenberg den Status eines Stadtteils einzuräumen. Dies wurde am 24. August 2007 umgesetzt. Somit wurde  Finkenberg Kölns 86. und gleichzeitig jüngster Stadtteil und der 16. im Bezirk Porz. „Das trägt dazu bei, dass dort ein Wir-Gefühl entstehen kann“, so der damalige Bezirksbürgermeister Horst Krämer.

KStA abonnieren