Vergifteter Arzt aus KölnSechsjährige Tochter der Angeklagten soll aussagen

Lesezeit 3 Minuten
arzt_vergiftet

Die Angeklagte mit Verteidiger Jürgen Graf beim Prozessauftakt im Landgericht.

Köln – Als die Angeklagte, der versuchter Mord vorgeworfen wird, am Dienstag hörte, was der Vorsitzende der 5. Großen Strafkammer des Landgerichts verkündete, brach sie in Tränen aus: Die Richter hätten die Absicht, die sechsjährige Tochter der Angeklagten im Zeugenstand zu hören, sagte Peter Koerfers. „Sie haben mein Leben zerstört“, reagierte die Frau mit gebrochener Stimme. „Warum machen Sie jetzt auch noch das Leben meines Kindes kaputt?“ Eine Vernehmung sei dem Mädchen, das wegen der Inhaftierung der Mutter traumatisiert sei, nicht zuzumuten.

Kölner Arzt bewusstlos auf dem Sofa gefunden

Der 41-Jährigen wird zur Last gelegt, am 5. Juli 2020 ihren damals 80-jährigen Schwiegervater, den sie mit ihrer Tochter besuchte, zunächst mit dem Benzodiazepin Tavor ruhiggestellt und ihm dann eine Überdosis Insulin gespritzt zu haben. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass in dieser Zeit die Angeklagte ihre Tochter damit abgelenkt habe, sie auf dem Smartphone die Folge einer Netflix-Kinderserie sehen zu lassen. Am nächsten Morgen fand die Haushälterin den Schwiegervater bewusstlos auf dem Sofa sitzend vor. Zwar überlebte er, doch wegen des erlittenen Hirnschadens ist er seitdem ein Pflegefall. Die Angeklagte bestreitet die Tat.

Das könnte Sie auch interessieren:

Vor der überraschenden Ankündigung des Vorsitzenden war zum zweiten Mal im Prozess der Ehemann der Angeklagten, der wie sein Vater Arzt ist, gehört worden. Ob er seiner Frau die Tat zutraue, fragte ihn einer der beiden Verteidiger. „Nein“, antwortete der 54-Jährige entschieden, eine solche Tat sei mit dem Charakter seiner Frau „nicht vereinbar“, sie sei ihr „wesensfremd“. Der Vorwurf widerspreche ihrer „empathischen Art“ und ihrer steten Bereitschaft, „für andere Verantwortung zu übernehmen“.

Ehemann: Verhältnis war angespannt

Oft habe sie sich um andere gesorgt und sich selbstlos um sie gekümmert. Ihre vielen Krankheiten hätten sie „Demut und Bescheidenheit“ gelehrt“, und groß sei ihr Einfühlungsvermögen. In dem Zusammenhang sprach er ihre Suizidversuche in früheren Jahren an. Jemand, der sich so etwas antue, sehe „sich selbst als Problem“ – das genau Gegenteil davon, die Aggression gegen andere zu richten, sagte der Ehemann. Er räumte ein, das Verhältnis seiner Frau zu seinem Vater sei lange „angespannt“ gewesen; schuld daran habe seine inzwischen verstorbene Mutter gehabt. Trotz deren Zurückweisung habe sich seine Frau immer wieder um eine gute Beziehung bemüht, darum, dass „wir eine normale Familie“ werden. Später habe sich das Verhältnis zum Vater gebessert. Um ihn habe sich seine Frau Sorgen gemacht, vor dem 5. Juli sei er häufig müde gewesen. Die Vermutung, er habe ein Leberleiden, habe sich nicht bestätigt.

Dass der Ehemann sich so positiv über die Angeklagte äußerte, nahm der Oberstaatsanwalt kühl zur Kenntnis. Auch er würde die Frage verneinen, ob er seine Frau für fähig halte, so eine Tat zu verüben, sagte er. Die Erfahrung zeige jedoch: „Menschen machen Dinge, von denen man denkt, sie seien ihnen wesensfremd.“

KStA abonnieren