Verheerende WirkungSanitäter reicht Methadon an den falschen Häftling in JVA Köln

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Der Blick aus einer Zelle in der JVA Köln-Ossendorf

  • Anfang Dezember vergangenen Jahres musste Sebastian Richards (Name geändert) zum ersten Mal in seinem Leben in Untersuchungshaft.
  • Bei der Aufnahme in die Kölner Justizvollzugsanstalt (JVA) informierte der Kölner, dass er unter Depressionen leide und entsprechende Medikamente nehme.
  • Am nächsten Morgen dann passierte, was nie hätte geschehen dürfen.

Köln/Düsseldorf – Sebastian Richards (Name geändert) wurde auf frischer Tat ertappt: Der 23-jährige Student hatte den Mittelsmann in einem Marihuana-Deal gespielt und war mit zehn Kilogramm erwischt worden. Aus der Traum vom schnellen Geld, um die schmalen Bezüge als Hochschüler aufzubessern.

Anfang Dezember vergangenen Jahres musste der Kölner zum ersten Mal in seinem Leben in Untersuchungshaft. Bei der Aufnahme in die Kölner Justizvollzugsanstalt (JVA) offenbarte der junge Dealer, dass er unter Depressionen leide und entsprechende Medikamente nehme.

Methadon statt Antidepressivum 

Am nächsten Morgen dann passierte, was nie hätte geschehen dürfen: Anstatt ein Antidepressivum zu geben, reichte ihm ein Sanitäter nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ einen Becher mit acht Milliliter Methadon.

Die Wirkung des Ersatzstoffes für Junkies fiel verheerend aus. Richards begann zu schwitzen, erbrach sich gleich mehrfach. Er hatte zuvor noch nie harte Drogen wie Heroin oder Methadon genommen. Seinem Anwalt Gottfried Reims wird er später berichten, dass der Rauschgiftcocktail wie ein Hammer gewirkt habe. Er sei völlig weggetreten gewesen, habe unter starken Krämpfen gelitten. Ein JVA-Mitarbeiter schickte ihn zur Krankenstube. Obwohl er schwer angeschlagen wirkte, musste Richards zunächst einmal draußen vor dem Arztzimmer warten, ehe man ihn schließlich auf eine Liege platzierte und ihm eine Infusion anlegte. 

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Anwalt Gottfried Reims

„Nicht einschlafen“, habe einer der Pfleger immer wieder gemahnt. Schließlich schien der Zustand des U-Häftlings so kritisch zu werden, dass die JVA ihn vorsorglich per Krankenwagen ins anderthalb Stunden entfernte Justizvollzugskrankenhaus im sauerländischen Fröndenberg verfrachtete.

Gefesselt ins Krankenhaus – „Völlig absurde Maßnahme“

Auf dem Weg dorthin wurde er nach Aussage seines Verteidigers gefesselt, um eine Flucht zu verhindern. „Eine völlig absurde Maßnahme“, moniert Reims, „mein Mandant ist quasi vergiftet worden, er konnte sich gar nicht richtig bewegen. Ich verstehe nicht, warum man ihn nicht in eine nahe gelegene Klinik gebracht hat, anstatt ihn stundenlang durch die Walachei zu kutschieren.“

In Fröndenberg angekommen, wurde Richards medizinisch versorgt und erholte sich bald von der Methadon-Dosis. Angela Wotzlaw, JVA-Leiterin, hat sich vor wenigen Tagen schriftlich bei Richards Anwalt für das Versehen entschuldigt. „Wir bedauern außerordentlich, dass es zu dieser Verwechslung gekommen ist…“ Zugleich betonte die Gefängnischefin, dass zu keiner Zeit eine „Notfallsituation“ bestanden habe, die einen schnellen Transport in eine Kölner Klinik erfordert hätte. Die medizinische Überwachung im Gefängniskrankenhaus sei aus Gründen „äußerster Vorsicht“ geschehen. Überdies habe man dienstrechtliche Schritte gegen den Krankenpfleger eingeleitet.

Verteidiger Reims will sich damit nicht abfinden: „Das ist ein handfester Skandal.“ In Fröndenberg habe ein Krankenpfleger seinen Klienten mit den Worten empfangen, das sei ja noch gerade mal gut gegangen. Der Anwalt hat die Kölner Staatsanwaltschaft eingeschaltet. „Wir ermitteln wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen Unbekannt“, sagte Behördensprecher Ulrich Bremer auf Anfrage. Zunächst müsse man nun feststellen, wer für die falsche Verabreichung des Methadons verantwortlich sei.

NRW-Justizminister wegen Pannen in der Kritik

Der Vorfall dürfte NRW-Justizminister Peter Biesenbach nicht gefallen. Seit Wochen steht der CDU-Politiker wegen Justiz-Pannen in der Kritik. So versucht die rot-grüne Opposition in einem Untersuchungsausschuss die Umstände des Feuer-Todes eines syrischen Flüchtlings in der JVA Kleve aufzuklären. Amad A. saß einzig auf Grund einer Verwechslung mit einem gesuchten Dieb aus Mali ein und hatte seine Zelle in Brand gesetzt. Warum ihn die JVA-Beamten nicht retten konnten, ist noch unklar.

Biesenbach 2

Minister Peter Biesenbach

Von der Kölner Methadon-Affäre erfuhr das Justizministerium durch die Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Das ist ein ernstzunehmender Vorgang“, betonte eine Sprecherin. Man habe nun bei der Kölner Anstaltsleitung einen Bericht angefordert, „der klären soll, ob alle erforderlichen Maßnahmen getroffen wurden.“ Auch sei zu prüfen, ob die JVA Köln diesen Vorfall nicht nach Düsseldorf hätte melden müssen.

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