Videodays-Festival in KölnWarum die Influencer-Welt immer politischer wird

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Selfie unter Influencern: NRW-Medienminister Nathanel Liminski beim  Videodays-Festival in Köln.

Selfie unter Influencern: NRW-Medienminister Nathanel Liminski beim Videodays-Festival in Köln.

Beim Videodays-Festival treffen sich Content Creator und Influencer zum Branchentreff. Die Szene wird diverser – und politischer.

Helge Mark Lodder hat eine für die Gegenwart klassische Medienkarriere hingelegt. Nicht etwa vor der Kamera von RTL oder Pro Sieben wurde er berühmt, sondern durch Tiktok. Der 29-jährige Schauspieler hat während der Pandemie angefangen, kurze Videosequenzen auf der Social-Media-Plattform hochzuladen, in denen er kitschige Liebesfilme oder Reality-Dokus aus den USA parodiert. „Ich habe bei Tiktok einiges ausprobiert. Als ich dann mit dem ersten Video viral gegangen bin, war das ein Adrenalinkick“, erzählt er am Rande des Videodays-Festivals im Kölner Palladium.

Inzwischen hat Lodder 1,2 Millionen Abonnenten bei Tiktok. Er ist ein Star, auch wenn die meisten Menschen über 30 Jahren noch nie von ihm gehört haben dürften. So geht es den meisten sogenannten Content Creators und Influencern wie Dave, Jasmin Gnu, Tomatolix oder Alicia Joe, die sich am Mittwoch im Kölner Palladium zum Videodays-Festival treffen und mit ihren Videos ein Millionenpublikum erreichen.

Neustart der Video-Days in Köln 2022

Seit 2010 gibt es die Videodays. Sie haben sich in den Zehner-Jahren zu einem Event entwickelt, an dem sich der Medienwandel wie an kaum einem anderen Ort ablesen ließ. Zeitweise strömten über 15.000 kreischende Jugendliche in die Lanxess Arena, begleitet von ihren ratlosen Eltern, um ihre Youtube-Idole zu sehen. 2018 war plötzlich Schluss, Sponsoren und Interesse blieben aus.

Im vergangenen Jahr wagten die Videodays mit neuem Veranstalter ein Comeback im kleineren Rahmen. Statt kreischender Fans steht nun Vernetzung im Vordergrund. Wer über das Gelände der Videodays schlendert, bei dem kommt weniger Festival- als Messeatmosphäre auf.

„Beim Neustart haben wir uns gesagt, dass wir einen geschützten Raum bieten wollen, in dem Creator, Produktionsfirmen und Fernsehmacher zusammenkommen. So ein Ort hat in den vergangenen Jahren gefehlt“, sagt Tobias Schiwek. Er ist CEO von „We Are Era“ und Veranstalter des Events. Rund 1200 Gäste sind laut Schiwek in diesem Jahr nach Köln gekommen, dieses Jahr findet das Event nur an einem Tag statt. Tickets wurden zwar auch verkauft, aber bei Preisen ab 129 Euro richteten sie sich kaum an normale Fans. „Durch Verlosungen und Meet and Greets haben wir aber trotzdem rund 200 Fans hier.“

Wenn du ein Millionenpublikum erreichst, spürst du irgendwann die Verantwortung, dich auch mit solchen Themen auseinanderzusetzen
Tobias Schiwek, Veranstalter des Video-Days-Festivals

Die Creator-Szene, sagt Schiwek, sei in den vergangenen Jahren deutlich vielfältiger geworden. „Mittlerweile gibt es zu fast jedem Thema Kanäle, die ihre Inhalte sehr professionell aufbereiten.“ Auf der einen Seite boomen dank Tiktok kurze Videoformate wie die, mit denen Helge Mark Lodder groß geworden ist. Auf der anderen Seite schauen sich die Leute stundenlange Streams auf Twitch an. Und auch Youtube ist nicht totzukriegen, wie aufwendige Produktionen wie die Survival-Show „7 vs. Wild“ beweisen würden. „Während Corona sind alle Plattformen gewachsen“, resümiert Schiwek.

Und noch etwas hat sich gewandelt. Das wird schon bei einem Blick auf die Themen der Panel-Diskussionen deutlich, die den Tag über im Palladium stattfinden. Dort stehen Themen wie Klimaschutz, Feminismus oder trügerische Körperbilder auf Instagram, Tiktok und Youtube im Vordergrund. Die Influencer-Welt, so scheint es, ist politischer geworden.

„Die Szene ist schon längst keine Nische mehr. Wenn du ein Millionenpublikum erreichst, spürst du irgendwann die Verantwortung, dich auch mit solchen Themen auseinanderzusetzen. Das wird heutzutage auch von den Zuschauern erwartet“, sagt Schiwek.

Deutlich wird das auch bei der abschließenden Award-Gala, samt roten Teppich, bei dem auch NRW-Medienminister Nathanael Liminski dabei ist. Sein Ministerium fördert die Veranstaltung. In insgesamt 18 Kategorien hat eine Jury dort die bemerkenswertesten Produktionen des Jahres gekürt.

Gewonnen haben zum Beispiel die Streamerin Jasmin Gnu, die nicht nur Spiele streamt, sondern auf ihrem Kanal auch Sexismus und vermeintliche Schönheitsideale thematisiert. Oder Kayla Shyx. Sie begann ihre Karriere als Modeinfluencerin. Vor wenigen Wochen wurde sie mit einem Video über den Machtmissbrauch bei Rammstein-Konzerten zu einer der öffentlichkeitswirksamsten Kronzeuginnen im Fall Till Lindemann. Dafür wurde sie am Abend mit dem „Social Responsibilty Award“ ausgezeichnet.

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