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Im Alter von 20 JahrenWunderhengst Totilas an Folgen einer Kolik verstorben

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Totilas

Köln – Er hieß Totilas, war ein in Holland geborener Rapphengst mit Trakehner Blut, er hatte ein Stockmaß von 1,70 Metern, einen hübschen Kopf, einen sehr aufmerksamen Blick und Millionen von Fans in der ganzen Welt. Manche sprachen von einem Wunderhengst oder Popstar der Dressur. Das Fachmagazin „St. Georg“ nannte ihn eine „große Pferdepersönlichkeit“.

All diese Sätze müssen leider im Präteritum verfasst werden. Denn Totilas ist tot. Er starb schon am Montag an den Folgen einer Kolik im Alter von 20 Jahren, wie nachträglich bekannt wurde.

Die Nachricht hat Reiter wie Reitsportfans erschüttert. Seit Hans Günter Winklers legendärem Springpferd Halla, verstorben im Jahr 1979 im Alter von 34 Jahren, ist Totilas das erste Ross, das in Nachrufen gewürdigt wird. Mit Recht: Totilas war eine Wucht, ein Phänomen, der weltweit erste Show Boy der Dressur; ein Pferd, das niemand vergessen wird, der es einmal gesehen hat.

2008 ging Totilas’ Stern auf

Sein Stern ging im Jahr 2008 auf. Totilas, der „Toto“ gerufen wurde, war sehr jung für ein Dressurpferd, doch seine Auftritte mit dem niederländischen Reiter Edward Gal waren bereits kraftvoll und spektakulär, besonders seine Piaffen und Passagen. Er warf die Vorderbeine wie kein anderes Pferd in die Luft. 2008 gewann Totilas den Prix St. Georges beim CHIO in Aachen, und bald kannte ihn jeder Pferdefreund. Totilas und Gal waren ein Traumpaar mit besonderer Ausstrahlung. Sie begeisterten die Zuschauer schon, wenn sie in die Stadien ritten, man hörte Rufe der Verzückung, manchmal sogar Gekreische.

Das Jahr 2009 wurde zum Siegeszug für das Paar. Totilas erhielt überall Bestnoten von den Richtern und verhalf der niederländischen Equipe zum EM-Triumph in Windsor. Als Totilas beim CHIO in Aachen auftrat, war der Andrang so groß, dass viele Zuschauer draußen bleiben mussten.

Große Erfolge bei WM 2010

2010 gab es sogar noch eine Steigerung. Totilas gewann sämtliche Einzel- sowie den Mannschaftstitel bei der WM in Kentucky – und erhielt dabei stets Rekordnoten. Es kam aber auch Kritik an der Totilas-Show auf. Dressur-Puristen fanden die Bewegungen des Rappen exaltiert und unnatürlich, manche sprachen gar von einem Zirkuspferd. Und man vermutete, der Rappe werde durch zu hartes, nicht pferdegerechtes Training verschlissen.

Das störte den früheren Springreiter und Pferdehändler Paul Schockemöhle nicht. Er hatte sich unsterblich in Totilas verliebt und kaufte ihn Ende 2010 von seinen holländischen Besitzern für die Dressursport-Rekordsumme von zehn Millionen Euro. Gal war untröstlich, denn er wusste sofort, dass er das Pferd seines Lebens verloren hatte. Es war aber auch der Anfang vom Ende der Sport-Karriere des schönen Rappen, für den Schockemöhle in Deutschland zunächst einmal einen neuen Reiter suchte.

Rath und Totilas keine glückliche Instanz

Er fragte unter anderem bei Dressur-Queen Isabell Werth an, doch die winkte ab. Überhaupt zeigte kein routinierter Reiter Interesse, Totilas zu übernehmen, denn es gehört zu ihrer Berufsehre, nur selbst ausgebildete Pferde zu reiten. So wurde es der recht unerfahrene Matthias Rath, damals 26 Jahre alt, dessen wohlhabende Stiefmutter Ann-Kathrin Linsenhoff, früher selbst Dressurreiterin, eine Besitzergemeinschaft mit Schockemöhle einging. Rath und Totilas sollten jedoch keine allzu glückliche Allianz bilden.

2011 gewannen sie zwar die deutsche Meisterschaft, verpassten aber den Einzeltitel bei der EM in Rotterdam. Finanziell zahlte sich der Kauf des Wunderpferdes trotzdem aus. Totilas, der meist auf dem hessischen Schafhof der Familie Linsenhoff lebte, war nebenher sehr erfolgreich als Deckhengst aktiv. Die Decktaxe lag bis zuletzt bei mehr als 2000 Euro. Mehr als 1000 Totilas-Nachkommen soll es mittlerweile geben.

Ein Akt der Verzweiflung

Rath hatte Pech, dass er 2012 am Pfeifferschen Drüsenfieber erkrankte und nicht an den Olympischen Spielen in London teilnehmen konnte. Aber auch nach seiner Rückkehr in den Sport bildete er mit Totilas zu keinem Zeitpunkt ein so brillantes Paar wie Gal es getan hatte. 2014 engagierte Rath, der bis dahin von seinem Vater gecoacht worden war, den holländischen Trainer Sjeff Janssen, der Totilas schon in dessen Zeit mit Gal betreut hatte. Es war ein Akt der Verzweiflung.

Denn Janssen ist in Deutschland wegen seiner nicht immer pferdefreundlichen Trainingsmethoden umstritten. Aber auch er brachte Rath nicht voran, zumal Totilas in dieser Zeit schon häufig an Verletzungen laborierte. Sein Abschied aus dem Viereck wurde schließlich zu einer traurigen Angelegenheit. Bei der EM in Aachen im August 2015 trat Totilas in der Prüfung im großen Reitstadion mit einem Hinterlauf nicht richtig auf. Weder Reiter noch Trainer wollten, wie sie später angaben, die leichte Lahmheit bemerkt haben. Und auch die Richter brachen den Auftritt nicht ab. Kurz darauf folgte die Diagnose: Knochenödem im Krongelenk. Karriereende für das Pferd.

Leichtes Training zuletzt

Totilas lebte zuletzt auf dem Schafhof der Linsenhoffs, dort wurde er gehegt und gepflegt und noch leicht trainiert. Im Dezember 2019 postete Linsenhoff ein Trainingsvideo. In einer Reithalle zeigte der Hengst, elegant geritten von ihr persönlich, dass er immer noch wunderbare Piaffen und Passagen im Repertoire hatte.

Wie Rath mitteilte, sei Totilas bis zum Ende kerngesund gewesen, die Kolik sei plötzlich aufgetreten. „Er wurde operiert und ist sogar wieder aufgestanden, hat es dann aber nicht geschafft“, berichtete der Reiter dem Magazin „Eurodressage“. „Er war täglich auf der Koppel, ging viel im Schritt, an der Hand und unter dem Reiter auf der Galoppbahn.“ Auf Instagram schrieb der Reiter: „Wir werden dich unglaublich vermissen und niemals vergessen.“

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Die emotionalste Abschiedsbotschaft an Totilas sandte der liebevolle Edward Gal aus Holland: „Lebe wohl, mein Freund! Der Himmel hat einen neuen Stern hinzugewonnen, aber mein Herz ist gebrochen. Ruhe in Frieden, Totilas. Du wirst immer in Erinnerung bleiben. Gemeinsam mit dir habe ich Glück und auch Leid erlebt. Die Zeit hat Wunden geheilt. Aber meine Liebe für dich wird ewig andauern. Du hast mir dein Vertrauen geschenkt. Du warst mein Freund.“

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