Mittelfristig soll aus den archäologischen Schätzen der Römerzeit eine Touristenattraktion werden, wie es sie bislang in Köln noch nicht gab.
Historische BauwerkeWarum Köln sein römisches Erbe verkommen lässt und wie sich das ändern lässt

Auf dem Theo-Burauen-Platz am Spanischen Bau steht ein Stück eines römischen Abwasserkanals.
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Die Überreste der römischen Bauwerke in der Innenstadt gelten zusammen mit dem Dom als starke Anziehungspunkte für den internationalen Tourismus. Und sie gehören zur Identität der 2000 Jahre alten Stadt. Für Schülerinnen und Schüler aus Köln und dem Umland gehörte ein Ausflug ins römische Köln stets zum Pflichtprogramm. Seit einigen Jahren fristen viele der archäologischen Schätze, die zum Unesco-Weltkulturerbe Niedergermanischer Limes gehören, allerdings ein Dasein im Verborgenen.
Kölner Stadtführer kritisieren Umgang mit römischen Bauwerken
Das Praetorium, der römische Statthalterpalast neben dem Rathaus, ist wegen der Bauarbeiten für die Archäologische Zone ebenso geschlossen wie das Römisch-Germanische Museum (RGM) am Roncalliplatz. Die römische Hafenstraße unterhalb des Museums führt ein Schattendasein, oftmals riecht es dort unangenehm nach Urin, Müll liegt zwischen den Steinen. Das Teilstück der römischen Stadtmauer in der Tiefgarage am Dom ist sanierungsbedürftig und mit Taubenkot überdeckt.
„Bei Stadtführungen in der Altstadt sagen mir Teilnehmer, dass sie nicht verstehen, warum wir das römische Erbe in Köln so verkommen lassen“, sagt Stadtführer Hartmut Kramer vom Anbieter Kölngeflüster. In einer Ecke würden bereits seit zwei Wochen tote Ratten liegen, er komme bei jeder Führung daran vorbei. „Viel schlimmer ist allerdings, dass die Stadt Köln nicht genug Geld für den Erhalt der römischen Bauwerke ausgibt“, sagt Kramer.
Mittelfristig soll sich die Situation deutlich verbessern. Der Bau der Archäologischen Zone mit dem Jüdischen Museum soll nach derzeitiger Planung in drei Jahren abgeschlossen sein, die Sanierung des Römisch-Germanischen Museums in vier Jahren. Sollte das gelingen, gäbe es bis 2029 eine zusammenhängende Achse, um die römische Historie in der Altstadt zu präsentieren. Grüne, CDU, Volt und FDP wollen diese Gelegenheit nutzen, um in der Altstadt ein weiteres römisches Bauwerk für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Unterhalb der Großen Budengasse - und somit angrenzend an das Praetorium und die Archäologische Zone - befindet sich ein 113 Meter langer Abwasserkanal, der sehr gut erhalten und vollständig begehbar ist. „Der archäologische Wert ist nicht hoch genug einzuschätzen“, sagt Marcus Trier, Direktor des Römisch-Germanischen Museums. Der Kanal sei so gut erhalten, weil dort früher unter anderem Bier gelagert wurde und weil er im Zweiten Weltkrieg als Zufluchtsort bei Luftangriffen diente.

Der begehbare römische Abwasserkanal unter der Großen Budengasse
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Die Anlage zwischen Marspfortengasse und Unter Goldschmied gebe Aufschluss darüber, dass das römische Köln bereits über eine extrem moderne Wasserversorgung verfügte, sagt Trier. So gab es für die Gebäude entlang der Straße Hausanschlüsse, über die das Abwasser in kleinere und größere Sammler abgeleitet wurde. Der bis zu 2,50 Meter hohe Abwasserkanal unter der Großen Budengasse führte durch die römische Stadtmauer hindurch bis in den Rhein. Nötig war diese gezielte Entwässerung, weil über den Römerkanal aus der Eifel jeden Tag 20 Millionen Liter Frischwasser in die Provinzhauptstadt Köln kamen. „Wir können belegen, dass es sich um ein ausgeklügeltes System handelte“, sagt Trier.
Den zehn Meter unter der Straße liegenden Abwasserkanal für Touristen und Kölner wieder sichtbar und erlebbar zu machen, wäre aus Triers Sicht ein großer Gewinn. Doch dem steht entgegen, dass das Bauwerk, das früher schon einmal öffentlich zugänglich war, weder die derzeitigen Anforderungen an den Brandschutz erfüllt noch über ausreichende Fluchtwege verfügt. Bislang waren dort daher nur Sonderführungen zu wissenschaftlichen Zwecken geplant.
Stadt Köln sieht Notwendigkeit für zwei neue Rettungswege
Um den Abwasserkanal an die Archäologische Zone anzubinden, muss dort noch einiges geschehen. Das Bauwerk ist laut der Stadtverwaltung mit Schimmel belastet, den Fachfirmen entfernen müssen. Ein Auftrag sei bereits erteilt, die Bauarbeiten sollen in Kürze beginnen. Danach sollen der Einbau einer neuen Beleuchtung und Belüftung sowie von Hinweistafeln zu den Fluchtwegen folgen.
Damit Besucher den Kanal betreten können, müssten zusätzlich zwei neue Rettungswege entstehen. Eine erste Untersuchung der Stadt ergab, dass dafür zwei Kellerzugänge zu privaten Wohnhäusern der Budengasse 1-3 sowie eine Treppenanlage innerhalb des Kanals infrage kommen. Denkbar wäre auch ein Neubau auf dem Theo-Burauen-Platz, der als Zugang dienen könnte. Dort befindet sich bereits jetzt ein Teil des Abwasserkanals, der an die Oberfläche geholt wurde. Da der Platz allerdings unter Denkmalschutz steht, müsste der Stadtkonservator zuerst seine Zustimmung geben. Im Bereich der Kleinen Budengasse wäre es außerdem notwendig, Versorgungsleitungen zu verlegen.
Die Risiken, die im Baugrund, der Leitungsverlegung und den Eigentumsverhältnissen der privaten Wohnhäuser liegen, schätzt die Stadt so groß ein, dass davon abgeraten wird, das Projekt noch ein den Neubau der Archäologischen Zone und des Jüdischen Museums zu integrieren. Ansonsten sei damit zu rechnen, dass sich der Fertigstellungstermin des Museums verzögert. Das Kulturdezernat schlägt deshalb vor, aus dem römischen Abwasserkanal ein eigenes Projekt zu machen.
Im Kölner Doppelhaushalt gibt es kein Geld für eine Machbarkeitsstudie
Zu den Kosten lassen sich laut der Stadt derzeit noch keine Angaben machen. Aufschluss geben könnte eine Machbarkeitsstudie. Für diese steht allerdings weder im Budget für die Miqua genannte Archäologische Zone, noch im Doppelhaushalt 2025/2026 Geld zur Verfügung. Die Stadt selbst könnte also frühestens 2027 eine Machbarkeitsstudie in Auftrag geben und schlägt daher vor, dass ein Förderverein eine externe Finanzierung sicherstellen könnte. „Das römische Erbe ist ein Teil der kölschen DNA“, sagt RGM-Direktor Marcus Trier. Er hoffe darauf, dass es möglich sein wird, für den Abwasserkanal ein Konzept zu entwickeln.
Der Zusammenschluss von Kölner Stadtführern Guides e. V. weist unterdessen darauf hin, dass auch das gut erhaltene Stück der römischen Stadtmauer in der Tiefgarage am Dom dringend saniert werden muss. Wie berichtet, muss die Stadt Köln das Parkhaus sanieren lassen. „Zurzeit arbeiten wir immer noch daran, um ein Mitspracherecht bei der Neugestaltung der Domtiefgarage zu erhalten“, sagt die Vorsitzende Ilona Priebe. Die Stadtführerinnen und Stadtführer wollen Ideen einbringen, wie das römische und mittelalterliche kulturelle Erbe in dem Parkhaus angemessen für Besuchergruppen präsentiert werden müsste. „Damit es auch eine Besucher-Attraktion wird und kein Parkhaus mit einigen ‚römischen Überresten‘“, sagt Priebe.

Ein Teil der römischen Stadtmauer in der Tiefgarage am Dom
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Auch Köln-Tourismus als offizielle Tourismusorganisation für Köln will verstärkt auf das römische Erbe setzen. „Wir begrüßen den zugesicherten sensiblen Umgang mit dem historischen Erbe während der Sanierung des Parkhauses und unterstützen die Sichtbarkeit der römischen Geschichte Kölns durch mehrere Maßnahmen“, sagt Geschäftsführer Jürgen Amann. Mit einer informativen Broschüre, digitalen Datensätzen, die in der Touristen-Information ausgespielt werden und per QR-Code als Route gespeichert werden können sowie mit Stadtführungen stelle Köln-Tourismus sicher, dass das römische Köln für Touristen und Einheimische erlebbar sei.„ Zudem engagieren wir uns aktiv im geplanten NRW-weiten Projekt zum Unesco Welterbe Niedergermanischen Limes“, sagt Amann.
Wie es jetzt mit dem aus archäologischer Sicht einzigartigen römischen Abwasserkanal unter der Großen Budengasse weitergeht, müssen die Politiker im Stadtrat entscheiden. Um daraus ein eigenes Projekt zu machen, benötigt die Stadtverwaltung einen politischen Beschluss.