Wegen asiatischen AussehensRassistische Reaktionen aus Angst vor Corona-Virus in Köln

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Yen Souw Tain, Chef des Heng Long Supermarktes Köln.

Köln – „Na Du Schlitzauge?“, „Ching-Chang-Chong!“, „Esst ihr zu Hause auch Hunde?“ Rassistischen Ressentiments ist Yen Souw Tain schon als Kind begegnet. „Irgendwann findet man sich damit ab, es war ja auch keine reale Gefahr, zumal Asiaten nicht so stark von Rassismus betroffen sind wie andere Minderheiten“, sagt der 32-jährige Kölner.

Tain machte kein Aufhebens mehr um seine alltagsrassistischen Erfahrungen – bis vor einigen Tagen eine Mutter ihr Kind in seinem Supermarkt dazu aufforderte, sich den Schal vor den Mund zu halten, um sich bei den Verkäufern beim Kauf von Sojabohnen nicht mit dem Coronavirus anzustecken. Tain, Besitzer des bekannten Asia-Markts „Heng Long“ an der Aachener Straße, hörte, wie die Tochter fragte, ob denn alle Chinesen krank seien, und wollte die Mutter zur Rede stellen – „doch die beiden waren so schnell weg, dass ich ihnen nur noch hinterherschauen konnte“.

Yen Souw Tain Macht seine Rassismus-Erfahrung öffentlich

Spontan entschloss er sich, seine Erfahrung öffentlich zu machen. Auf Facebook schrieb er: „Leider konnten wir die Dame nicht mehr zu einem Gespräch bitten, um sie und ihre Tochter aufzuklären, dass nicht alle Asiaten Chinesen sind und automatisch den Virus haben. Wir sind schockiert und finden es traurig, dass es sowas überhaupt noch gibt, besonders in Köln, wo wir das am wenigsten erwarten. Alle werden über einen Kamm geschert und hinzukommt noch Ausgrenzung und Rassismus.“

Bis Montagnachmittag hatten mehr als 360 Nutzer den Beitrag kommentiert. „Ich werfe der Mutter keine Absicht vor. Veröffentlicht habe ich die Erfahrung, um Menschen, deren Angst vor dem Coronavirus ich nicht kleinreden will, zu sensibilisieren“, sagt Tain. „Es ist wichtig, dass man sich gut informiert und Gefahren hinterfragt, sich nicht von Ängsten und Vorurteilen leiten lässt.“ Kommentatoren, die schrieben, die Frau habe lediglich Angst gehabt, von Rassismus könne keine Rede sein, entgegnet Tain: „Das sind wohl Menschen, die selbst nie Rassismus erfahren haben. Neun von zehn Menschen haben auch kein Problem mit Mobbing und erkennen es oft nicht – weil sie es nie selbst erlebt haben.“

Kölner sehen sich immer öfter mit Rassismus konfrontiert

Mit seiner Erfahrung ist der Supermarktbesitzer Tain nicht allein. „Meine asiatische Frau sitzt seit neuestem auf einem Vierersitz im Bus allein. Die Leute setzen sich weg oder wenden ihr den Rücken zu. Nur eine Vietnamesin hat sich vor einigen Tagen neben sie gesetzt“, sagt der Kölner Andreas M. Ein Freund von ihm sei Vietnamese, ein Uber-Fahrer habe ihn kürzlich nicht mitfahren lassen aus Angst vor dem Virus, schreibt ein Facebook-Nutzer. Eine asiatische Freundin von ihm sei auf der Straße als „Corona“ beschimpft worden. Ein anderer hörte in der Linie 9 Schüler dahinreden: „Du kannst dich von denen anstecken, die essen sogar Fledermäuse!“

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Rassistische Erfahrungen im Zusammenhang mit der Angst vor einem Virus sind nichts Neues. In Frankreich schreiben unter dem Hashtag #jenesuispasunvirus („Ich bin kein Virus“) Hunderte über ihre Erfahrungen mit Ressentiments seit dem Ausbruch des Coronavirus. Als „Chinesenkrankheit“ gebrandmarkt, stellte das Sars-Virus im Jahr 2003 die viel gerühmte Toleranz der kanadischen Einwandererstadt Toronto in Frage: Menschen vermieden es, in die Nähe von Asiaten zu kommen, asiatische Restaurants blieben wochenlang leer.

Der Kölner Yen Souw Tain hat bemerkt, „dass wir im Supermarkt vergangene Woche weniger Kunden hatten. Es könnte mit dem schlechten Wetter zusammenhängen, aber das glaube ich eher nicht“. 

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