Weihnachten in KölnStefan Dößereck ist Kölns bekanntester Weihnachtsmann

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Stefan Dößereck ist Kölns bekanntester Weihnachtsmann.

Köln – Wenn Stefan Dößereck seinen weißen Rauschebart umbindet und gedankenverloren wie in einem Ritual liebevoll seinen Bart zwirbelt, legt sich ein diesseitsvergessenes Grinsen auf sein Gesicht. Jetzt noch die weiße Lockenmähne, die goldene Brille und dann die rote Mütze: „Ich bin als Weihnachtsmann überzeugter Bommel-rechts-Träger“, bekennt er. Beim Outfit ist Kölns bekanntester Weihnachtsmann und Nikolaus in Personalunion ein Pedant. Wenn alles sitzt, ist die Metamorphose perfekt.

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Stefan Dößereck verwandelt sich in Kölns  gefragtesten Weihnachtsmann.

Dann reagiert er auch nicht mehr auf die Ansprache mit seinem irdischen bürgerlichen Namen. Manchmal verschmilzt ein Mensch mit seiner Rolle, bei Kölns prominentestem Weihnachtsmann ist das zweifellos der Fall. „Und das von Jahr zu Jahr mehr – je älter ich werde.“ Die Stimme, mit der er – kaum ist das Ornat angelegt– spricht, würde jedem „Hoho“ des Santa Claus auf der Kinder-Weihnachts-CD alle Ehre machen. Wenn der 49-Jährige den roten Mantel anhat, wird sein Gang unvermittelt behäbig: Der Weihnachtsmann kennt keine Hektik, und die ganze Welt wird zum Du. „Ist doch klar, dass der Weihnachtsmann keinen siezt.“

Seit 20 Jahren als Weihnachtsmann im Dauereinsatz

Dabei ist der Mann, der seit nun mehr als 20 Jahren in der Weihnachtszeit im Dauereinsatz ist und in seinem privaten „goldenen Buch“ stolze 2.600 Einsätze in himmlischer Mission dokumentiert hat, grundsätzlich sehr flexibel was die Ausrichtung des Mannes mit Rauschebart angeht. Statt ideologischer Gefechte setzt er auf friedliche Koexistenz der beiden prominentesten Weihnachtsboten. „Nikolaus und Weihnachtsmann sind Freunde im Himmel“, ist er überzeugt. In seinem Rollkoffer sind Bischofsgewand und Weihnachtsmantel beide dabei.

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Stefan Dößerecks besitzt eine aus 70 weihnachtlichen Kostümen bestehende Sammlung.

Dößerecks aus 70 weihnachtlichen Kostümen bestehende Sammlung lässt ihn aus dem Vollen schöpfen. Hauptsache die Haltung stimmt. Er selbst mag sie beide und legt persönlich höchsten Wert darauf, dass alle – Kinder wie Erwachsene – Nikolaus und Weihnachtsmann auseinanderhalten können. „Da bin ich streng.“

Vorliebe für den Nikolaus bei türkischen Familien

Ansonsten will er da gar keine ideologische Debatte draus machen: Jeder bekommt den Weihnachtsboten, den er bucht. Entweder den frommen Bischof von Myra mit Mitra und Bischofsstab oder den weltlichen Weihnachtsmann mit Bommelmütze. Türkische Familien hätten überraschenderweise eine eindeutige Vorliebe für den Nikolaus, wahrscheinlich weil der ja aus Myra in der Türkei komme. Im Grund seien sie doch in dergleichen menschenfreundlichen Mission unterwegs also Partner im Geiste, meint Dößereck.

Er mag es überhaupt nicht, wenn die von ihm so verehrte Gestalt als Erfindung von Coca-Cola gebrandmarkt wird. „Schon Hoffmann von Fallersleben hat ihn 1835 in dem Lied »Morgen kommt der Weihnachtsmann« besungen.“ Längst bevor ihn die Getränkeindustrie entdeckt habe. Auf dem Weihnachtsmarkt am Rudolfplatz ist der 49-Jährige bis Weihnachten jeden Tag um dieselbe Uhrzeit als Nikolaus unterwegs. Was nur folgerichtig ist, schließlich heißt der dortige Weihnachtsmarkt ja Nikolausmarkt.

„Außer bei Hunden bin ich eigentlich bei allen willkommen“

„Ab 16.30 Uhr wandele ich durch die Gassen und kehre dann im Haus vom Nikolaus ein, wo die Kinder mich treffen können“, sagt er. Wandeln trifft es sehr gut, wenn er behäbigen Schrittes die Besuchertrauben anzieht. Während die Kleinen sich respektvoll neugierig nähern und ihm zögernd ihre Puppe zum Tätscheln anbieten, sind die Großen mutiger und gehen für ein Selfie glühweinselig mit dem heiligen Mann auf Tuchfühlung. „Außer bei Hunden bin ich eigentlich bei allen willkommen“, sagt er, ehe es zum nächsten Auftritt – diesmal als Weihnachtsmann – weitergeht.

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Auf dem Weihnachtsmarkt am Rudolfplatz ist Stefan Dößereck bis Weihnachten jeden Tag unterwegs.

Zur Rolle seines Lebens kam der Mann, der im normalen Leben als Werbeberater selbstständig ist, eher durch Zufall. Vor jetzt schon mehr als zwei Jahrzehnten bat ihn der ältere Bruder, für dessen damals kleine Tochter spontan den Weihnachtsmann zu geben. „Damals habe ich alles falsch gemacht: Billig-Kostüm, schlechte Bartqualität und null Vorbereitung. Dazu noch der penetrante Geruch von Mottenkugeln in der Nase.“ Trotzdem war das eine Initiation. Und als er am Tag danach an der Uni den Aushang „Weihnachtsmänner gesucht“ sieht, glaubt er an einen Wink des Himmels.

Schulungen beim Chef-Weihnachtsmann

Längst kann er, der die Rolle seines Lebens gefunden hat und der nach eigenen Angaben zu den meist gebuchten Weihnachtsmännern der Rheinschiene gehört, die vielen Anfragen nicht mehr bedienen: Mehr als elf Engagements am Tag schaffe man auch mit himmlischem Rückenwind nicht. Familienauftritte, Firmenauftritte und ehrenamtliche Engagements in Pflegeheimen und sozialen Einrichtungen: Da kommt jede Menge zusammen. Daher bildet er als Chef-Weihnachtsmann seit 17 Jahren in Schulungen selber Weihnachtsmänner aus, um mit diesem Netzwerk seines Weihnachtsmann-Services alle Anfragen zu erfüllen und für jeden Kunden den passenden Mann in Rot aufzutreiben.

Und wenn er dann – wie jetzt gerade für eine japanische Familie in Düsseldorf – kurzfristig noch einen englischsprachigen Santa Claus aus dem Hut zaubern muss, hat er natürlich auch den in seiner Kartei. Wer selbst ausbildet, ist auf der sicheren Seite. „Dann weiß ich sicher, dass der Ehrenkodex der Weihnachtsmänner eingehalten ist.“

Der offizielle Kodex des Weihnachtsmanns

Der 2008 in Berlin von den dortigen Weihnachtsmännern festgelegte, auch überregional offizielle Kodex legt zum Beispiel fest, dass der Weihnachtsmann a) alle Menschen gerne haben soll und dass er b) alle weltlichen Dinge ablegen muss. Heißt konkret: keine Uhr und kein Handy. Auch den sinnlichen Genüssen muss der Weihnachtsmann im Dienst entsagen: keine Nahrung, kein Alkohol und bloß keine Zigarette. All das untergräbt die himmlische Autorität und Glaubwürdigkeit.

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Stefan Dößereck in der Rolle seines Lebens.

Das Allerwichtigste steht für Dößereck allerdings am Anfang der Schulung: das Bekenntnis. Wer sich bei ihm ausbilden lässt, muss als allererstes feierlich ein Glaubensbekenntnis ablegen: „Glaubst du an den Weihnachtsmann?“, fragt er zu Beginn mit ernster Miene jeden Teilnehmer. „Wenn man Weihnachtsmann werden will, muss man auch an ihn glauben. Das ist eine Grundvoraussetzung.“

Bademantel plus Fünf-Euro-Bart verschaffen keine Autorität

Dass Dößereck es selbst tut, daran lässt er keinen Zweifel. Anschließend geht es in die Theorie: Wer als Nikolaus oder Weihnachtsmann unterwegs ist, muss die beiden Herren kompetent unterscheiden können und auch etwas über die Historie der beiden Figuren lernen. Lektion 2: Kostümkunde und die eindringliche Warnung vor Billig-Outfits. Merke: Mit einem Bademantel plus Fünf-Euro-Bart hat sich noch keiner Autorität verschafft. „Da muss man schon ein bisschen tiefer in die Tasche greifen, wenn man es ernst meint.“ Und selbst wenn der äußere Rahmen stimmt, geht nichts über intensive Vorbereitung.

Einfach mal hingehen und sich spontan in die Rolle reintreiben lassen, gehe gar nicht. Man müsse genau wissen, wen man vor sich hat, um das auch entsprechend persönlich zu gestalten. „Ich bin ja kein Paketabwerfer, da mache ich nicht mit.“ Anfängern rät er, erstens ihre Hitzebeständigkeit im Kostüm vor dem Fernseher zu trainieren und zweitens zunächst mal mit Familienauftritten die Rolle zu üben. Firmen, das sei eindeutig etwas für Fortgeschrittene. Und auch da gelte es, niemals später als zwei Stunden nach Veranstaltungsbeginn aufzulaufen. Sonst ist der Alkoholpegel der Feind jeglicher Autorität gegenüber dem roten Mantel.

Keine Zeit für die eigene Weihnachtsfeier

Der Junggeselle Dößereck, der für die Rolle als Weihnachtsmann seinen Jahresurlaub opfert, hat privat schon seit Jahren nicht mehr Weihnachten gefeiert. So wird es auch dieses Jahr sein. Bei den Weihnachtsmann-Einsätzen in 17 Familien, die er von Heiligabend bis zum zweiten Weihnachtstag absolviert, bleibt dafür keine Zeit. „Aber es macht riesig Spaß, in so vielen Wohnzimmern zu Gast zu sein. Die Bandbreite ist ungemein. Und das Schönste: Wenn es knallt, bin ich immer schon weg.“

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