Werben um die Ironie der Juroren

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Kalk –  Hinter dem Veranstaltungstitel „Kalk schreit nach Liebe“ verbirgt sich nicht etwa ein Drama um den verzweifelten Liebeshunger der Kalker Bevölkerung. Vielmehr erdachte die Lehrerschaft der Kaiserin-Theophanu-Schule dieses Motto für ihre diesjährige Aufführung. Eine Gaudi für die Lehrbeauftragten selbst und die Schüler des Städtischen Gymnasiums, bei dem die Darsteller in ungewohnt enthemmter Weise auf ihre angestammte Position als Autoritätspersonen verzichten und sich mit Leidenschaft und Spielfreude „zum Affen machen“.

Im Stil einer Casting-Show stellte das Kollegium unter der Leitung von Georg Busch ein vielfältiges Programm zusammen, 13 Sketche und Musikbeiträge ringen um die Gunst des Publikums in der voll besetzten Aula.

Ab der ersten Spielminute herrscht gebannte Aufmerksamkeit, denn Georg Busch setzt gleich bei der ersten Nummer Maßstäbe. Mit gelockter Perücke und „Ti amo“ hat er den Saal sofort auf seiner Seite, Juror Oliver Schmitz wird ihn später als „so etwas wie Howard Carpendale“ bezeichnen – Mut zur Selbstverulkung ist oberste Zugangsvoraussetzung für eine Performance beim Lehrertheater.

Georg Busch begeisterte als Howard Carpendale mit „Ti Amo"(l.). Küssen gehört zur Ehe dazu: Therapie wie einst bei Loriot (r.).

Georg Busch begeisterte als Howard Carpendale mit „Ti Amo"(l.). Küssen gehört zur Ehe dazu: Therapie wie einst bei Loriot (r.).

„Seit acht Jahren gibt es das Schülertheater. Die Idee zum Lehrertheater entstand, als wir uns etwas für die Verabschiedung unserer ehemaligen Schulrektorin ausgedacht haben“, erklärt Georg Busch. Seit der Initialzündung findet die flotte Unterhaltung regelmäßig statt, eine dreiköpfige Jury bemüht sich dabei um ähnlich respektlos-bissige Kommentare wie in der „Mutter“ aller Castingshows, DSDS. Schulleiter Oliver Schmitz, Deutschlehrer Stefan Thönnessen und die ehemalige Kollegin und neue Dezernentin der Bezirksregierung, Claudia Rudel, haben die Aufgabe, Stärken und Schwächen der Darstellungen zu benennen. Erfahrungsgemäß haben allein die Kommentare der Jury hohen Unterhaltungswert, und so wetteifert das Trio um die schärfste Ironie bei der Kritik.

Nach Georg Buschs Opener folgen mehrere Sketche, eine genervte Dame hält ihren stammelnden Lebensgefährten für Ich-bezogen, weil er in seiner „Liebeserklärung“ nicht weiterkommt als zum Wort „ich“. Beim „Heiratsantrag“ hängt sich die Angebetete an den grammatikalischen Unzulänglichkeiten ihres Liebsten auf. Sein Gedicht über den Abend, als sie ihm nackt ein Schnitzel briet und so seine Liebe entfachte, gerät zum Desaster, weil er offenbar nicht imstande ist, das Verb „braten“ korrekt zu konjugieren. Der eigentliche Clou der Szene besteht allerdings in der Tatsache, dass sie sich an diesen Abend überhaupt nicht erinnern kann.

Loriots „Eheberatung“ amüsiert Publikum und Jury gleichermaßen, auf dem musikalischen Sektor begeistert die Lehrerband mit poppigem Sound. Juror Stefan Thönnesen geht in seiner Bewertung so weit, den musizierenden Kollegen eine Karriere außerhalb des Lehrerberufs zuzutrauen.

Georg Busch begeisterte als Howard Carpendale mit „Ti Amo"(l.). Küssen gehört zur Ehe dazu: Therapie wie einst bei Loriot (r.).

Georg Busch begeisterte als Howard Carpendale mit „Ti Amo"(l.). Küssen gehört zur Ehe dazu: Therapie wie einst bei Loriot (r.).

Zuletzt sind es die Lehrerband und das bereits mehrfach prämierte Männerballett, die den begehrten Publikumspreis abräumen, den Ausschlag für die Rangliste der Gewinner gibt ausschließlich die Lautstärke beim Applaus. „Das Tolle für die Schüler ist, dass sie uns einmal von einer ganz anderen Seite sehen“, meint Georg Busch. Die Faszination für die ungewohnte Perspektive scheint auch fünf Jahre nach der Erstauflage ungebrochen.

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