Die Voraussetzungen sind bestens, aber Köln kann seine Wirtschaftskraft einfach nicht entfalten. Auch wenn die Stadt vergleichsweise gut durch die aktuellen Krisen kam, lässt sich der schlafende Riese Köln nicht richtig wecken. Warum?
Wirtschaftliche Entwicklung stagniertWarum die Stadt Köln im Mittelmaß verharrt
Es gab einmal einen TV-Wirtschaftsexperten, der begann seine Schalte aus der Frankfurter Börse immer mit einem mal mehr, mal weniger passenden Zitat oder Sinnspruch. Das hatte etwas Verschrobenes, aber es brachte Lockerheit in die Berichterstattung über eine chronisch unlockere Branche. Wir möchten dieser fast vergessenen Tradition ein einmaliges Comeback ermöglichen, und zwar so: „Ich glaube, es ist immer noch besser, die Wirtschaft gesundzubeten, als sie totzureden.“
Das sagte einst Deutschlands erster Wirtschaftsminister und zweiter Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) in einer Rede. Jahrzehnte später kann auch die Wirtschaft Kölns jede Hilfe gebrauchen – und seien es Stoßgebete. In den vergangenen drei Jahren hagelte es Krisen, die die ganze Welt massiv in Unruhe versetzten. Die Corona-Pandemie und Russlands Angriffskrieg in der Ukraine haben Unsicherheiten hervorgebracht, die jeden Wirtschaftsraum lähmen, nicht nur den von Köln.
Die aktuellen Krisen setzen der Ökonomie der Stadt also schwer zu. Aber Kölns wirtschaftliche Kraftlosigkeit ist nicht erst vorhanden, seit neue Krankheitserreger umgehen und Bomben auf ein europäisches Land fallen. Ökonomen rätseln seit vielen Jahren, warum die Stadt so konsequent unter ihren Möglichkeiten bleibt. Denn die Voraussetzungen sind eigentlich außerordentlich gut. Köln ist Anrainer der wichtigen Wasserstraße Rhein, der Hauptbahnhof ist ein Drehkreuz für Europa, die wichtigsten Autobahnen sind mindestens in der Nähe. Die Stadt liegt mitten in der so genannten „blauen Banane“, einem vom französischen Geografen Roger Brunet definierten besonders wirtschaftsstarken, hochverdichteten, dynamischen europäischen Raum, der von England über die Benelux-Staaten, West- und Süddeutschland, der Schweiz bis zum sehr produktiven Norden Italiens reicht.
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Die Bevölkerung Kölns ist mit einem Durchschnittsalter von etwa 42 Jahren vergleichsweise jünger als andernorts und innovationsoffen. Kölns Wirtschaft gilt überdies als überaus vielfältig. Der breite Branchenmix macht es leichter verkraftbar, wenn einer der Bereiche in der Krise steckt. Und ja, die vielzitierte Toleranz und Offenheit und Lebensfreude der Menschen am Ort sind in der Tat ein nicht zu vernachlässigender Imagefaktor. Letztere sind sozusagen angeborene Soft-skills, die jede Stadt gern hätte. Aber die sich mysteriöserweise eher wenig als wirtschaftliche Durchschlagskraft bemerkbar machen, eher verhindern sie Schlimmeres. Köln verharrt im Mittelmaß.
Der Dienstleistungssektor ist inzwischen der Wirtschaftsmotor der Stadt. Die meisten Menschen haben Jobs etwa bei Unternehmensdienstleistern, Handel und Gastgewerbe oder dem Finanz- und Versicherungswesen. Doch die Wachstumszahlen sind in der Regel schwächer als in vergleichbaren Städten. Ein gutes Bespiel in diesem Zweig sind die Medien. Köln nennt sich Medienstadt und tatsächlich ist sie es auch mit Sendern wie WDR und RTL, einer Vielzahl an Produktionsfirmen oder etlichen Film- und TV-Drehs auf den Straßen. Aber im Wettstreit mit Berlin und München ist Köln klar weniger dynamisch und verliert an Boden. Der Tourismus indes erholt sich nach den harten Corona-Jahren deutlich, ist aber noch weit vom Vorkrisenniveau entfernt. Die ehedem machtvolle Industrie hat in den Krisen mächtig gelitten, nachdem sie in den Jahren zuvor kaum wuchs. Die Branche ist stark abhängig von Energiepreisen, Rohstoffmangel setzt ihr zu. Ein allerdings fantastisches Zeichen hat der Automobilbauer Ford gesetzt. Der Konzern will rund zwei Milliarden Euro in den Standort Köln investieren, damit hier künftig Elektroautos vom Band laufen.
Die 2019 gegründete GmbH Köln-Business sollte die nahezu eingeschlafene Wirtschaftsförderung wiederbeleben. Doch die großen Erfolge bleiben bislang noch aus. Allerdings verzeichnet die Stadt gute Werte bei Neugründungen. Köln ist für eine Reihe von Start-ups attraktiv, was vor allem an der inzwischen guten digitalen Infrastruktur liegt – für viele Unternehmen eine Grundvoraussetzung. Trotz allem ist Köln bislang ordentlich durch die Krisen gekommen. Der Arbeitsmarkt zeigt sich robust, die Kaufkraft der Bürgerinnen und Bürger ist einigermaßen hoch und kaum eingebrochen. Bei den Gewerbesteuereinnahmen – mit die wichtigste Geldquelle der Stadt – musste die Verwaltung zwar herbe Rückgänge verkraften. Doch stiegen die Erlöse zuletzt sogar wieder stärker an als es Kämmerin Dörte Diemert erwartet hatte.
Nach Jahren der Steigerung schwächelt dagegen das Bruttoinlandsprodukt seit 2020 – die Betriebe sind also weniger produktiv. Ob das in der Zukunft besser wird, vermag natürlich niemand vorauszusagen. Einer Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft zufolge erwarten viele Wirtschaftsverbände im kommenden Jahr einen Rückgang der Geschäfte.
Vielleicht ist ja der Karneval ein erster Indikator dafür, wie es mit Kölns Wirtschaft weitergeht. Weiberfastnacht ist immerhin schon am 16. Februar 2023. Karneval beschert Köln nämlich einen Wirtschaftszweig, den nur wenige Metropolen aufbieten können – schon gar nicht in gleicher Ausprägung. Gastronomie, Hotellerie oder Textilbranche erlösen viele hundert Millionen Euro, mehrere tausend Arbeitsplätze hängen am jecken Treiben. Nach dem Wegfall vieler Corona-Restriktionen ist die Session auch ein Test, wie sehr die gestiegenen Lebensunterhaltungskosten die Menschen zur Sparsamkeit anhalten. Ab Aschermittwoch können die Zahlen ausgewertet werden.