In Köln wurden 2024 so wenig Wohnungen gebaut wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Das verschärft die ohnehin großen Probleme in der Stadt.
Neue Zahlen zu 2024Wohnungsbau in Köln bricht ein – so wenig Neubauten wie zuletzt 1990

2024 entstanden nur halb so viele neue Wohnungen in Köln wie im Vorjahr. (Symbolbild).
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Der Wohnungsbau ist in Köln im vorigen Jahr eklatant eingebrochen. 2024 sind nur halb so viele Wohnungen fertig geworden wie im Jahr davor. Weniger als im Jahr 2024 wurde zuletzt 1990 gebaut. Das geht aus einer Auswertung der Stadt Köln zum Wohnungsbau hervor. Wir erklären, was die neue Statistik bedeutet.
Wie viele Wohnungen entstanden 2024?
1819 Wohnungen wurden in Köln fertiggestellt, im Jahr 2023 waren es noch 3533, also doppelt so viele. Den Großteil von 1102 haben Wohnungsunternehmen gebaut, 470 private Bauherren.Mit mehr als 500 Wohnungen sind die meisten neuen Wohnungen im Stadtbezirk Kalk entstanden, weitere fast 400 in Ehrenfeld, 250 in Lindenthal.
Warum ist wenig Neubau ein Problem für die Stadt?
Die Mieten steigen weiter und die soziale Schieflage nimmt zu. In Köln ist die Lücke zwischen Wohnungsbaubedarf und tatsächlichem Baugeschehen besonders groß, laut einer Studie von 2024 des privaten und unternehmensnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) mit Sitz in Köln, hat die Stadt nach Berlin und Frankfurt den höchsten Bedarf an neuen Wohnungen. Gleichzeitig klafft in Köln die Lücke zum tatsächlichen Baugeschehen am größten, laut Studie werden nur 37 Prozent des Bedarfs durch Neubau gedeckt. Baudezernent Markus Greitemann sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ im gemeinsamen Interview mit Stadtentwicklungsdezernent Andree Haack: „Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass das soziale Gefüge in dieser Stadt auseinanderfällt. Der Prozess hat angefangen.“
Wie viele Wohnungen entstehen in den nächsten Jahren?
Genehmigt hat die Stadt im vergangenen Jahr 2931 Wohnungen. Das sind zwar weniger als in den vorigen vier Jahren, bleibt aber auf einem ähnlichen Niveau. Nachdem eine Wohnung genehmigt ist, vergehen teils mehrere Jahre, bis sie fertig gebaut ist. Von den 2024 fertiggestellten Wohnungen wurden mehr als 1000 bereits vor mindestens drei Jahren genehmigt, 600 vor zwei Jahren und 60 vor einem Jahr. Genehmigte, aber nicht gebaute Wohnungen bilden den sogenannten Bauüberhang.
Was zeigt der Bauüberhang an?
Die Zahl der Baugenehmigungen ist ein Frühindikator für die zukünftige Bauaktivität. 2024 beträgt er in Köln 10.308 Wohnungen, ein Plus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Stadt Köln genehmigt also mehr als gebaut wird. Von den gut 10.000 Wohnungen existieren mehr als die Hälfte noch nicht, ein Viertel befindet sich aktuell im Rohbau, bei einem Fünftel ist der Rohbau fertig. Der hohe Bauüberhang unterstreicht, dass Kölns Wohnungsmarkt angespannt ist. Baudezernent Markus Greitemann sagte im Interview: „Wir sind in einer auslaufenden Krise.“ Die Zahlen für 2024 zeigen allerdings, dass die Krise sich zuletzt deutlich verschlimmert hat.

Wohnungsbau in Köln
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Wie viele neue Wohnungen hätte Köln gebraucht?
Die Stadt Köln steckte sich 2017 zusammen mit der Wohnungswirtschaft das Ziel, jährlich 6000 neue Wohnungen fertigzustellen. Stadtentwicklungsdezernent Andree Haack stellte diese Zahl zuletzt infrage: „Von den Zielwerten halte ich nicht viel, weil es zu viele Faktoren gibt, die weder die Bauwirtschaft noch die Stadt beeinflussen können. Ich möchte einfach, dass in Köln so viel wie möglich gebaut wird.“
Christian Oberst, Ökonom am IW mit Schwerpunkt Wohnungspolitik, sagt: „Wenn wir keine Ziele mehr angeben, werden die Zahlen auch nicht mehr ernst genommen.“ Die Stadt könne durchaus legitim begründen, wieso die Ziele nicht erreicht wurden, „dann muss man sie aber realistisch anpassen“. Über klar definierte Zielwerte könne die Stadt zudem Ziele stecken, welche Art von Wohnungen sie gebaut haben will und Baugebiete entsprechend ausweisen. Laut IW-Studie bräuchte Köln aktuell sogar 7500 neue Wohnungen pro Jahr, weil der Bedarf auch in den vorigen Jahren schon nicht gedeckt wurde.
Wie viele Wohnungen sollten in den kommenden Jahren fertig werden?
Ab 2026 schätzt das Institut den Neubaubedarf auf etwa 4600 Wohnungen ein. Grund für den niedrigeren Bedarf ist die Demografie einer älter werdenden Gesellschaft und die Erwartung, dass es weniger Zuwanderung gibt. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung geht zwischen 2023 und 2030 von 5100 benötigten neuen Wohnungen pro Jahr in Köln aus.
Oberst sagte, genaue Schätzungen seien schwierig: „Wenn in der Stadt wieder mehr und bezahlbarer Wohnraum verfügbar ist, sollte auch die Nachfrage noch weiter steigen.“ Heißt: Hätte Köln tatsächlich 6000 Wohnungen gebaut, wäre das noch immer nicht genug gewesen und die Preise nicht heruntergegangen. Oberst sagt: „Politik und Verwaltung sollten sich ein Mindestziel von 4000 Wohneinheiten setzen – wenn das nicht erreicht wird, dann sukzessive, aber zügig kommunale Anforderungen reduzieren.“
Wie wohnt Köln?
Insgesamt gibt es in Köln 573.369 Wohnungen, die im Schnitt 77,23 Quadratmeter groß sind. Der Wohnraum ist aber ungleich verteilt: Rund 460.000 dieser Wohnungen sind in Mehrfamilienhäusern und nur rund 90.000 in Ein- oder Zweifamilienhäusern. Trotzdem verteilt sich die Hälfte der Fläche des gesamten Wohnraums in Köln auf Einfamilienhäuser und nur 40 Prozent auf Mehrfamilienhäuser. Ein kleiner Teil der Kölner hat also sehr viel mehr Platz als der Großteil der Kölner.
Wie reagiert die Stadt darauf?
Die unbebauten Flächen, auf die die Stadt Einfluss hat, vergibt sie nur an Investoren, die möglichst viele Wohnungen darauf errichten wollen. Sozialdezernent Harald Rau sagte dieser Zeitung jüngst: „Wer eine eigene Burg möchte – ein alleinstehendes Haus mit einem hohen Zaun drumherum –, ist in Köln falsch.“ Das spiegelt sich darin wider, dass die Stadt 2024 nur 139 Ein- und Zweifamilienhäuser genehmigt hat (2023: 184).
Wie viel Platz hat ein einzelner Kölner im Schnitt?
Obwohl hauptsächlich kleinere Wohnungen entstehen, steigt die Wohnfläche pro Person kontinuierlich. 40,35 Quadratmeter beträgt sie laut städtischer Statistik 2024, das IW kam 2023 schon auf 41,7 Quadratmeter in Köln. Das sind je nach Berechnung ein bis zwei Quadratmeter mehr pro Kopf als vor fünf Jahren. Laut Oberst liegt das am „Remanenzeffekt“ beim Wohnen, der sich aktuell verschärfe: Menschen bleiben in Wohnungen, die eigentlich zu groß für sie geworden sind, etwa nachdem die Kinder ausgezogen sind. „Dafür sprechen nicht nur emotionale Gründe. Die Neuvertragsmieten liegen mit großem Abstand über Bestandsmieten.“ Wer in eine kleinere Wohnung umziehen will, müsste trotzdem mehr Miete zahlen, das ist unattraktiv.
Die Wohnfläche pro Kopf variiert je nach Stadtbezirk. Am wenigsten Platz haben im Schnitt die Kalker: Sie leben auf 36 Quadratmetern pro Kopf. Nur wenig mehr weisen Mülheim und Ehrenfeld auf. Am meisten Platz haben Lindenthaler mit 47 Quadratmetern Wohnfläche pro Person im Schnitt, gefolgt von Rodenkirchenern (45).
Wo führt das hin?
Wegen des knappen Wohnungsangebots und hoher Kosten ziehen vor allem junge Familien aus Köln weg. Sie mit entsprechend großen Neubauwohnungen zu halten, war bislang ein Fokus der Stadt. Daran will Baudezernent Greitemann auch weiter festhalten, sagt aber: „Der zweite Fokus ist, eben auch Wohnungen für Senioren oder Seniorenwohnheime unterzubringen. Babyboomer wachsen jetzt in diese Altersgruppe herein.“ 2024 hatten tatsächlich 517 der fertiggestellten Wohnungen drei Zimmer, also die meisten. Danach kamen 457 Zwei-Zimmer-Wohnungen. Die Genehmigungen zeigen allerdings, dass in den kommenden Jahren vor allem kleinere Wohnungen neu auf den Markt kommen werden. Ein Viertel der Wohnungen, die die Stadt 2024 genehmigt hat, haben zwei Räume und ein weiteres Viertel nur einen Raum.