Zehn AdressenAn diesen Kölner Orten hat Heinrich Böll Spuren hinterlassen

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Böll Kombo

Heinrich Böll hat in Köln zahlreiche Spuren hinterlassen.

Köln – Heinrich Böll ist oft umgezogen. Wir haben nachgeschaut, wie es heute dort aussieht, wo er früher gewohnt hat. Dazu veröffentlichen wir Texte des Schriftstellers, die einem aktuellen Antrag aus dem Kölner Rat entnommen sind. Das darin formulierte Ziel ist es, Bölls Spuren in der Stadt deutlicher sichtbar zu machen.

Teutoburger Straße 26 (1917-1922)

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Teutoburger Straße 26

In der Teutoburger Straße hatten wir schön gespielt: im Römerpark, im Hindenburgpark, meistens auf der Straße, auf dem Bordstein sitzend, mit den Füßen in der Gosse, noch zu klein, um Hüpfen zu spielen, doch groß genug, um Ball zu spielen, zum Ärger jenes Herrn, der Kinder so wenig mochte wie Bälle und schlicht „Ballabnehmer“ genannt wurde (...) Sie (die Teutoburgerstraße) lag nicht weit vom Rhein; im Herbst lag auf der Uferpromenade das Laub kniehoch, im Frühjahr stand dort Hochwasser ...“ (Text von 1965)

Krenznacherstraße 49 (1922-1930)

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Kreuznacherstraße 49

Als ich vier Jahre alt war, zogen wir aus der Vorstadt in einen noch halb ländlichen Vorort. (...) Acht Jahre lang wohnten wir in dieser Straße, die von zwei „Lagern“ bestimmt war, dem bürgerlichen und dem sozialistischen (das waren damals noch wirkliche Gegensätze!), oder von den „Roten“ und den „besseren Leuten“. Ich habe nie, bis heute nicht begriffen, was an den besseren Leuten besser gewesen wäre oder hätte sein können.“ (1965)

Ubierring 27 (1930-1931)

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Ubierring 27

Unser Haus im Grünen musste verkauft werden, und es blieb kein Pfennig von der Kaufsumme übrig. Wir waren verstört, zogen in eine große, zu große Wohnung am Ubierring in Köln, der damaligen Werkschule gegenüber. Gerichtsvollzieher, Gerichtsvollzieher, Kuckuck über Kuckuck. Wir rissen sie, solange sie noch frisch waren, ab, missachteten diese vorläufige Besitzergreifung; später ließen wir sie, gleichgültig geworden, kleben, und es kam vor, dass es an manchen Möbelstücken (...) „Kuckucksnester“ gab. (1977)

Maternusstraße 32 (1931-1936)

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Maternusstraße 32

Wir wohnten nach einem weiteren Umzug innerhalb von zwei Jahren in der Maternusstraße Nr. 32, hatten uns gegenüber die triste Rückfront der damaligen Maschinenbauschule, waren immerhin nicht sehr weit vom Rhein entfernt, und vom Erkerfenster aus konnten wir das gotisierte dreigiebelige Lagerhaus der „Rhenus“ sehen, das ich immer und immer wieder aquarellierte. Gleich um die Ecke den Römer-, nicht weit davon den Hindenburgpark (...). (1982)

Karolingerring 17 (1936-1942)

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Karolingerring 17

So zogen wir im Jahr 1936 – zum dritten Mal innerhalb von sechs Jahren (es war der letzte Umzug des elterlichen Haushalts, den Rest besorgten die Bomben) – noch einmal um, und auf „der Flucht nach vorn“ in eine etwas teurere Gegend, zum Karolingerring, in eine Wohnung, die dreißig Jahre vorher als „hochherrschaftlich“ gebaut worden war. (...) Wir hatten den verrückten, vielleicht sogar kriminellen Wunsch, zu leben und zu überleben. Wir schlugen uns durch. (1982)

Kleingedankstraße 20 (1942)

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Kleingedankstraße 20

Die beiden Kriegswohnungen, die ich nie so recht bewohnt habe, lagen beide Parks gegenüber; die erste, am Volksgarten, hatte hohe Räume, altmodische Stuckdecken, schöne Möbel und – das war das wichtigste – ein Telefon. (...) Ich habe also nie in der Wohnung gewohnt, aber oft dort angerufen, um wenigstens die Stimme zu hören, über verbotene Leitungen, die ich durch Überredung oder Bestechung öffnete. (Text von 1966; die Kleingedankstraße 20 ist heute die Volksgarten Str. 44a)

Neuenhöfer Allee 38 (1942-1945)

Neuenhöfer Alle

Neuenhöfer Allee

In unsere zweite Wohnung bekamen wir kein Telefon mehr genehmigt; ich glaube, wir hatten sie drei Jahre „inne“, und es mag sein, dass ich eineinhalb bis zwei dutzendmal dort geschlafen habe. Nach einigen Versuchen, dort so etwas wie Wohnung zu finden, mieden wir sie; jedes mal, wenn wir uns dort trafen, war ein besonders schwerer Bombenangriff fällig; wir fegten Glasscherben und Putz zusammen und fuhren am Morgen dann so rasch wie möglich in das Ahrweiler Hotel, wo wir (...) provisorisch wohnten.  (1966)

Schillerstraße 99 (1945-1954)

Schilerstraße

Schillerstraße 99

Wir begannen in einem Trümmerhaus in der Schillerstraße in Köln-Bayenthal – schlichtweg als Hausbesetzer, wurden später zu Instandbesetzern. (...) Es war ein harter Winter, und wir schliefen, meistens zu fünfen, darunter mein fünfundsiebzigjähriger Vater, der des Landlebens überdrüssig war, gelegentlich auch zu sieben im späteren Schlafzimmer auf Pritschen, die aus geklauten Türen und Balken zurechtgezimmert waren. (1981)

Belvederestraße 35 (1954-1969)

Der Vorort, in dem wir wohnen, ist immer noch Dorf. Kaum fünf Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, erhält sich die Dörflichkeit aus geographischen Gründen. Jedenfalls im oberen Teil des Dorfes. Im Osten und Süden ist es durch zwei sehr verkehrsreiche Straßen fast wie durch Stacheldrahtverhaue geschützt, im Westen durch einen Grünstreifen, der nicht bebaut werden darf, im Norden durch die Bahnlinie Köln-Aachen, über die nur eine einzige schmale Brücke führt.(1965)

Hülchrather Straße 7 (1969-1982)

Hülchrather Stra

Hülchrather Sraße 7

Der Stadtteil ist zum größten Teil nach 1890 erbaut; Zeit einer ersten Bodenspekulation; Jugendstilfassaden, die Straßennamen klingen noch nach dem Triumph, der damals erst zwanzig Jahre zurücklag und noch frisch im Ohr klang: Sedan, Wörth, Beifort, Weissenburg. (...)  Aus der Schein-Individualität, der in Wirklichkeit total genormten Weekend-Gartenaktivität des Vororts im Grünen, zurück in die Anonymität, oder sollte man sagen: Urbanität? (1972)

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