Koran „zum Nachteil der Frauen ausgelegt“

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Er sei dem Menschen näher als die Halsschlagader, lautet eine Selbstaussage Allahs im Koran. Fast schwärmerisch zitierte Rabeya Müller diese Stelle aus Sure 50, um gleich darauf eine andere Eigenschaft des islamischen Gottes hervorzuheben: Er sei nicht ausschließlich Moslems, sondern jedem Menschen zur Barmherzigkeit verpflichtet. Theologin Müller, die vor 30 Jahren zum Islam fand, ist Leiterin des Instituts für Internationale Pädagogik und Didaktik Köln und stellvertretende Vorsitzende des Zentrums für islamische Frauenforschung und Frauenförderung. Gestern führte sie im Rahmen der Interkulturellen Woche eine Gruppe in Mülheim durch die Keupstraße, die als „Klein-Istanbul“ bekannt ist, und besuchte mit ihnen anschließend die Ömer-Ul Faruk-Camii, die sie als „typische Hinterhofmoschee“ bezeichnete. Allein drei solcher Einrichtungen gibt es in der Straße, zwei davon sunnitischer, die dritte schiitischer Prägung.

Im Gebetsraum wurden die Gäste vom Vereinsvorsitzenden Sükrü Alparslan empfangen und ließen sich die Ausstattung des Saals, der auch als Ort von Versammlungen und Unterweisungen dient, und die „fünf Säulen des Islam“ erklären. Mit Blick auf das „Geschlechterverhältnis“ sagte Rabeya Müller, es gebe eine große Diskrepanz zwischen dem, was der Koran - der nicht pauschal als frauenfeindlich zu kritisieren sei - „als Möglichkeiten vorgibt“, und dem, was traditionell als „islamisch“ verstanden werde.

„Mehrdeutige Verse“

Sie räumte ein, dass viele der „mehrdeutigen Verse“ des Buchs „zum Nachteil der Frauen ausgelegt“ worden seien. Gerade die zweite Generation der muslimischen Migranten - Kinder „einfacher Arbeiter“ - könne schwer unterscheiden, was „ethnische und was muslimische Tradition ist“. Umso wichtiger sei ein „adäquater islamischer Religionsunterricht“. Einfach die Religion aufzugeben sei keine Lösung für die moslemischen Frauen, denn: „Vielen ist der Koran sehr wichtig.“

Beim Gang durch die Keupstraße, vor Geschäften und Restaurants, wurden die Eigenheiten der anderen Kultur augenfällig - von den Kostümen, die Jungen zwischen sieben und zehn Jahren tragen, wenn sie beschnitten werden, bis zum Goldschmuck, der für die finanziell absichernde „Morgengabe“ türkischer Bräute wichtig ist. Rabeya Müller: „Wir würden es begrüßen, wenn mehr muslimische Frauen einen Ehevertrag abschließen würden, in dem der Geldbetrag festgelegt ist.“

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