Acht-Brücken-FestivalJean-Guihen Queyras brilliert

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Queyras

Jean-Guihen Queyras

Köln – Die meisten Kammerorchester spielen Werke vom Barock bis zur Klassik und nur ausnahmsweise neue Musik. Gerade umgekehrt ist das Verhältnis beim Hamburger Ensemble Resonanz. Die vornehmlich auf Musik des 20. und 21. Jahrhunderts verlegten 20 Streicher interpretieren Musik des Vorklassikers Carl Philipp Emanuel Bach mit hörbarer Könnerschaft und Mut beim Akzentuieren von Kontrasten.

Doch bleibt ihr Spiel mit den modernen schweren Bögen und Stahlseiten zu hart und wenig flexibel gemessen an der virtuosen Figurationskunst von Spezialensembles für historische Aufführungspraxis, die mit leichten, flinken Barockbögen auftreten.

Überragender Solist

Während die vierte Hamburger Sinfonie des zweiten Bach-Sohnes nicht recht zünden wollte, geriet dessen frühes Konzert für Violoncello und Streicher umso eindrücklicher, nicht zuletzt dank des überragenden Solisten Jean-Guihen Queyras.

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Die hoch expressive Musik besteht aus abrupten Wechseln von kantigen Tutti-Unisoni, flirrenden Allegro-Passagen, weichem Cantabile sowie schroffen Gegensätzen von Dynamik und Tempi. Schnelle konzertierende Wechsel stacheln die fiebrige Solopartie zu Höhenflügen an, lassen sie aber letztlich frei und losgelöst wie ein Vogel über der zerklüfteten Landschaft flattern und segeln.

Als Zugabe eine ukrainische Volksweise

Queyras gehört zu den Ausnahmemusikern, die mit sämtlichen Fasern ihres Geistes und Körpers zu einer ebenso minutiösen wie gestisch sprechenden Mensch-Instrument-Einheit verwachsen sind. Als Zugabe spielte der jungenhaft wirkende 55-jährige Franzose eine ukrainische Volksweise, die er nahtlos in die klagende Sarabande von Johann Sebastian Bachs d-Moll-Solosuite münden ließ.

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Wie Musik klingt, wenn man ihr die intendierten Tonhöhen amputiert, demonstriert die 1979 geborene italienische Komponistin Francesca Verunelli. Ihre Stücke stellen eben jene ephemeren Geräuschanteile heraus, die man beim Streichen, Blasen, Greifen, Ein- und Ausschwingen üblicherweise tunlichst zu vermeiden sucht, die aber dennoch unweigerlich entstehen und die man in der Regel als belebende Tonfärbungen zurechthört.

Extrem reduzierte Dynamik 

Doch Verunelli deutet diese ephemeren Nebenklänge nun zur eigentlichen Hauptsache um. In ihrem uraufgeführten „In margine“ überlagert sie Töne und Akkorde durch mikrotonale Schwebungen und Obertöne. Spitzentöne werden jenseits des Griffbretts bis zum Pfeifen und Quietschen forciert.

Extrem reduzierte Dynamik lässt das leise Schaben des Bogens auf den Saiten hervortreten, so dass die Instrumente zu hauchen beginnen. Bei springenden Bögen meint man im Zeitraffer Steine zerbröseln zu hören. Die Klänge haben alle ihren eigenen Reiz und verbreiten doch ein Gefühl von Melancholie und Vergänglichkeit: wie ein tönendes Stundenglas.

Anrührend naiv

Die Uraufführung dieses Auftragswerks von Acht Brücken dirigierte Ondřej Adámek. Der tschechische Komponist und Dirigent agiert mit der ungelenken Glut eines begeisterten Überzeugungstäters. Die spröde Eigenheit seines ebenso passionierten wie hausbackenen Auftretens ist durchaus einnehmend und charmant.

Doch was man als erfrischend unakademisch feiern kann, verrät auch die Begrenztheit der dirigentischen und kompositorischen Mittel. Adámeks eigenes Stück „Illusorische Teile des Mechanismus“ – im Januar in Dortmund uraufgeführt – besteht aus einer Reihung netter Effekte von entwaffnender Direktheit und teils anrührend naiven Spielereien mit Raum und Szene.

Doch über weite Strecken verliert sich die halbstündige Komposition in ermüdenden Wiederholungen derselben Gesten und Klänge.

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