Arp Museum RolandseckWie sich im „Kosmos Arp“ die Geschlechterrollen auflösen

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Sophie Taeuber-Arp schaut in dei Kamera, ein Auge wird von einem beklebten Puppenkopf verdeckt.

Sophie Taeuber-Arp mit Dada-Kopf (1920). Das Werk der Künstlerin ist im Arp Museum Rolandseck zu sehen.

Selbst im gemeinsamen Arp-Museum stand Sophie Taeuber lange im Schatten ihres Mannes Hans Arp. Die neue Sammlungspräsentation will daran etwas ändern. 

Es gibt in der modernen Kunstgeschichte etliche berühmte Künstlerpaare, aber auch unter ihnen waren die Rollen erstaunlich lange klar verteilt: Er war berühmt und sie die Mitgift. Das galt wie selbstverständlich auch für Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, ein Ehepaar, das erst gemeinsam dada wurde und später dabei half, die Kunst von den Fesseln der Gegenständlichkeit zu befreien. Allerdings gehörte Hans Arp nicht zu den Avantgardisten, die ganz zufrieden mit dem Schattendasein ihrer besseren Hälften waren.

Ob Hans Arp emanzipierter war als seine Zeitgenossen oder ob ihn das schlechte Gewissen trieb, wusste wahrscheinlich nur er allein. 1942 war das Ehepaar auf der Flucht vor den Nazis aus Frankreich in die Schweiz gereist. Hier besuchten die beiden den Designer Max Bill, es wurde spät, und der Gastgeber bot ihnen an, bei ihm zu übernachten. Eine Weile diskutierten die Eheleute darüber, wer sein Lager im beheizten Wohnzimmer aufschlagen darf und wer mit dem bitterkalten Gästezimmer vorliebnehmen muss. Hans Arp obsiegte und Sophie Taeuber fügte sich. In der Nacht muss sie versucht haben, den Ofen in ihrem Zimmer in Betrieb zu nehmen. Es gelang ihr nicht, sie ging zurück ins Bett und wachte, vergiftet von Kohlenmonoxid, nicht mehr auf.

Hans Arp konnte sich Sophie Taeubers tragisches Ende nicht verzeihen

Hans Arp irrte nach diesem Unfall für Monate durch die Schweiz – niemand wusste, wo er war. Bis zu seinem Tod im Jahr 1966 konnte er sich Taeubers tragisches Ende nicht verzeihen und betonte bei vielen Gelegenheiten, den großen Anteil seiner Frau am eigenen Werk. Überprüfen ließ sich das allerdings schon deswegen nicht, weil niemand auf die Idee kam, beider Werke gleichberechtigt nebeneinander auszustellen – auch in jenem Museum nicht, das den Namen der Eheleute trägt.

Zwar betonte schon Oliver Kornhoff, langjähriger Direktor des Arp Museums Rolandseck, stets, dass sowohl Hans als auch Sophie die  Hauspatrone sind – und bezeugte dies mit einer großen Taeuber-Arp gewidmeten Einzelschau. Aber erst jetzt, bald 16 Jahre nach seiner Eröffnung, präsentiert das Haus die beiden Künstler tatsächlich als modernes Künstlerpaar. In der neuen Sammlungspräsentation „Kosmos Arp“ sind seine und ihre Werke beinahe gleichberechtigt über die Räume verteilt, und nicht selten sieht man auf einen Blick, wie sich die Eheleute gegenseitig animierten - und wo sie lieber getrennte Wege gingen.

Ein abstraktes Bild aus geometrischen Formen und verschiedenen Rottönen.

Eine „Komposition mit Schrägen und kleinem transparentem Kreis“ von Sophie Taeuber Arp

Die Unterschiede lassen sich am einfachsten an den Arbeitsstoffen ablesen. Während sich Hans Arp über Papiercollagen und Reliefs an jene naturwüchsigen Skulpturen herantastete, für die er heute weltberühmt ist, setzte Sophie Taeuber die geometrischen Motive ihrer Bilder mit Vorliebe auf Textilien. Sie ließ große, abstrakte Wandteppiche weben, schreckte aber auch nicht davor zurück, ihre Entwürfe auf Kaffeewärmern, Kissenplatten oder Glasperlenbeuteln zu verewigen. Taeuber akzeptierte die Trennung zwischen bildenden und angewandten Künsten nicht, sie wollte auch die Alltagswelt verschönern und dadurch revolutionieren. In dieser Hinsicht war Hans Arp deutlich konservativer, auch wenn er in der Sammlung mit einem Miniaturteppich vertreten ist.

Auch das Hausfrauliche war wohl seine Sache nicht, das Weibliche dafür aber schon. Mit ihren sanften, geschwungenen Formen wirken seine Objekte jedenfalls deutlich femininer als Taeubers kantige Raumlehre. Sie bediente sich fast ausschließlich in der Geometrie, bei Quadraten, Dreiecken, Kreisen und Halbkreisen, die sie nach Belieben variierte und mithilfe von Farbrhythmen tanzen ließ. Taeuber hatte eine Ausbildung als Ausdruckstänzerin absolviert, aber auch ihre späteren Marionetten wirken maskulin wie Nussknacker. Im Grunde ist ihr Werk höhere, weil zum Künstlerischen hin aufgelöste Mathematik, und die chronologisch geordnete Ausstellung eine Einladung zum Rollentausch.

Das Schlusskapitel gehört Hans Arp dann allein. Aber auch hier findet sich ein Werk, das man als Abschiedsgruß an die verstorbene Ehefrau verstehen kann. Zwei Jahre vor seinem eigenen Tod gab Arp einen großen Teppich in Auftrag. Das Motiv darauf ist ganz seins. Und doch führt er unweigerlich zum Anfang zurück, zur gemeinsamen Arbeit der Eheleute an einer Welt, die ihr Glück findet, indem sie sich in der künstlerischen Fantasie verliert.


„Kosmos Arp. Sophie Taeuber-Arp und Hans Arp – ein Künstlerpaar der Avantgarde“, Arp Museum Bahnhof Rolandseck, Remagen, Di.-So. 11-18 Uhr.

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