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Asasello-QuartettWer neue Musik nicht kennt, schätzt auch die alte nicht

Lesezeit 3 Minuten
Die Mitglieder des Asasello-Quartetts stehen schräg hintereinander aufgereiht vor einer Wand.

Die Mitglieder des Asasello-Quartetts

Das Asasello-Quartett startet seine neue Konzertreihe im Kölner Sancta-Clara-Keller mit Werken aus drei Jahrhunderten. 

Wenige Streichquartette sind so vielseitig wie das Asasello-Quartett. Die Formation gründete sich 2000 an der Musikhochschule Basel beim legendären Primarius des LaSalle Quartetts Walter Levin und studierte von 2003 bis 2006 in der Meisterklasse des Alban Berg Quartetts an der Hochschule Köln. Die seitdem hier ansässigen Mitglieder verstehen sich als „europäisches Ensemble“, denn sie stammen aus Russland, der Schweiz, Polen und Finnland, spielen Quartettliteratur aus der ganzen Welt und kombinieren beziehungsreich Musik unterschiedlicher Regionen, Epochen und Stilistiken.

Nach der Gesamteinspielung der vier Quartette von Arnold Schönberg bringt die Formation aktuell sämtliche fünfzehn Streichquartette von Dimitri Schostakowitsch auf CD heraus. Mit der Konzertserie „Sputnik DSCH“ hatte man von 2022 bis 2024 im Museum für Angewandte Kunst Köln die Musik des 1975 verstorbenen Komponisten mit hierzulande kaum bekannte anderen Quartetten aus der damaligen Sowjetunion kontextualisiert. Nachdem die Asasellos bei „1:1“ im Sancta-Clara-Keller je ein Werk von neuer Musik und klassisch-romantischem Repertoires gegenübergestellt hatten, eröffnete die vielfach preisgekrönte Formation dort nun ihre neueste Konzertreihe „Wir und die Schöne Neue Welt von Gestern“.

Das Asasello-Quartett macht Heutiges im Zusammenhang der Tradition erfahrbar

Die Konzerte bieten je ein Werk aus den 1820er, 1920er und 2020er Jahren. So werden heutige Quartette im Zusammenhang der Gattungstradition erfahrbar und Werke der Tradition als neue Musik der Vergangenheit erlebbar. Das Asasello-Quartett vermittelt so einmal mehr die Einsicht: Wer neue Musik verstehen will, soll auch alte hören, und wer von neuer Musik nichts wissen will, versteht auch von der alten nichts, weil er das Innovationspotential verkennt, das diese einst zur neuen Musik ihrer Zeit machte.

Den Startschuss gaben die „Fünf Stücke für Streichquartett“ von Alfredo Casella. Die 1920 entstandene Suite beginnt mit einem „Allegro vivace e barbaro“ voll energetischer Motorik und Repetitionen, die wie Zahnräder ineinander greifen und die aufgebaute Spannung plötzlich in heftigen Tutti-Schlägen entladen. Im bunten Reigen folgen ein sanftes Wiegenlied, eine witzige Walzer-Parodie, eine Hybridform aus Notturno, Lento, Grave und Funebre sowie ein ironisch überzeichneter „Foxtrott“. Die Gegenwart 2025 vertrat „Húr-tér II“ (Saitentraum) von Márton Illés. Die vier Spielenden fahren schnell mit Bögen und Fingern über die Saiten, doch es erklingt nur leises Wispern. Erst unter zunehmendem Bogendruck wird ein lautstarkes Durcheinander wie bei einem Polittalk im Fernsehen hörbar, wo alle Monologisieren, statt aufeinander einzugehen.

Den Schlusspunkt setzte Beethovens spätes Quartett B-Dur op. 130. Die klassischen vier Sätze sind hier auf sechs erweitert und die üblichen Formen durch extrem kontrastierende und hart montierte Themen gesprengt. Dem launigen Kopfsatz folgen drei kürzere Sätze zwischen volkstümlicher Leichtigkeit und hoch artifizieller Virtuosität. Dem instrumentalen Gesang der „Cavatina“ folgt mit voller Härte als ursprüngliches Finale „Die Große Fuge“, die bei der Uraufführung 1826 auf völliges Unverständnis stieß und von Beethoven auf Anraten seines Verlegers durch einen anderen Schlusssatz ersetzt wurde. Das Asasello-Quartett mit Hannah Weirich als Aushilfe an der zweiten Geige gestaltete die dissonanten Schroffheiten der strengen Satztechnik ebenso kraftvoll wie die koketten Tändeleien. Eine packende Aufführung.


Die nächsten Konzerte der auf drei Jahre angelegten Konzertreihe im Sancta Clara Keller folgen am 13. Juni, 12. September und 5. Dezember.