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Ausstellung in BonnWarum Josephine Baker der erste schwarze Weltstar war

4 min
Das Bild ist schwarz-weiß. Hinter Josephine Baker wirft ihr Schatten ihre Silhouette auf eine helle Wand. Sie sitzt auf einem Bett.

Josephine Baker (1906-1975) im Jahre 1940.

Was ein Bananenrock mit Emanzipation zu tun hat? Eine Schau in der Bonner Bundeskunsthalle verrät es.

Wie ein Ufo sei sie damals in Paris gelandet, heißt es in einer Dokumentation über Josephine Baker. Habe alle Codes des alten Europas verletzt. Der Film wird am Ende der Ausstellung über den ersten schwarzen Weltstar gezeigt, die jetzt in der Bonner Bundeskunsthalle zu sehen ist.

Am Anfang der Schau läuft ein anderer Loop auf violetter Wand: Die junge Baker, wie man sie kennt und erinnert, halbnackt den um die Hüfte gebundenen Bananenrock schwingend. So tanzte sie erst als Teil der „Revue négre“ im Théâtre des Champs-Élysées – der Maler Fernand Léger hatte dessen Impresario vorgeschlagen, eine Show mit ausschließlich schwarzen Künstlern auf die Bühne zu bringen. Und kein Jahr später in den Folies Bergère, diesmal als Hauptattraktion.

Nur: ist das nicht alles furchtbar rassistisch? Bedient Baker, kaum dass sie der Armut, Ausgrenzung und Demütigung in ihrer amerikanischen Heimat entkommen ist, hier nicht selbst die schlimmsten Vorurteile der europäischen Kolonisten? Der zum Grotesk-Stammestanz umfunktionierte Charleston? Die Schamlosigkeit eines von Rousseau halluzinierten Naturzustands? Die angebliche sexuelle Verfügbarkeit? Und ausgerechnet Bananen, wie sie noch ein Jahrhundert später von rassistischen Fußball-Proleten im Stadion schwarzen Profispielern vor die Füße geworfen werden?

Aber dann schaut man sich die kurze Filmschleife noch einmal an: Wie die Baker sogar mit den Augen tanzt, erotischen Fantasien aufziehpuppenhafte Clownerien entgegensetzt, wie sie den afrikanischen Aneignungen weißer Künstler, die glaubten, mithilfe geraubter Statuen und Masken ihrer kränkelnden Zivilisation entfliehen zu können, den eigenen Afrofuturismus entgegenhält: Ihr Körper ist die Moderne selbst, er quetscht und streckt sich wie der einer Trickfilmfigur im Rausch des Jazz, die Oberschenkelmuskeln sprungbereit. Ihr eierrunder Kopf ist kubistisch, ihre Stirnlocke purer Art déco, wie das Théâtre des Champs-Élysées in dem sie so glanzvoll reüssiert.

Für Pablo Picasso ist Josephine Baker die Nofretete ihrer Epoche

Pablo Picasso nennt sie die Nofretete ihrer Epoche, Alexander Calder formt sie als bewegliche Drahtskulptur, Paul Klee porträtiert sie in schüchterner Umrisszeichnung, Henri Matisse im wandhohen Scherenschnitt, Adolf Loos entwirft ihr eine Wohnstatt, Max Reinhardt möchte sie engagieren, Harry Graf Kessler schreibt ihr ein Ballett, George Simenon dient sich ihr als Sekretär und Liebhaber an. Es sind freilich nicht nur die Künstler, die sich von Josephine Baker elektrisieren lassen, wo immer sie in Europa gastiert, wird sie von verzückten Massen bedrängt, und von konservativen Kräften ebenso heftig zurückgewiesen. In Wien läuten Kirchenglocken, um sittsame Katholiken vor der „schwarzen Teufelin“ zu warnen.

Schon ein kursorischer Blick auf die in Bonn präsentierten Statuetten, Zeitungsberichte, Schaufensterfiguren und Modestrecken genügt, um sich vom Superstar-Status der Baker zu überzeugen. Dazu kommen noch Kosmetikprodukte („Baker-Oil“), die ihren Namen tragen, Schallplatten, in die ihre Stimme geritzt ist und das Zelluloiddrama „Zouzou“, in dem sie an der Seite Jean Gabins als erste schwarze Hauptdarstellerin der Filmgeschichte zu sehen ist.

Zu Bakers Erbinnen gehören Grace Jones, Diana Ross und Beyoncé

Gezeigt werden auch ihre medialen Töchter und Enkel: Naomi Campbell, Grace Jones, Diana Ross, Beyoncé und Rihanna. Sie alle haben sich im Bild der Baker gespiegelt, und die erstaunliche emanzipatorische Kraft des Bananenrocks ausprobiert.

Freilich erzählt die von Mona Horncastle und Katharina Chrubasik kuratierte Ausstellung noch eine andere Geschichte: die der französischen Nationalheldin. Während sie in Europa auf Händen getragen wird, verweigert man ihr in den USA Hotelzimmer, hier ist sie nur eine Bürgerin zweiter Klasse. Sie wird Französin. Als Hitler ihre Wahlheimat überfällt, schließt sie sich der Résistance an, nutzt ihren Ruhm, um den Feind auszuspionieren – geheime Kommuniqués findet man in den Vitrinen.

Später zieht sich Baker auf das Schloss Les Milandes in der Dordogne zurück, adoptiert zwölf Kinder aus Waisenhäusern aller Kontinente, ihr „Regenbogenstall“, ihre Vision einer Welt universaler Werte. Als Martin Luther King Jr. zum Marsch auf Washington ruft, ist sie die einzige Rednerin, sie trägt die Uniform der französischen Armee.

Das letzte Exponat: Ein Federtraum von einem Abendkleid in Rosé und milchigem Weiß. Josephine Baker trug es im Bobino-Theater zu ihrem 50-jährigen Bühnenjubiläum. Vier Tage später, am 12. April 1975, starb sie an den Folgen einer Gehirnblutung. 2021 erhielt sie als erste schwarze Frau ein Ehrengrab im Pariser Panthéon. Eine Keramikvase, aus diesem Anlass kreiert, besteht aus lauter Bananen, die stolz in die Höhe ragen.

„Josephine Baker – Freiheit, Gleichheit, Menschlichkeit“ bis 24. 9. 2023 in der Bundeskunsthalle