Die Kölner Galerie Nagel/Draxler zeigt hyperrealistische Stadtlandschaften des US-Künstlers Sayre Gomez - altmeisterlich gesprühte Bilder einer menschenleeren Welt.
Ausstellung in KölnSo nah war die Apokalypse schon lange nicht mehr

„Dark Comedy“ von Sayre Gomez ist derzeit in der Kölner Galerie Nagel/Draxler zu sehen.
Copyright: Studio Sayre Gomez.
An den gleißenden Farben des Landschaftsmalers Sayre Gomez hätten die Romantiker ihre wahre Freude gehabt - jedenfalls die Lebensmüden unter ihnen. Wenn bei Gomez die Sonne im Meer versinkt, leuchtet der Horizont wie eine auf den Betrachter zurollende Feuerwalze, und der Himmel über Los Angeles strahlt abends in giftigen, vor Elektrosmog vibrierenden Lilatönen. Im Grunde ist dies klassische Stimmungsmalerei, nur zeigt sie eine dem Untergang geweihte Welt.
Man könnte die giftigen Farben, den Müllberg am Strand, die Reklametafeln oder das rußige Himmelsblau mit Hubschrauber und Lastwagen einfach dem beliebten Los-Angeles-Klischee zuschlagen – so wie eine New Yorker Galerie, die ihrer Sayre-Gomez-Ausstellung den Titel „Apokalypse Porn“ verlieh. Aber das würde zu kurz greifen, denn auch andere Städte flirren in der Sommerhitze oder ersticken an den allgegenwärtigen Werbeversprechen der Konsumgesellschaft. Die Gomez-Schau in der Kölner Galerie Nagel/Draxler heißt deswegen einfach „Landscapes“, Landschaften. Los Angeles ist überall.
Mit der Sprühpistole gelingen Sayre Gomez verblüffende Details
Sayre Gomez malt seine Stadtlandschaften nach Fotografien, mit Ausschnitten, die nach klassischen Maßstäben immer leicht verrutscht erscheinen. Bei Nagel/Draxler sieht man von Los Angeles vor allem Stromleitungen und Werbetafeln, ein paar verlorene Palmen, Autoblech, eine verblichene Silhouette und ein Strandbild mit leck geschlagenem Einkaufswagen. All das taucht Gomez in einen Hyperrealismus, der, obwohl mit Acrylfarbe aus der Spritzpistole erzeugt, etwas Altmeisterliches hat.
Gomez beginnt seine Großformate meist mit einer detailreichen Unterzeichnung und füllt die „Lücken“ danach mithilfe einer Vielzahl von Schablonen aus. Die Fotovorlagen schimmern weiterhin durch: Manches ist gestochen scharf, anderes versinkt im gemalten Unschärfebereich der Kamera. Aber alles ist virtuos. Wahrscheinlich würden manche Malerkollegen nur zu gerne wissen, wie Gomez der untergehenden Sonne auf einem seiner Bilder diesen unheimlichen Glorienschein verliehen hat und wie man das Summen der Stromkabel mit der Sprühpistole in ein sanftes violettes Leuchten übersetzt.
Die Werke der Kölner Ausstellung stammen allesamt aus diesem Jahr, was vielleicht erklärt, warum sie sich lediglich zu einem halben Dutzend addieren. Aber für den Weltuntergang kann man sich gerne etwas mehr Zeit lassen, zumal dieser derart verführerisch angeschlichen kommt. Man könnte beinahe auf den Gedanken kommen, dass es dem humanoiden Frosch im allmählich erhitzten Klimakochtopf doch eigentlich ganz prima geht – bis er dann plötzlich gar ist. Menschen sucht man jedoch vergeblich auf diesen Landschaften. Gomez entwirft aus gegenwärtigen Bildern eine zukünftige Welt, in der nur noch unsere Hinterlassenschaften von der menschlichen Existenz erzählen.
„Sayre Gomez: Landscapes“, Galerie Nagel/Draxler, Köln, Elisenstr. 4-6, Mi.-Fr. 11-18 Uhr, Sa. 11-16 Uhr, bis 19. August.