Museum für Ostasiatische KunstBesser, man stellt sich mit diesen Göttern gut

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Die Skulptur eines flötenden Gottes steht von Zen-Gemälden mit schwarzen Schriftzeichen auf weißem Grund.

Geflügelte Karura-Figur in der neuen Japan-Präsentationdes Kölner Museums für Ostasiatische Kunst

Das Kölner Museum für Ostasiatische Kunst präsentiert seine Japan-Sammlung so prominent wie selten zuvor - kalte Schauer des Entzückens inklusive.

Die japanischen Sommer sind heiß, so heiß, dass sich die Menschen dann Geistergeschichten erzählten – jeder kalter Schauer war willkommen, dankbar befühlte man die an Armen und Beinen prickelnde Gänsehaut. Verlorene Seelen gab es vor allem im August, wenn die Grenze zur Geisterwelt besonders dünn wurde. Sie schlüpften, gefangen zwischen Erde und Jenseits, durch die durchlässig gewordene Atmosphäre und suchten gerne einsame Wanderer heim.

Auch die Kölner Sommer fühlen sich mittlerweile sehr japanisch an. Aber das war nicht der Grund, weshalb Bas Verberk, Japan-Kurator des Museums für Ostasiatische Kunst, sein Fachgebiet derzeit so prominent wie selten ausbreitet. Nachdem eine Sonderausstellung ins kommende Jahr verschoben werden musste, gähnten die Besucher des Museums mehrere leere Säle an. Innerhalb zweier Monate, so Verberk, entstand die schlicht „Japan“ betitelte Sammlungspräsentation mit jahreszeitlichem Finale. Der Weg dorthin führt durch die japanische Götter- und Geisterwelt.

Ich möchte mit unserer Sammlung eine Geschichte erzählen
Bas Verberk

„Ich möchte mit unserer Sammlung eine Geschichte erzählen“, sagt Verberk, und dass er gerne die Anfänge an den Anfang stellt. In der japanischen Kunst sind dies die Lehren des Shintoismus, der vor allem die Natur, aber auch Menschen und Dinge mit einer göttlichen Gegenwart beseelt. Am Eingang der Ausstellung steht der mächtige Donnergott Raijin, der den Regen beherrscht und über den Ernteertrag entscheidet. Der Kölner Raijin ist die Nachbildung einer in Japan berühmten Tempelfigur, aber selbst die Replik schaut angemessen ehrfurchtgebietend auf uns herab. Offenbar war er ein Gott, mit man sich besser gut stellte. Doch Rajin konnte auch gütig sein, etwa indem er mit einem gezielten Regenschauer Brände löschte.

Die Beseelung der Welt habe Japan zu einer Aufbewahrkultur gemacht, sagt Verberk. Man werfe nichts weg, weil möglicherweise ein verborgener Gott darin wohne. Für Museumskuratoren ist das ein Schlaraffenland, und von diesem Überfluss profitiert nun auch das Kölner Publikum. Man erkennt dies selbst an „kleineren“ Werken: einem schönen Hängebild, auf dem sich ein prächtiges Pferd als Opfertier aufdrängt, oder einer Stellwand, die Wind und Regen mit Tiger und Drache vereint.

Es gibt auch eine geradezu putzige Spielart des Zen-Buddhismus

Eine weitere Besonderheit der japanischen Kultur liegt laut Verberk darin, dass sie Einflüsse von außen pragmatisch in die eigenen religiösen Traditionen übernahm. So verbinden sich Shintoismus und der „eingewanderte“ Buddhismus im zweiten Teil der Präsentation zu einem lebendigen Bilderkosmos ohne aufdringliche Herrschafts- oder Unterwerfungsgesten. Ein fantastisches Wimmelbild, „Buddha tritt in das Nirwana ein“ (1392), zeigt den aufgebahrten Buddha, der von Menschen und einer geradezu paradiesischen Schar anmutiger Tiere betrauert wird. Der Vogelmensch Karura wiederum stammte ursprünglich aus der hinduistischen Mythologie und mauserte sich in Japan zu einer gottähnlichen, Schlangen beschwörenden Schutzfigur.

Mit dem Zen-Buddhismus nähert sich die Sammlungspräsentation allmählich der Gegenwart – gerade westliche Augen sehen in diesen ins Abstrakte ausgreifenden stillen Bildern den Höhepunkt japanischer Vergeistigung. Allerdings gibt es auch eine volkstümliche Spielart des Zen-Buddhismus, von der Verberk mit einer stilisierten Prozession buddhistischer Mönche ein geradezu putziges Beispiel zeigt. Die japanische Avantgardemalerei ist dann wieder elitärer und beschwört die geistige Freiheit, indem sie die gegenständliche Welt auf ihren Zeichencharakter reduziert.

Aus der Moderne führt uns Bas Verberk zurück ins sommerliche Geisterreich, zum Spuk als Abkühlung und zu Bilderzählungen, in denen sich schon die Vorboten heutiger Mangas zeigen. Hier zieht der Übeltäter Horikoshi Dairei sein Schwert, „um den Geist von Asakura Tōgo zu bekämpfen, der ihn an der Station Hosokute heimsucht“; der Geist einer Dienerin steigt in gerechtem Zorn empor, nachdem sie wegen eines zerbrochenen Tellers in den Brunnen geworfen wurde; und eine riesige Katze, die geradewegs aus einem Miyazaki-Film nach Köln spaziert sein könnte, grinst eine Gruppe offenbar sehr betrunkener Schauspieler an.

Im Finale wird es dann richtig sommerlich, mit Holzschnitten der „fließenden Welt“, die im 19. Jahrhundert die europäische Japan-Fantasie beflügelte. Ein Gefühl der Sommerfrische verströmt aber die gesamte Ausstellung – kalte Schauer des Entzückens inklusive.


„Götter, Geister und Dämonen“, Neuinstallation der ständigen Japan-Sammlung, Museum für Ostasiatische Kunst, Universitätsstr. 100, Köln, Di.-So. 10-17 Uhr.

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