Ausstellung in KölnKlaus vom Bruch lässt die Welt immer noch gerne explodieren

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Der Atompilz einer Wasserstoffbombe ist vor einer Südseeinsel zu sehen.

Ausschnitt aus Klaus vom Bruchs „Expulsion from Paradise, Uncle Toby's Hookah“

Der Videokunstpionier Klaus vom Bruch zeigt in Köln neue Arbeiten. Seine Ausstellung ist ein Fest für Liebhaber grimmiger Gelehrsamkeit. 

Aus schlecht unterrichteten Kreisen ist immer noch zu hören, das deutsche Privatfernsehen habe seinen ersten Mucks am 1. Januar des Orwell-Jahres 1984 getan. Dabei sendete das Kölner Alternativ TV schon acht Jahre früher, und das auch noch völlig illegal. Zugegeben: Das Signal reichte nur bis in die Nachbarschaft, und das Programm war eine Dauerwerbesendung für ein junges, unglücklich ins Fernsehen verliebtes Künstlertrio. Aber dafür hatte Klaus vom Bruch, einer der TV-Rebellen, schon damals verstanden, worum es in der Glotze geht. Seine Videos waren praktische Fernsehkritik, sagte er einmal, und gleichzeitig der Versuch, „mich in diesen Kasten hineinzuzaubern“.

Mittlerweile ist Klaus vom Bruch 72 Jahre alt – und seinen jugendlichen Überzeugungen treu geblieben

Seine Reise in den Fernsehkasten hatte Klaus vom Bruch in der Kölner Konditorei seiner Eltern begonnen und als gern gesehener Paparazzo der rheinischen Kunstszene fortgesetzt. Aufnahmen von Sigmar Polke, Isa Genzken oder Blinky Palermo öffneten ihm dann die Türen des California Institute of the Arts, wo Video zum Medium seiner Wahl wurde. Nach lediglich einem Studienjahr hatte er genug gelernt und gründete in Köln gemeinsam mit Ulrike Rosenbach und Marcel Odenbach den bereits erwähnten Piratensender, für den Klaus vom Bruch besonders gern Atombombenexplosionen und Luftaufnahmen zerstörter deutscher Städte mit privaten Aufnahmen verband. Schlimmer als unpolitische Kunst fand er damals nur Malerei. Anscheinend hatte er darauf gehofft, dass sich dieser „Horror“ während seiner Abwesenheit von selbst erledigen würde.

Mittlerweile ist Klaus vom Bruch 72 Jahre alt – und seinen jugendlichen Überzeugungen treu geblieben. In seiner Ausstellung in der Kölner Galerie Brigitte Schenk hängen beinahe durchweg politische Werke und dazwischen eines, das die „gegenständliche Malerei“ für „völlig überschätzt“ erklärt. Das kategorische Urteil steht (auf Englisch) unter der Fotografie zweier Kröten, die entweder Huckepack spielen oder sich um Nachwuchs bemühen. So genau lässt sich das nicht sagen. Dafür glaubt man eine ironische Altersmilde zu erkennen: Klaus vom Bruch hat das fotografische Original nachträglich bearbeitet und die Kröten „malerischer“ gemacht.

Der Atompilz einer Wasserstoffbombe ist vor einer Südseeinsel zu sehen. Darunter steht: „Expulsion from Paradise, Uncle Toby's Hookah“

Die Bild-Text-Collage „Expulsion from Paradise, Uncle Toby's Hookah“ im Originalformat

Die beiden Amphibien gehören zu einer Serie aus Bild-Text-Montagen, die Klaus vom Bruch zwischen 2019 und 2023 entworfen hat. Für sie kombinierte er jeweils eine gefundene oder selbstgemachte Fotografie mit einem literarischen oder kunsthistorischen Zitat, und zwar auf einer 70 mal 90 Zentimeter großen Fläche, die sicherlich nicht zufällig an ein übergroßes Polaroid erinnert. Meist ist darauf ein bildungsbürgerlicher Witz mit politischen oder erotischen Widerhaken zu sehen. Unter der Aufnahme einer Kampfdrohne steht (frei nach Polke): „Höhere Wesen befahlen: Alles ausradieren“. Weiße Federn und eine aufgeschnittene rote Frucht stehen symbolisch für die Vergewaltigung Ledas durch den antiken Serientäter Zeus: „The Trouble with Leda at the Beach“.

Dies ist eindeutig eine Ausstellung für Liebhaber grimmiger Gelehrsamkeit. Man sieht die hingerichtete Mary, Königin der Schotten, in Gestalt einer geköpften Ananas, das geflügelte Wort Catos, nach dem Karthago zerstört werden muss, wird mit dem Fadenkreuz einer Drohne in unsere Gegenwart geholt, und die Explosion einer Wasserstoffbombe in der Südsee ist für Klaus vom Bruch ein Phallussymbol, das in „Onkel Tobys Pfeife“ (aus dem Roman „Tristram Shandy“ von Laurence Sterne) sehr viel verträglicher verewigt wurde. Mit dieser megatonnenschweren „Vertreibung aus dem Paradies“ kehrt er gewissermaßen zu seinen Pioniertaten als Videokünstler zurück.

An diese alten Zeiten erinnern in der Ausstellung ansonsten zwei neuere Videowerke: ein riesiges Rundsichtradargerät, auf dem Klaus vom Bruch den Ort Peenemünde, in der NS-Zeit Geburtsstätte der „Vergeltungswaffe 2“, mithilfe einer Videoendlosschleife ortet, und ein lauthals trällernder Vogel, der ebenso unermüdlich wie sinnlos auf einem Zweig hin- und herrennt, als wäre er ein gefiederter Sisyphus. Soll man dabei an das endlose Gezwitscher auf einem Nachrichtendienst denken, der früher Twitter hieß? Schwer zu sagen. Aber ganz offensichtlich ist Klaus vom Bruch der Überzeugung, dass die Menschheit einen Vogel hat.


„Klaus vom Bruch: Journey 'Round my Room“, Galerie Brigitte Schenk, Albertusstr. 26, Köln, Di.-Fr. 11-18 Uhr, Sa. 11-15 Uhr, bis 20. April 2024.

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