Interview mit Bastian Pastewka„Der Kölner weiß, wie man sich die Stadt schönsäuft”

Lesezeit 9 Minuten
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Bastian Pastewka 

  • Dem in Bonn aufgewachsenen Komiker Bastian Pastewka fällt der Abschied von seinem Serien-Ich sehr schwer. Ein Comeback der Sitcom schließt er aber aus.
  • „Pastewka” könne nur im Rheinland spielen. Die Selbstüberschätzung der Kölner passe perfekt zum Serien-Bastian.
  • Das umstrittene „Umweltsau”-Video des WDR sei eine Bagatelle. Satire sei im Idealfall nicht als Satire erkennbar, sondern überrumpele.
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Herr Pastewka, die zehnte Staffel „Pastewka“,die ab 7. Februar bei Amazon Prime Video verfügbar ist, ist auch die letzte. Warum hören Sie mit der Serie auf? Es läuft doch gut. Bastian Pastewka: 15 Jahre, unendlich viele Pannen und Geschichten, Gaststars, zehn Staffeln und knapp 100 Folgen. So viele runde Zahlen, das war die perfekte Gelegenheit, das Finale einzuleiten. Es war unsere freie Entscheidung. Es hätte die Möglichkeit zu einer elften, vielleicht zu einer zwölften Staffel gegeben. Aber wir hatten ein gutes Ende für Anne und Bastian gefunden. Die letzte Folge haben wir im Sommer als erstes abgedreht, am allerletzten Drehtag standen wir vor einem Baumarkt in Köln, Sonsee „Anne“ Neu und ich haben den roten Saab geparkt und die Handbremse gezogen. Das war unsere letzte Einstellung. Es war toll. Ich bedauere nicht, dass wir aufhören, sondern freue mich über unser feines Finale.

Oder muss es jetzt zu Ende gehen, weil Bastian zu Beginn der zehnten Staffel seine altruistische Seite entdeckt hat?

Er versucht es zunächst mit Milde, aber wir wissen ja, dass man Menschen nicht ändern kann. Wir wollten kein Märchen erzählen. Der Serien-Bastian kehrt nicht als Heiland aus Afrika zurück und endet auch nicht als Eremit in einer Höhle.

Diese Serie konnte nur in Köln spielen, oder?

Ich glaube schon. Wir haben immer zwei Themenfelder bespielt: zum einen die zwischenmenschlichen Alltagsprobleme, die Bastian mit seiner Familie hat. Der andere Bereich waren seine Kollegen aus dem Kölner Comedy-Zirkus. Die Kölner Fernsehstudios, der Dom und selbst der FC waren in vielen Folgen dabei.

Und die Mentalität des Rheinländers ist ja auch ein wichtiger Bestandteil der Serie.

Natürlich. Köln ist, und damit trete ich wohl keinem zu nahe, nicht die schönste Stadt, die es gibt. Sie hat als einzige Innovation einen Schriftzug erdacht, auf dem „Liebe deine Stadt“ steht. Ich möchte ergänzen: Es bleibt dir auch nichts anderes übrig. Aber der Kölner weiß, wie man sich die Stadt schönredet und -säuft. Diese Form der Selbstüberschätzung passt zum Serien-Bastian und ist eine ideale Ausgangslage.

Warum?

Er wohnt in einer nicht so schönen Stadt, will aber vor der Kamera stets glamourös und generös sein. Das hätten wir in einer mondänen Stadt wie etwa Hamburg nicht erzählen können. Da fehlt das Gefälle. Aber die letzte Szene von „Pastewka“ spielt da, wo das Herz des Kölners schlägt – am Rhein. Die Stadt Köln ist in unserer allerallerletzten Einstellung die eigentliche Hauptdarstellerin. 

Wie schwer fällt der Abschied nach zehn Staffeln?

Wir haben uns richtig schwer getan. „Pastewka“ war immer eine Ensemble-Show, auch wenn es eine Titelfigur gab. Wir waren acht Figuren, um die wir all unsere Geschichten gestrickt haben. Und sind über die 15 Jahre Freunde geworden. Wir giften uns nur vor der Kamera an, nicht dahinter. Und nun sind wir auch nach unserer Serie auf ewig miteinander verbunden, das ist etwas sehr Besonderes.

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Bastian und Anne (Sonsee Neu) sind zurückgekehrt aus Afrika

Wenn die Arbeit so besonders war, würden Sie dann nicht vielleicht doch gerne weitermachen?

Ich schließe aus mit „Pastewka“ zurückzukehren. Wir haben einen schönen Schluss für Kim, Anne, die Brucks und alle anderen; das zählt. Da kommen wir nicht in drei Wochen mit einer elften Staffel, einem Special oder gar einem Kinofilm daher. Hier ist Schluss und der will genossen werden! Ich habe freundlicherweise ein anderes Angebot für eine unterhaltsame Serie bekommen, das ich abgelehnt habe. Weil ich nach der Dauerbeanspruchung mit „Pastewka“ erstmal durch eine Talsohle aus Stille und wenig Autoreifenkeksen gehen will.

Sie brauchen eine kreative Pause?

Auf keinen Fall, aber mein Team hat Jahr für Jahr emsig an der jeweils aktuellen Staffel gearbeitet. Ich selbst bin mit „Pastewka“ morgens aufgewacht und abends ins Bett gegangen. denn wir ahnten sehr früh, wir haben etwas Gutes in der Hand und wollten deshalb versuchen, die Qualität zu schützen. Unsere Rumpfmannschaft hinter der Kamera war sehr klein, und es wäre nicht fair gewesen, ihren Enthusiasmus überzustrapazieren. deshalb hatten wir auch stets kurze Staffeln mit wenigen Folgen. Mehr ging nicht.

Können Sie gut mit Dingen abschließen und in die Zukunft blicken?

Ich versuche es. „Pastewka“ war meine Leib- und Magenserie. Und glücklicherweise durften wir zwischen den frühen Folgen und der Rückkehr-Staffel 8 auch Pausen machen. Und dass wir bei Amazon diesen zweiten Boost bekommen haben, war ein großes Geschenk. Nur wenige Serien, die in eine achte Staffel gehen, bekommen noch einmal so einen Aufmerksamkeitsschub. umso schöner ist es, jetzt aus Begeisterung „Goodbye“ sagen zu dürfen.

Warum tun sich Sitcoms so schwer in Deutschland?

Ich glaube, dass Sitcoms beliebt sind, sonst würden nicht so viele Zuschauer und Zuschauerinnen „The Big Bang Theory“ verfolgen. aber das Genre wird hierzulande derzeit nicht ausreichend bespielt. Es gibt zu wenig Entscheider, die sich wirklich offensiv an diese Disziplin herantrauen. „Jerks“ ist ein höchst erfreuliches Positivbeispiel. Aber der „Tatortreiniger“ etwa hatte beim NDR zunächst keine Lobby und wurde nachts versendet. Da gab es keinen, der erkannt hat, wir haben hier ein Juwel, das wir ins Schaufenster stellen müssen. Erst die Fans und die Kritiker haben dieser Serie zum berechtigten Erfolg verholfen.

Das war bei „Pastewka“ anders?

Wir hatten von Anfang an sehr gute Karten und bekamen einen brutal guten Sendeplatz am Freitagabend. Das war ein prima Start, und wahrscheinlich hätten wir die Serie sonst nicht so lange machen dürfen. Als Zuschauer fehlt mir nach wie vor die kleine Geschichte von nebenan, die hierzulande spielt. und damit will ich sicher nicht zurück in die Zeit von „Drei Damen vom Grill“. Aber die Geschichten, die uns unmittelbar betreffen oder abbilden sollen, werden im deutschen Fernsehfilm überwiegend als Drama oder als Soap-Märchen erzählt.

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Muss Humor immer intelligent sein?

Das ist ein fröhliches Vorurteil, das man Humor zuschiebt, meist übrigens von denen, die keinen haben. Oder so tun, als seien sie intelligent, sich aber über den erstbesten Pimmel-Witz schlapplachen. Viele sagen, deutscher Humor sei immer platt, zu doof und schieben das Genre Comedy damit auf die Seite. Klar gibt es flache Pointen, was aber nicht heißt, dass sie deshalb zwangsläufig schlecht sind. Ich kann über einen platten Witz, den ein Komiker oder eine Komikerin gut vorträgt, trotzdem lachen und schäme mich nicht dafür. Oder wenigstens erst hinterher. Es hat meiner Ansicht nach immer mit der Performance und der Persönlichkeit zu tun. Man sollte Komiker nicht immer nur nach dem Wort beurteilen.

Sondern?

Es ist nicht zwangsläufig entscheidend, was gesagt wird, sondern wie es gesagt wird. Ich mag Komiker, die schwitzen, die nicht indirekt sagen, sie seien der Tollste. Je mehr ich sehe, dass sie um das, was sie zu sagen haben, kämpfen, bin ich auch bereit, mich ihren Ansichten, die ich nicht teile, kurzfristig zu beugen. Das Wesen der Satire ist, dass sie nicht allen gefällt. Was ist das für ein seltsames Verständnis von Humor, wenn wir sagen, er muss ursächlich intelligent sein? Ich möchte Komiker und Komikerinnen sehen, die mich dabei ertappen, dass ich möglicherweise über einen unkorrekten Witz gelacht habe. Die sich in Rage reden, die sich auf der Bühne verlieren.

Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Debatte über das Umweltsau-Satire-Video des WDR?

Mit gehörigem Abstand ist die Sache inzwischen eine Bagatelle. Da hat ein Ministerpräsident dem Ansinnen der Satiriker widersprochen, indem er behauptete, es seien Kinder instrumentalisiert worden für einen Witz, den er nicht lustig fand. Er muss den Witz nicht lustig finden. Das ist das Wesen von Satire und genau deshalb braucht man nichts zurückzunehmen. Lösen wir unsere wesentlichen Probleme, und wenn wir das geschafft haben, hat ja vielleicht noch jemand Lust zu fragen, was Satire darf. Und alle werden wie aus einem Munde rufen: „Wozu brauchen wir jetzt noch Satire?“

Aber was kann und muss Satire leisten?

Satire ist im Idealfall nicht als Satire erkennbar, sondern überrumpelt. Böhmermanns Erdogan-Gedicht war für mich die perfekte Satire. Ein Mischmasch aus Beleidigung, Ironie und kindlichem Unfug. Und wir als Zuschauer müssen entscheiden, was wir damit machen. Es gibt andere Sendungen, bei denen mir stets laut gesagt wird „Achtung, jetzt kommt Satire. Huh, da bin ich heute mal frech, aber es ist nicht so gemeint.“ Noch uninteressanter kann es nicht sein, denn der störende Beipackzettel ist immer direkt dabei. Wenn Satire richtig zubeißt, dann sieht sie keiner kommen und es tut weh. Und das ist auch gut.

Aber wie sollen Komiker und Satiriker mit der aus dem Ruder laufenden Debattenkultur umgehen?

Indem wir uns gerade machen. Ganz simpel. Das ist das Wesentliche an Humor. Er funktioniert immer dann, wenn er authentisch ist, selbst wenn er verstört. Und das können die allermeisten auch aushalten. Trolle und Hetzer sind ihre eigene Spezies. Das sind Touristen, die von einem Empörungstreffpunkt zum nächsten reisen und keine Teilnehmer einer Debatte.

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Nach seiner Rückkehr aus Afrika arbeitet Bastian daran, ein besserer Mensch zu werden.

Hat man da keine Schere im Kopf aus Angst, einen Shitstorm zu ernten?

Für Komiker gilt, was für alle Künstler gilt: Sieh dich nicht im Spiegel der anderen. Wenn du das machst, hast du verloren.

In „Pastewka“ haben Sie aktuelle Politik immer ausgeblendet. War das eine bewusste Entscheidung?

Nein, aber mein Humor nimmt keinen Bezug auf den Akzent von Angela Merkel oder die nächste schlimme Äußerung von Donald Trump. Ich wollte in „Pastewka“ zeigen, dass nicht die Politik oder der Präsident in irgendeiner Weise spielentscheidend sind für unseren täglichen Umgang miteinander, sondern jeder einzelne. Jeder von uns schwindelt mal oder hupt den Fahrradfahrer an, weil der sich so schön erschreckt. Da gibt es nichts zu verharmlosen; aber sich damit rauszureden, dass das Land, in dem ich lebe verantwortlich für mein Elend sei, führt zu nichts. Es gibt keine Garantie auf dauerhafte Zufriedenheit, und die hat auch unsere Sitcom nie versprochen.

Wie meinen Sie das?

Wir haben Anne und Bastian sich vor zwei Staffeln trennen lassen. Warum? Weil eine dysfunktionale Beziehung irgendwann platzt. Wir alle merken doch hin und wieder, wie wir auf dünnes Eis geraten und kurzfristig nicht wissen, wie es weitergehen könnte. All das spiegelt sich in „Pastewka“ wider. Wir haben nie so getan, als seien wir eine typische Fernseh-Familie, die Beständigkeit in die Wohnzimmer zaubert. Ich habe ohnehin nie daran geglaubt, dass sich das Publikum beim Fernsehen von der Realität abwenden will.

Was will es dann?

Für mich ist das Gegenteil der Fall. Was vielleicht auch die Quoten des Dschungelcamps beweisen: Da wird in einem nicht ganz geschmackssicheren Sozialexperiment pures, menschliches Handeln auf ganz einfache Weise runtergebrochen. Deshalb schauen viele zu. Weil sie hoffen, dort etwas Wahrhaftiges zu sehen, was sie betrifft - und was nichts mit Kakerlaken zu tun hat.

Zur Person

Bastian Pastewka (47) wurde in Bochum geboren und wuchs in Bonn auf. Er arbeitet als Schauspieler, Komiker, Synchronsprecher und Hörbuchinterpret. Bekannt wurde er Ende der 1990er Jahre durch die Sketchsendung „Die Wochenshow”. Seine Sitcom „Pastewka” startete 2005 bei Sat.1. Zur achten Staffel wechselte sie zu Amazon Prime Video. Ab Freitag, 7. Februar, ist die zehnte und letzte Staffel bei dem Streaminganbieter verfügbar. 

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