AboAbonnieren

Bonner OperBeifall für die Beteiligten, nicht für das Werk

Lesezeit 4 Minuten
Die Tänzer tragen bunte Kostüme. Im Hintergrund wird eine apathisch blickende Frau in weißen Kleidern von schwarzgekleideten, kuriosen Figuren umzingelt.

Die Oper Bonn bringt Franz Schrekers „Der singende Teufel“ auf die Bühne

Die Bonner Oper bringt mit „Der singende Teufel“ ein Stück vergessene Geschichte auf die Bühne. Trotz der guten Leistungen aller Beteiligten bleibt das Werk musikalische Magerkost.

Bei der Berliner Uraufführung anno 1928 saßen bereits Nazis im Parkett und grölten das neue Werk des „Halbjuden“ Franz Schreker in Grund und Boden – oder versuchten es zumindest. Das Wissen um diese Umstände legt auch dem heutigen Kritiker tendenziell Manschetten an – er will sich unter keinen Umständen in die Nähe dieser miserablen Gesellschaft begeben. Indes kam die Oper „Der singende Teufel“ auch in der seriösen „Systempresse“ der Weimarer Republik nicht sonderlich gut weg, und es ist interessant, im opulenten Begleitheft zur aktuellen Bonner Neuproduktion die Rezensionen nachzulesen.

Man kommt leider nicht umhin festzustellen, dass die professionellen Beurteiler seinerzeit ziemlich richtig lagen und das Werk einigermaßen verdient in der Versenkung verschwand. Und auch nicht von der Schreker-Renaissance der vergangenen Jahrzehnte erfasst wurde, die sehr berechtigt Opern wie „Der ferne Klang“ und „Die Gezeichneten“ wieder auf den Spielplänen etablierte.

Bonner Oper mit „Der singende Teufel“

Die Bonner Oper bringt den „singenden Teufel“ im Rahmen ihrer lobenswerten Reihe „Fokus ’33“, die anhand von exemplarischen Bühnenwerken des frühen 20. Jahrhunderts den Mechanismen der Kanonbildung im Musiktheater auf den Grund geht. Warum „blieb“ – nach 1933, nach 1945 – dieses Stück oder kam wieder, warum verschwand jenes?

Das Risiko, bei dieser Suche auch schon mal Revitalisierung am ungeeigneten Objekt zu betreiben, wird dabei bewusst eingegangen. Deshalb muss man auch das Haus nicht schelten, wenn sich herausstellt, dass eine Nuss tatsächlich einmal taub ist. Der Erkenntnisgewinn ist allemal beträchtlich.

Im Libretto steckt viel Wagner

Warum also sollte „Der singende Teufel“ wohl besser in seiner Hölle bleiben? Es geht schon los mit Schrekers selbstverfertigtem Libretto, das eine verquaste und aufdringlich symbolische Privatmythologie (in der freilich noch viel Wagner steckt) ins Werk setzt: In einem fiktiven frühen Mittelalter, in dem (Mendelssohns „Erste Walpurgisnacht“ lässt grüßen) Heiden und Pfaffenchristen gegeneinander antreten, soll der Orgelbauer Amandus im Auftrag des militanten Mönchs Kaleidos die von seinem Vater unvollendet hinterlassene Orgel fertigstellen – als Bollwerk der Kirche gegen das Heidentum.

Amandus, der die Heidin Lilian liebt, baut dem Werk ein geheimnisvolles „Friedensregister“ ein, das aber im entscheidenden Augenblick versagt und nicht verhindern kann, dass Heiden und Christen übereinander herfallen. Amandus verfällt dem Wahnsinn, wird aber durch Lilians Liebestod erlöst – wobei die von ihr in Brand gesetzte Orgel im Untergang auf einmal lieblich zu tönen beginnt.

Magerkost trifft auf herausragende Darsteller

Dieses Amalgam verschiedener Mythologeme – nicht zuletzt ist die Oper auch ein Künstlerdrama, das Schrekers eigene Situation verschlüsselt darstellt – wird über vier Akte hinweg mit einer Netto-Gesamtdauer von gut zwei Stunden überaus redselig und langwierig ausgebreitet. Musikalisch allerdings fährt Schreker seine frühere schwellend-schwelgende Opulenz auf Spaltklänge und polyphon-kammermusikalische Stimmprofile, auf Quartenakkorde und Ganztonleitern zurück.

Sicher, zuweilen, etwa in der Schlussszene, kommt der berühmte Schreker-Sound, und Dirk Kaftan am Pult des ausgezeichneten Beethoven Orchesters tut dann auch alles, ihn mit betörender sinnlicher Fülle auszustatten. Aber der vorwaltenden Magerkost kann er genauso wenig aufhelfen, wie dies den herausragenden Darstellern gelingt. Der Tenor Mirko Roschkowski als Amandus agiert mit nie ermüdender Stimmnoblesse und mit einem gestisch außerordentlich eindringlichen Parlando; Anne-Fleur Werner als Lilian steht ihm nicht nach mit der völlig natürlich wirkenden Strahlkraft und dem Höhenglanz ihres Soprans; dem Bass Tobias Schabel als Pater Kaleidos wachsen düstere Großinquisitor-Qualitäten zu. Die Besetzung der Nebenrollen und der Chor geben ebenfalls keinen Anlass zu Kritik.

Franz Schreckers Werk vom Mittelalter ins Heute verlegt

Leider kann auch die Regisseurin Julia Burbach aus der Sache nicht mehr machen, als drinsteckt. Dass sie das Mittelalter, um das es Schreker selbst erkennbar nicht geht, in ein unbestimmtes Heute überführt, ist naheliegend und konsequent. Wie es aussieht, legt sie die Bühnenhandlung als Traumfantasie des Künstlers Amandus an, der in der Ausgangssituation auf der Bühne (Dirk Hofacker) in einer Art Aufnahmestudio oder Publikumssaal platziert wird. Tatsächlich geht es zentral um ihn und sein Werk – das Eisgebirge, auf dem die Heiden erscheinen und sich die Lovestory zwischen ihm und Lilian begibt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Haufen von zerknüllten Partiturseiten der Oper.

Ansonsten geht es bei Burbach mit Tableaus, Balletteinlagen und Revue-Elementen farbenfroh-karnevalistisch zu – wobei das Bühnengeschehen in sich selbst eigentümlich leerläuft. Offensichtlich hatte die Regie selbst so ihre Probleme, sich mit dem Stoff anzufreunden. Freundlicher Beifall am Schluss, der erkennbar den Beteiligten galt, kaum dem Werk.

Weitere Aufführungen: 24., 28. Mai, 8., 10., 16. Juni