Als Modefotograf prägte Bruce Weber das Männerbild der 1980er Jahre. Jetzt zeigt die Kölner Galerie Buchholz seine „Early Men“.
Bruce Weber in KölnFrühe Männer im Paradies des heimlichen Begehrens

Bruce Webers Aufnahme „UCLA Los Angeles, California“ (1981) ist derzeit in der Kölner Galerie Buchholz zu sehen.
Copyright: Bruce Weber / Courtesy Galerie Buchholz, Köln
Als der Olympionike Tom Hintinauss im Sommer 1982 als 14-Meter-Riese am New Yorker Times Square hing, war das für die Männerunterhose ein großer Tag – mehr trug der aus der Untersicht aufgenommene Stabhochspringer nicht. Dem Modedesigner Calvin Klein bescherte die Werbekampagne Einnahmen im Fantastilliarden-Bereich; seine Unterhosen wurden zum Statussymbol für jedermann, das bereits drei Jahre später am Leib des zeitreisenden Marty McFly Filmgeschichte schrieb. Letztlich veränderte das monumentale Bild aber vor allem den Blick auf das, was in der Unterhose steckt: Aus dem Olymp herabgestiegen, war der Mann auch nur ein Objekt der Begierde.
Delikat ausgestreckte Männerkörper kannte man bis dahin vor allem aus der Kunstgeschichte und der schwulen Subkultur – in den Mainstream brachte dieses Sujet der Fotograf Bruce Weber. Er hatte seine Karriere selbst als Model begonnen, war dann aber hinter die Kamera gewechselt, um erotisierte Männer für Zeitungen wie die „Soho Weekly News“ oder das Magazin „GQ“ zu fotografieren. Seine Aufnahmen des College-Sportlers Jeff Aquilon, der für Weber auf einem Bett in verschiedenen Phasen des Ausgezogen-Seins posierte, brachte ihm Kleins epochalen Auftrag ein. Die Pointe der 1978 entstandenen Bilderserie lag darin, dass offenblieb, für wen sich Aquilon entkleidete: Männer, Frauen – oder sein Spiegelbild?

Bruce Weber: „UCLA Rugby Los Angeles, California“ (1981)
Copyright: Bruce Weber / Courtesy Galerie Buchholz, Köln
Als Modefotograf machte der mittlerweile 79-jährige Weber eine steile Karriere, in der Kunstszene ist er trotz opulenter Bildbände bei Taschen und Schirmer/Mosel nie wirklich angekommen – die Ausstellung „Early Men“ in der Kölner Galerie Buchholz ist eine späte Ausnahme. Daniel Buchholz konzentriert sich in seiner Auswahl auf Webers frühes Werk, die Bilder ringender Rugby-Spieler, badender College-Schüler oder posierender Schwimmer stammen aus den Jahren 1977 bis 1981. Als Höhepunkt ist ein Besuch im Anwesen der Hollywood-Legende George Cukor inszeniert: Weber hatte den in Ehre ergrauten „Die Frauen“-Regisseur für „GQ“ porträtiert und war mit Aquilon im Schlepptau für eine weitere, möglicherweise halboffizielle Bilderserie zurückgekehrt.
Auf keinem Bild der 1977/78 entstandenen Serie sind Cukor und Aquilon gemeinsam zu sehen. Der auch für seine „verschwiegenen“ Partys berühmte Regisseur tritt als stiller Genießer in Erscheinung, als Gast im eigenen Haus der Träume. Aquilon posiert derweil im leichten Sommerpulli auf der Veranda oder springt in knapper Badehose in den Pool. Man könnte diese Bilder beinahe für Bademodenreklame unter kalifornischer Sonne halten. Aber Aquilons verschlossenes Gesicht, seine misstrauischen oder ausweichenden Blicke erzählen eine andere Geschichte. Bruce Weber spielt hier wohl bewusst mit Motiven der „verfolgten Unschuld“, der Bekehrung und natürlich der Prostitution.
Man hat Bruce Weber den Fotografen des Narzissmus genannt
Anders als Robert Mapplethorpe scheint sich Weber als Fotograf nie für die Welt der offen lebenden Homosexuellen interessiert zu haben – und schon gar nicht für deren Subkulturen. Seine Bilder junger Universitäts-Sportler sind sauber, selbst, wo sie vorgeben, schmutzig und schweißtreibend zu sein. Sie schielen in ein Zwischenreich unterdrückter Gefühle und heimlichen Begehrens, wobei es sich dabei auch um das des Fotografen gehandelt haben könnte. In Webers balgenden Männergruppen oder den scheinbar unbeschwerten Rangeleien am Strand zeigt sich die Homosexualität stets nur im Verborgenen, wenn überhaupt. Allein die völlige Abwesenheit von Frauen gibt deutliche Hinweise darauf, dass diese jungen Männer sich selbst genügen.
Man hat Bruce Weber den Fotografen des Narzissmus genannt – vor allem der „neuen“ Männer in den 1980er Jahren. Seine Modelle suchte er bewusst nicht in den Katalogen der Agenturen, er ging stattdessen in die Colleges, die Quelle der von ihm verehrten Männerbündelei; Aquilon entdeckte er in einem Wasserballteam. Die in Köln gezeigten Einzelporträts der (etwas zu grazil ausfallenden) Rugby-Spieler der Universität von Kalifornien sind eher Modefotos als Menschenbilder und laufen auf den Höhepunkt der Gruppenbilder zu. Mehr noch als athletische Körper schien Weber das ambivalente Machogehabe der Umkleidekabinen zu interessieren.
Mittlerweile haben diese Bilder etwas von ihrer „Unschuld“ verloren. Bruce Weber wurde in den letzten Jahren von mehreren Models wegen sexuellen Missbrauchs verklagt (die Verfahren wurden eingestellt oder man einigte sich außergerichtlich). Allerdings stammen diese Vorwürfe aus seiner Zeit als Starfotograf. Die „Early Men“ des damals unbekannten Weber leben weiterhin in ihrem Paradies der Mehrdeutigkeit.
„Bruce Weber – Early Men“, Galerie Buchholz, Neven-DuMont-Str. 17, Köln, Di.-Fr. 11-18, Sa. 11-16 Uhr bis 16. August