Chronist der amerikanischen SittenDramatiker Terrence McNally ist gestorben

Terrence McNally
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Der amerikanische Dramatiker Terrence McNally hat sein Stück „Corpus Christi“ nach der texanischen Stadt benannt, in der er als junger Mann aufgewachsen ist. Dementsprechend kann man es als Coming-of-Age-Geschichte des Autors lesen — aber es ist auch eine Neuerzählung der Evangelien, von Geburt, Wirken und Passion Jesu, nur dass der Erlöser und seine Jünger hier als schwule Männer im Texas der späten 50er Jahre porträtiert werden. Das ernste und erstaunlich pietätvolle Drama — McNally bezeichnete sich als gläubigen Katholiken — zog endlose Proteste nach sich, Absagen, Wiederaufnahmen, Verbote und Bombendrohungen, auch in Deutschland, wo sich das kleine Heilbronner Stadttheater 1999 an die Erstaufführung wagte: Auf der Bühne predigten McNallys Protagonisten Liebe und Vergebung, vor den Theatern geiferten Menschen, die sich als Verteidiger des Glaubens wähnten, vor Hass.
Tatsächlich kündeten viele von Terence McNallys Stücken von „Love! Valour! Compassion! („Liebe! Tapferkeit! Mitgefühl!“), so der Titel seines großen Broadway-Erfolges von 1994 über eine Gruppe von Freunden inmitten des Aids-Zeitalters, oder sie ließen die Funken sprühen, wenn die Anforderungen der Gesellschaft auf jene des Ausnahmekünstlers trafen, wie in seinem María-Callas-Stück „Master Class“ („Meisterklasse“) das auch auf deutschsprachigen Bühnen oft inszeniert wurde, ohne weitere Proteste.
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Als Terrence McNally Anfang der 1960er nach New York zog, traf er den bereits überaus erfolgreichen Dramatiker Edward Albee. Fünf Jahre hielt ihre Beziehung und scheiterte schließlich daran, dass Albee sich weigerte, offen schwul zu leben, aus Angst, als Autor in eine Nische gedrängt zu werden. McNally widersprach und behandelte gleich in seinen ersten Stücken homosexuelle Themen, allerdings keinesfalls ausschließlich. Diese Frühwerke waren noch eher experimenteller Natur, schwarzhumorige Satiren der amerikanischen Sitten. Die Farce „The Ritz“ — ein heterosexueller Geschäftsmann versteckt sich in einer Schwulensauna vor Mafia-Schergen — brachte ihm dann endlich den ersehnten Mainstream-Erfolg, zu seinen Bedingungen. McNallys langlebige Karriere — mehr als 40 Stücke und Musical-Librettos, etliche Tony-Awards, Verfilmungen mit Al Pacino — hat ihm letztendlich recht gegeben. Am Dienstag ist Terrence McNally nach einer Ansteckung mit dem Coronavirus in einem Krankenhaus in Florida gestorben. Zuvor hatte er erfolgreich gegen Lungenkrebs gekämpft und an einer chronischen Lungenkrankheit gelitten. Er wurde 81 Jahre alt.