Claudia RothErst Ton Steine Scherben, jetzt Kulturstaatsministerin

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Claudia Roth

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Köln – Die Nachricht kam etwas überraschend: Die grüne Politikern Claudia Roth wird neue Kulturstaatsministerin und nicht der eigentlich bereits für dieses Amt verbuchte Hamburger SPD-Senator Carsten Brosda. Ein wenig klang das, als hätte die Ampel-Koalition das höchste kulturpolitische Amt im Lande als Austragsstüberl für eine – auch nach Selbsteinschätzung – verdiente „Nervensäge“ ausersehen, denn Roths Nachweis kultureller Kompetenz fällt in einen Bereich, in dem man noch von erweiterten Jugendsünden sprechen kann.

1982 wurde Roth Managerin von Rio Reisers Rockband Ton Steine Scherben

1974 schnupperte die gebürtige Ulmerin in München ins akademische Leben hinein, brach das Studium der Theaterwissenschaften aber nach zwei Semestern zugunsten praktischer Erfahrungen wieder ab. Sie ging ins Ruhrgebiet, wurde an den städtischen Bühnen in Dortmund erst Assistentin und dann Dramaturgin und wechselte anschließend in selber Funktion ans Hoffmann Comic Theater nach Unna. Hier lernte sie dann bei den Proben zu einer Struwwelpeter-Aufführung den Gelegenheitsschauspieler und Sänger Rio Reiser kennen.

Mit dieser Bekanntschaft ist Claudia Roths größtes kulturelles Kapital verbunden: 1982 wurde sie Managerin von Reisers Rockband Ton Steine Scherben, deren anarchistischer Impuls damals freilich schon in einen eher bürgerlich-dekadenten Spätstil gemündet war. Die Scherben flohen aus dem kaputten Berlin aufs nordfriesische Land, wo Roth ihre dreijährige Managementlehre mit dem finanziellen Bankrott und dem endgültigen Zerwürfnis der Band abschloss. 1985 trennten sich die Wege und Roth wurde Pressesprecherin der grünen Bundestagsfraktion.

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Seitdem hielt sich Claudia Roth mit kulturpolitischen Meinungen zurück und engagierte sich vornehmlich auf anderen Politikfeldern: Menschenrechte und Entwicklungshilfe, Klimaschutz und der Kampf gegen Rassismus. Sie tat dies stets temperamentvoll und gemäß der Einsicht, dass man in diesen Dingen auch mal „nerven“ müsse, um etwas zu erreichen.

In den Feuilletons tauchte Roth erst wieder auf, als der Rapper Bushido etwas auf sie reimte, das man als Aufruf zur Gewalt verstehen konnte; ein Gericht entschied den Fall zugunsten von Bushidos Kunstfreiheit. Aus dieser unschönen Erfahrung ging später immerhin Roths anti-rassistisches Gesprächsbuch mit dem Musiker Fetsum Sebhat hervor.

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Das Aufgabenheft einer Kulturstaatsministerin hält freilich anderes bereit. Claudia Roth muss sich rasch der kriselnden Großprojekte ihrer Amtsvorgängerin annehmen, und man darf gespannt sein, wie sie sich in den Debatten um das Humboldt-Forum, das Museum für Moderne und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz positioniert. Vielleicht ist das sozialpädagogische Politikverständnis, das man den Grünen gerne nachsagt, in dieser Gemengelage sogar von Vorteil.

Am ehesten traut man Roth jedoch zu, der deutschen Kulturpolitik im Ausland neue Impulse zu verleihen. Zwar liegt die Zuständigkeit hierfür teilweise im Außenministerium. Aber dieses Ressort gehört jetzt ja ebenfalls zum grünen Machtbereich.

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