Corinna Harfouch über die Corona-Krise„Ich habe meine Enkelkinder jeden Tag gesehen“

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Corinna Harfouch

Corinna Harfouch

  • Aufgrund der Pandemie musste Corina Harfouch die Dreharbeiten unterbrechen und zuhause bleiben - was sie vor allem genossen hat.
  • Angst vor dem Virus habe sie nicht, sagt sie im Interview. Darum habe sie auch ihre Enkelkinder jeden Tag gesehen.
  • Außerdem spricht über die Dreharbeiten in Köln zum Film „Alles in bester Ordnung“.

Köln – Frau Harfouch, gerade haben Sie in Köln im Schatten der Corona-Krise einen Kinofilm gedreht, der ironischerweise „Alles in bester Ordnung“ heißt – worum geht es? Ist es eine Liebesgeschichte?

Viel spannender finde ich, dass sich zwei Menschen treffen, die eigentlich überhaupt nichts miteinander zu schaffen haben. Die würden sich niemals gegenseitig aussuchen, aber eine bestimmte Situation hat sie nun mal zusammengebracht und sogar zusammengeschweißt. Und so entwickeln sie füreinander eine Sensibilität.

Nadja Brunckhorst, die man ja auch als Schauspielerin aus „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ kennt, hat Regie geführt.

Nadja hat das wirklich großartige Porträt einer Frau, die annähernd ein Messie ist, geschrieben – so großartig, dass ich sofort zugesagt habe, als mir die Rolle angeboten wurde. Dann dauerte es allerdings sechs Jahre, das Buch wurde nicht finanziert, und es gab allerlei Veränderungen …

… bis zum Schluss nun auch noch Corona dazwischenkam.

Wir mussten die Dreharbeiten unterbrechen. In einem Filmteam entsteht eine eigene Welt, und da ist ein solches Ereignis wirklich eine Katastrophe. Dazu kam, dass wir an einem Set waren, für das die Wohnung der Hauptfigur in ein ehemaliges, nun auf den Abriss wartendes Diakoniegebäude hineingebaut wurde, mit – ich würde sagen – tausenden Gegenständen, die dort hineingetragen wurden. Es war unvorstellbar, diesen Ort zu verlassen, ohne dass die Szenen in diesem Set abgedreht waren. Das ist uns nicht gelungen, denn wir mussten unterbrechen.

Es kam eine offizielle Verordnung?

Ja, es kam eine amtliche Verordnung, aber im Team wurde es auch ohne eine solche Anordnung da und dort unruhig. Es gab widerstrebende Meinungen, wie man dieser Situation umgehen sollte, die ja für alle vollkommen neu war. Das war ganz bitter.

Wie ging das aus?

Wir hatten Glück im Unglück und konnten an diesen Ort wieder zurückkehren und das Set entsprechend für die letzte Szene umbauen.

Hatten Sie persönlich Angst, dass Sie sich hätten anstecken können?

Nein, ich habe überhaupt keine Angst vor dieser Krankheit, ich besitze ein starkes, gesundes Immunsystem – was nicht bedeutet, dass ich keinen Respekt vor allen hätte, die Angst haben.

Wie haben Sie die vergangenen Wochen und Monate erlebt, in denen Sie als Schauspielerin ja zur Untätigkeit verdammt waren?

Also wenn ich ganz ehrlich bin: Ich habe einen Garten auf dem Lande und im Nachbardorf meine Kinder und Enkelkinder, und – es tut mir leid – ich habe sie jeden Tag gesehen.

Sie hatten endlich Zeit für Dinge, zu denen Sie sonst nie kommen?

So ist es. Ich habe manchmal versucht mir vorzustellen, wie es wohl in einer Stadt sein muss, in der man als Alleinstehende lebt – eine grausame Vorstellung! Ältere Menschen, die alleine leben in dieser Zeit – ach nein, das finde ich entsetzlich. Aber ich, auf dem Land lebend, ich hatte eine gute Zeit. Natürlich sind mir Honorare entgangen, Veranstaltungen sind ausgefallen, das ist alles keine Frage – aber was die Lebensqualität betrifft, habe ich die vergangenen Monate genossen.

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Ihre Branche allerdings, Film, Theater, ist sehr hart durch die Corona-Krise getroffen worden.

Das kann man wohl sagen. Aber Not macht auch kreativ: Ich beginne zum Beispiel im August in einem Theater in Berlin, im TAK, einem sehr engagierten, freien Haus, eine Arbeit – die sind sehr mutig dort. Im Stück geht es um Migration und das deutsche Justizwesen, und die Theatermacher dort haben ein Konzept entwickelt, wie man diese komplexe Thematik in den Griff bekommt – ohne eine Seite zu verteufeln, auch wenn es um Dinge wie Abschiebung geht. Vielmehr soll klar werden, wie schwierig die Entscheidungen in jedem einzelnen Fall sind. Und da gibt es nun eine wirkliche künstlerische Vision, wie man das auf Leinwände bringen kann, die im Raum verteilt und beweglich sind. Das ist eine sehr gute Herangehensweise, auch eine Kraft, die sich aus der Frage entwickelt, was man jetzt Positives aus der Lage machen kann.

Glauben Sie, dass neue Formen entstehen, wenn man zum Beispiel mit den Abstandsregeln klarkommen muss?

Ja, aber ich hoffe nicht, dass sich Video noch mehr im Theater verbreitet. Ich wünsche mir sehr, dass Theater Theater bleibt – was schwierig ist. Ich habe mir in der Nähe von Köln vor kurzem ein Stück angeschaut, in einem Theater mit um die 200 Plätze. Nun gilt es mit 60 Plätzen als ausverkauft, doch so viele Zuschauer kamen gar nicht, weil die Leute vollkommen verunsichert sind. Da kommt keine Stimmung auf, ganz gespenstisch oft, zumal bei Stücken, die komödiantische Züge tragen.

Eine gefährliche Zeit, denn so mancher könnte auf den Gedanken kommen, dass Sparen eine gute Idee ist.

Genau. Der Intendant des Theaters erzählte mir von einem Politiker, der es jetzt für angebracht hält, Subventionen gleich zu streichen. Das sind Leute, die nie ins Theater gehen, gar keine Ahnung haben, und denen es auch nicht wichtig ist. Da beschleichen einen schon eigenartige Gefühle, denn man weiß es ja, dass es solche Menschen gibt, man weiß es, in diesem Land, in dem sehr viel für Kultur getan, in dem viel Geld ausgegeben wird. Und dennoch gibt es das ewige Problem, dass sie doch nicht richtig verankert ist – irgendwie ist es immer anstrengend, sich aufdrängen zu müssen, zu sagen: Wir sind nicht bloß das Kompott, wir sind nahrhaft für Euch.

Noch mal zurück zum Film – „Alles in bester Ordnung“ -, den Sie unter Corona-Bedingungen schließlich doch noch zu Ende gebracht haben. Wie ging das?

Am härtesten ist das für das Team, dessen Mitglieder den ganzen Tag Masken tragen müssen in von Scheinwerfern bis zu 50 Grad aufheizten Räumen. Es war eine großartige Erfahrung, dass alle den Film mit hohem Engagement fertigstellen wollten. Es gab einen Hygienebeauftragten, man befindet sich in einer Art Quarantäne. Das ist zwar alles unangenehm und sogar manchmal hart, aber man muss sich trotzdem dazu bringen zu akzeptieren, dass es in der Welt, in der wir nun leben, nun mal so ist. Beim nächsten Film, den ich in Hamburg beginne, wird es genauso sein. Auch da wird man jede Woche einmal getestet, man befindet sich in Quarantäne, und so fort. Aber wenn ich mir vorstelle, dass das nun für immer so sein soll, wäre das verheerend.

Glauben Sie das denn?

Ich habe ein bisschen Angst davor. Ich muss sagen, wenn wir allesamt nicht unser Leben ändern, als Gesellschaft, dann glaube ich schon, dass diese Krise nicht die letzte war. Dieses Virus werden wir vielleicht niederringen, aber dann kommt das nächste.

zur Person

Corinna Harfouch wurde 1954 in Suhl in Thüringen geboren. Nach einer Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpflegerin begann sie 1976 an der Technischen Universität Dresden ein Studium zur Textilingenieurin. Von 1978 bis 1981 studierte sie an der Staatlichen Schauspielschule Berlin „Ernst Busch“. Unter der Regie von Heiner Müller feierte sie an der Volksbühne Berlin als Lady Macbeth einen ihrer größten Triumphe in der DDR.

Nach der Wende konnte sie an diese Erfolge am Deutschen Theater in Berlin anknüpfen, etwa als General Harras in Frank Castorfs Inszenierung von Zuckmayers „Des Teufels General“. Auch im Fernseh- und Kinofilm ist sie seit den frühen 80er Jahren kontinuierlich präsent, zuletzt in Jan Ole Gersters „Lara“.

Ihren neuen Kinofilm, „Alles in bester Ordnung“ unter der Regie von Nadja Brunckhorst, hat sie soeben in Köln abgedreht – als Produktion der hier ansässigen Firma „Lichtblick“ und unter Corona-Bedingungen. (F.O.)

Was meinen Sie damit, wir müssten unser Leben ändern? Unsere Ernährungsgewohnheiten zum Beispiel?

Das betrifft unseren gesamten Respekt vor dem Leben, auch was das Klima angeht – klingt wie ein Klischee, es ist aber so. Wir müssen uns überlegen, wo das herkommt, was wir billig einkaufen. Was wir Globalisierung nennen, besitzt in meinen Augen keinerlei Vision – in dem Sinne, dass wir Kriege verhindern, dass wir einander Schwestern und Brüder sind. Da geht es nur um den dämlichen, schrecklichen Wirtschaftsaspekt. Und da der offensichtlich verheerend ist, müssen wir alle Abstriche machen von unseren liebgewonnenen Gewohnheiten. Wir müssen das tun! Wenn das nicht freiwillig geschieht, was ja ein Problem darzustellen scheint, dann muss es unfreiwillig passieren.

Gerade in dieser Krise hat der Staat eine Rolle übernommen, die man sich kaum vorstellen mochte. Verbote sind nicht unpopulär, scheint es.

Wir wissen alle, wie problematisch das wiederum ist. Es gibt auch in unserem Land unendlich viele Widersprüche, auch in der Regierung selbst: Welche moralischen Maßstäbe gelten, und welche Geschäfte lässt man trotzdem zu oder fördert sie sogar? Dennoch ist unser Land bei weitem nicht das Schlimmste, und trotzdem sind wir scheinbar fraglos mit der Vorstellung verbunden, dass die Wirtschaft ohne Wenn und Aber zu wachsen hat, dass das irgendetwas mit Freiheit zu tun hätte oder mit Demokratie. Dieser Meinung bin ich nicht.

Das Gespräch führte Frank Olbert

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