Kölner AutorAnton Legners neues Buch über die „Faszination Bergkristall“

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Schmuck einer Bergkristallmadonna aus dem Kölner Museum Schnütgen

Schmuck einer Bergkristallmadonna aus dem Kölner Museum Schnütgen

Köln – So viel Bergkristall gab es schon lange nicht mehr. Nein, nicht von den Klüften der Bergwelt ist die Rede, wo das lichtdurchlässige Gestein in hunderttausenden von Jahren heranwächst und von „Strahlern“ aufgespürt wird. Vielmehr geht es um Köln als aktuellen Bergkristall-Hotspot. So diente das internationale Symposium, das im Herbst am Neumarkt stattfand, der Vorbereitung der Ausstellung „Magie Bergkristall“, die im November im Museum Schnütgen eröffnet wird. Ein Anlass für diese Kooperation mit dem Musée de Cluny in Paris ist die Bergkristallwerkstatt aus dem 12. Jahrhundert, die beim Bau der U-Bahn am Kurt-Hackenberg-Platz entdeckt worden ist. Das war eine Sensation: Die Notgrabung im Jahre 2005 lieferte den ersten archäologischen Nachweis einer solchen Werkstatt aus dem Hohen Mittelalter.

Ein Bergkristall-Hotspot ist Köln aber auch aufgrund der Veröffentlichungen und Ausstellungen von Anton Legner, des ehemaligen Direktors des Museum Schnütgen von 1970 bis 1990. Er legt nun im Alter von 93 Jahren eine Kulturgeschichte dieser Quarzvarietät vor: „Faszination Bergkristall“. Neben allem Grundsätzlichen gibt es zahlreiche Illustrationen, autobiographische Erinnerungen zwischen Moldau und Rhein sowie einen besonders scharfen Blick auf Kölner Schätze in Museen und Kirchen.

Köln ist ein Hotspot für Bergkristalle

„Der Bergkristall hat die Menschen seit jeher fasziniert und ihre Fantasien beflügelt.“ schreibt Anton Legner über dieses „Wunder der Natur“. Sehe man einmal vom Gold ab, so gebe es kaum eine Materie, die im Laufe der Zeiten solche Aufmerksamkeit erfahren habe – „ob in der Antike oder im Mittelalter, im Christentum oder in anderen Weltkulturen.“

Die Verlockung des Bergkristalls, den die Griechen „krystallos“ nannten, basiert auf seiner Strahlkraft und Transparenz. Ein himmlisches Licht wurde ihm schon früh attestiert, so dass er liturgische Objekte aller Art schmückte, seien es Schreine, Kelche oder Buchdeckel. Vor allem aber war der Bergkristall ein ideales Behältnis für alle möglichen Reliquien. An denen herrschte im Mittelalter weiß Gott kein Mangel. So wurden auch die nach Europa gelangten Holzsplitter vom Kreuz Christi, wie Anton Legner schreibt, „oft in das durchsichtige Kleid des Bergkristalls gehüllt, zum sichtbaren Zeugnis und zur Verehrung des Zeichens der Erlösung.“

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Goldschmiede verwandelten das wahrhaft edle Gestein darüber hinaus in weltliche Kostbarkeiten. Sie schufen fürstliche Pokale für die adelige und Ratssilber für die städtische Repräsentation. Das Kölner Geschirr wurde in der Neuzeit um den Tafelaufsatz „Vater Rhein“ ergänzt, das von einem aus Bergkristall geschliffenen Schiff dominiert wird. Die Arbeit galt als eine solche Attraktion, dass sie im Jahre 1900 bei der Pariser Weltausstellung gezeigt wurde.

Wer erst einmal auf der richtigen Spur ist, wird vielfach fündig. In der Literatur hat Adalbert Stifter den Bergkristall in einer frommen Geschichte verewigt, deren erste Fassung 1845 erschienen ist. Sie handelt von zwei Kindern, die sich an Heiligabend im Gebirge verirren und in einer Höhle Schutz suchen – darin „war es blau, so blau, wie gar nichts in der Welt ist, viel tiefer und viel schöner blau als das Firmament, gleichsam wie himmelblau gefärbtes Glas, durch welches lichter Schein hineinsinkt.“

Anton Legner im Jahr 2009

Anton Legner im Jahr 2009

Auch in der Medizin war der Bergkristall eine Zeitlang gefragt. Hildegard von Bingen ging im 12. Jahrhundert noch davon aus, dass es sich bei dem Kristall um vielfach gefrorenes Wasser handele. Sie empfahl bei Sehschwäche, Schilddrüsenbeschwerden, Herz- und Magenschmerzen sowie nässenden Ekzemen: „Erwärme den Kristall an der Sonne.“ Dann sollte der Patient den Stein entweder auf die leidige Körperstelle legen oder Wasser beziehungsweise Wein über ihn gießen – und trinken. Noch im 14. Jahrhundert setzten Professoren der medizinischen Fakultät in Paris auf die Heilkraft: Sie empfahlen den Bergkristall in einem Gutachten als Mittel gegen die Pest.

Nicht zuletzt war und ist der Bergkristall, wie wir in diesem schmucken Band auch noch lesen, im Aberglauben populär. Doch leider hat der Blick in die Kristallkugel noch nie eine verlässliche Prognose liefern können. Das ändert aber nichts an der Faszination des Bergkristalls.

Anton Legner: „Faszination Bergkristall“, Greven Verlag, 280 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 34 Euro.

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