„Der Raum – mit Eva Schulz“Flucht aus dem Talkshow-Einerlei

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In Folge zwei von „Der Raum“ mit Eva Schulz (vorne) geht es um Bildungsgerechtigkeit.

In Folge zwei von „Der Raum“ mit Eva Schulz (vorne) geht es um Bildungsgerechtigkeit.

„Maybrit Illner“, „Markus Lanz“, „hart aber fair“, „Anne Will“. Aus den meisten dieser Talkshows, sagt Eva Schulz, habe sie viel mitgenommen – gerade bei Markus Lanz. Trotzdem sei sie stets ein bisschen enttäuscht. „Die konservative Person soll die konservativen Argumente abfeuern, die progressive Person die progressiven Argumente. Danach enden die Formate. Es geht nicht darum, auf neue Gedanken und Ideen zu kommen“, sagt Schulz dieser Zeitung. Außerdem – könne man eine Stuhlkreisrunde nicht auch als Podcast hören?

Mit „Der Raum – mit Eva Schulz“ erschuf der SWR ein neues Talkshow-Format (ohne Podcast-Potenzial): Vier Gäste, mehr oder weniger prominent, mit sehr unterschiedlichen Meinungen, werden in eine Art Escape Room eingeschlossen. Diskussionen beim Rätsel lösen – kann das funktionieren?

Thematische Escape Rooms zu jeder Folge

Einfach mal anders. So lassen sich viele Formate der Politikjournalistin Eva Schulz beschreiben: Ihren gesellschaftspolitischen Podcast „Deutschland3000“ zum Beispiel, oder den Snapchat-Kanal „Hochkant“, den sie vorher für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ins Leben rief. Ihr Konzept von „Der Raum“ sieht so aus: Die erste Folge widmet sich dem Thema „Ist Fleisch essen noch okay?“, in der zweiten Folge geht es um das deutsche Bildungssystem. Als erste Gäste kamen Gorden Prox (veganer Influencer), Dirk Nienhaus (Schweinebauer), Samira El Hattab (Klimajournalistin), Nicole Bauer (FDP-Bundestagsabgeordnete) sowie Dirk Nienhaus (Schweinebauer).

Jeder Escape Room wird dem Thema angepasst: In der ersten Folge durchqueren die Gäste eine Küche, einen Kühlschrank und einen Stall. Um weiterzukommen, müssen die Teilnehmer gemeinsam Rätsel lösen – über Stallhaltungen, den Wasserverbrauch eines Schnitzels, über die anderen Teilnehmer, und geraten dadurch in Diskussionen. Gleichzeitig müssen sie zusammenarbeiten, um den Raum wieder zu verlassen. Die zweite Folge über das deutsche Bildungssystem spielt in einem Klassenzimmer.

„Dadurch fallen die Gäste nicht in ihre normalen, öffentlichen Rollen hinein“, so Schulz. „Das sieht man noch stärker in der zweiten Folge: Da sind unter anderem Ria Schröder aus dem Bundesvorstand der FDP und Kevin Kühnert, der ehemalige Juso-Chef, zu Gast – Leute, die sehr erfahrene Talkshow-Gäste sind. Aber hier können sie ihre übliche Show nicht abziehen.“ Das führe zu teils witzigen Bildern: In der zweiten Folge hängen sich Kevin Kühnert und Hadnet Tesfai an einen Süßigkeitenautomaten, um ihr Werkzeug zum Weiterspielen freizurütteln.

„Öffentliche Debatten werden zum Teil sehr verhärtet geführt“

Sie sei nicht naiv, sagt Schulz. Natürlich könne man nicht in einer Talkshow die eine, allumfassende Lösung zu gesellschaftlichen Debatten finden. Auch bei „Der Raum“ feuern die Veganer Argumente gegen das Fleischessen ab, die anderen beiden verteidigen den Konsum. Nach der ersten Sendung sind zwei Teilnehmer Veganer, die anderen essen weiterhin Fleisch.

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Um Lösungen scheint es Schulz aber gar nicht zu gehen; eher um eine Debattenkultur, die beide Seiten respektiert. „Ich habe oft das Gefühl, dass öffentliche Debatten zum Teil sehr verhärtet geführt werden“, sagt Schulz. „In der Show wird deutlich, dass man auch anders diskutieren kann. Zuschauerinnen und Zuschauer lernen verschiedene Perspektiven kennen. Vielleicht können sie danach besser nachvollziehen, wieso das Finden einer Lösung so schwierig ist.“ Dass es nicht nur eine Antwort auf Fragen gibt, sagt Schulz, sei schließlich der Kern der Demokratie.

Der SWR bestellte vorerst zwei Folgen der Sendung. In den nächsten Wochen, sagt Eva Schulz, werde die ARD überlegen, ob „Der Raum“ eine zweite Staffel bekommt. Schließlich wird die Show aufwendig produziert: Für jedes Thema kreiert das Team einen Escape-Room, die Setbauer bekommen lange vor dem Dreh Bescheid. „Mit so einem Format kann man nicht innerhalb von zwei Tagen die Flutkatastrophe thematisieren, wie Lanz und Illner das schaffen“, sagt Schulz. Dafür seien die beiden Pilot-Folgen aber auch nicht gedacht. „Es gibt schließlich auch viele relevante Themen, die uns über Monate, Jahre hinweg begleiten. Und die wir nicht aus dem Blick verlieren sollten.“

Die erste Folge von „Der Raum – mit Eva Schulz“ ist exklusiv in der ARD Mediathek zu sehen, am 30. Juli geht die zweite Folge online.  

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