Neue Biografie „Die Heldin von Auschwitz“So leistete Mala Zimetbaum Widerstand

Lesezeit 5 Minuten
Ein Porträt-Foto von Mala Zimetbaum. Sie hat schwarze, etwa schulterlange Haare.

Mala Zimetbaum

Die Kölner Autorin Barbara Beuys beschreibt in ihrer Biografie „Die Heldin von Auschwitz“ das Wirken der polnischen Jüdin Mala Zimetbaum im Vernichtungslager.

Als Mala Zimetbaum nach Auschwitz kommt, trifft sie eine folgenschwere Entscheidung. Sie macht sich sichtbar. Und geht damit ein Risiko ein, mit dem sie gezielten Widerstand leisten kann.

Trotzdem dürften die wenigsten Mala Zimetbaum kennen. Abhilfe verschafft da eine Biografie von Barbara Beuys. Die in Köln lebende Autorin stellt ihr Buch „Die Heldin von Auschwitz. Leben und Widerstand der Mala Zimetbaum“ am 28.11. in der Kölner Synagoge vor. Schaut man auf die Liste ihrer letzten Veröffentlichungen, fällt einem auf, dass vermehrt historische Frauen im Zentrum stehen. Barbara Beuys habe sich bewusst dafür entschieden. „Wenn Sie in den Bücherregalen nach Biografien suchen, sehen Sie Männer, Männer, Männer. Es gibt viele interessante Frauen, die in den Biografien kleingeschrieben werden.“

Biografie über Mala Zimetbaum

Mala Zimetbaum war eine polnische Jüdin aus Brzjesko, die mit ihrer Familie unter anderem in Mainz und Antwerpen lebte. Sie arbeitete zunächst in einem Modegeschäft und in der American Diamond Company, bevor sie 1942 in das SS-Sammellager in Mechelen und anschließend weiter nach Auschwitz deportiert wurde. Da sie mehrere Sprachen beherrschte, sahen die Aufseherinnen sie schnell als nützlichen Funktionshäftling und setzten sie als Dolmetscherin ein. So konnte sie sich frei im Lager bewegen und ihre Freiheiten nutzen, um gezielt Widerstand zu leisten.

Laut den Aussagen einer Überlebenden trat sie gegenüber den Nazis stets korrekt, kühl und distanziert auf – also weniger als Mensch und mehr als Automat, der stets genaue Befehle ausführt. Ihre Funktion als Dolmetscherin war mit Privilegien verbunden. Sie hatte ihr eigenes Bett, trug saubere Kleidung, durfte die Waschanlagen der SS benutzen. Mit ihren langen Haaren stach sie unglaublich hervor.

Die „Heldin von Auschwitz“ erzeugte keinen Neid

Man müsste also meinen, dass die anderen Frauen im Lager ihr ihre Stellung übelnahmen. Laut Barbara Beuys findet man aber unter den Aussagen der Überlebenden, die Mala Zimmetbaum kennengelernt haben, keinen Neid. „Alle haben erkannt: Sie hat diese Privilegien genutzt, um insgeheim die Vernichtungsaktionen zu durchkreuzen.“

Denn immer wieder schaffte Mala Zimetbaum Essen oder Medikamente heran und ermöglicht es getrennten Familienmitgliedern über Briefe miteinander zu kommunizieren. Was nicht bedeutet, dass ihre Funktion nicht irritierte. Eine Überlebende erinnerte sich daran, dass Mala Zimetbaum eines Tages ins Krankenlager ging und drei Frauen in Anwesenheit der Aufseherin anging, sie seien doch gar nicht krank und sollen gefälligst arbeiten gehen. Die Frauen wunderten sich darüber, warum Mala plötzlich so streng zu ihnen war, gehorchten aber trotz ihrer schlechten Verfassung. Am Folgetag löste sich die Verwirrung auf. Diejenigen, die im Krankenlager verblieben waren, landeten alle in der Gaskammer.

Barbara Beuys beschreibt auch die großen Ereignisse

In Barbara Beuys Biografie fällt auf, dass das Leben ihrer Protagonistin auch einige Fragezeichen hinterlässt. Das liegt auch an der minimalen Quellenlage, weswegen die Autorin sehr ausführlich auf den historischen Kontext eingeht, um begründete Spekulationen über Lücken in ihrer Biografie äußern zu können.

Doch ganz grundsätzlich interessiert sich Beuys für das breite Umfeld und verfolgt die Geschichte der Juden in Europa teilweise bis ins Mittelalter zurück. Ausführlich schreibt sie über die Geschichte der polnischen Juden, die mit dem Chassidismus eine besondere Strömung des Judentums begründeten, aber auch über die Situation der Juden in Antwerpen, wo Juden noch bis zum Überfall der Deutschen ein selbstbestimmtes Leben führen konnten.

Es ist bedauerlich, dass Mala Zimetbaum keine selbst geschrieben Zeugnisse hinterlassen hat. Der Blick in ihr Innenleben bleibt uns also verwehrt. Ihr Wirken im Konzentrationslager lässt sich aber nur über ein hohes Maß an Resilienz und strategischem Denken erklären. „90 Prozent der Frauen in Auschwitz-Birkenau sind nach zwei Monaten entweder im Gas gelandet, haben nichts zu Essen bekommen, sind krank geworden oder wurden totgeprügelt“, beschreibt Beuys die Situation dort. Mala Zimetbaum dagegen lebte knapp anderthalb Jahre lang in dieser Vernichtungsmaschinerie. Das muss ihr trotz oder gerade wegen ihrer Privilegien enorm zugesetzt haben.

Auch Mala Zimetbaum fiel dem Holocaust zum Opfer

Kein Wunder also, dass neben den Zeugnissen von Malas Hilfsbereitschaft eine Aussage besonders hervorsticht. Die Überlebende Margita Schwalbóva, die Mala Zimetbaum immer wieder in Auschwitz begegnete, schrieb: „Nie sah ich so viel Hass, Hass in eine samtschwarze Hülle eingebettet, aber immer wieder hervorstechend. Es war kein instinktiver, unbeherrschter Hass. Er war bewusst, aber desto intensiver und versengender.“ Schwalbová sah in diesem Hass den entscheidenden Antrieb, der Mala Zimetbaum so lange hat durchhalten lassen. 

Vielleicht war es ihr trotzdem zu viel geworden, vielleicht wollte sie die Welt auch über die deutschen Verbrechen in Auschwitz aufklären. Jedenfalls entschied sie sich dazu, zusammen mit dem Polen Edek Galiński aus dem Konzentrationslager auszubrechen. Letztlich wurde sie gefasst und wieder zurück ins Lager gebracht, wo sie zu Tode verurteilt wurde. Wie sie genau starb, darüber gehen die Berichte auseinander. Nicht einmal über ihr Todesdatum herrscht Einigkeit, es dürfte entweder der 22. August oder der 15. September 1944 gewesen sein.

Doch eindeutig ist, dass Mala Zimetbaum nicht so aus dem Leben schied, wie die Nazis es wollten. Diese wollten ihren Tod als Abschreckung für andere nutzen. Stattdessen stiftete Mala Zimetbaum Chaos, verletzte sich mit einer Rasierklinge selbst, um selbstbestimmt zu sterben, auch eine Ohrfeige gegen einen SS-Mann wird erwähnt. Sie war eben nie ein Automat der Nazis. Und bewahrte sich so ein Stück ihrer Handlungsmacht in einem Umfeld, das alles daran setzte, sie ihr zu nehmen.


Zur Veranstaltung

Barbara Beuys stellt ihr Buch „Die Heldin von Auschwitz. Leben und Widerstand der Mala Zimetbaum“ am 28.11. um 19:30 Uhr in der Judaica der Synagogen-Gemeinde Köln vor, Roonstr. 50, 50674 Köln.  Eine Anmeldung ist nicht notwendig, aber die Veranstalter bitten um das Mitbringen eines Lichtbildausweises. Alle Infos gibt es hier.

Zum Buch

Barbara Beuys: Die Heldin von Auschwitz. Leben und Widerstand der Mala Zimetbaum. Insel Verlag, 333 Seiten, 26 Euro. 

KStA abonnieren