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Dieter Hallervorden wird 90Wie die Pommes in die Flasche kamen

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Bild aus "Nonstop Nonsens - Didi in Gangsterkreisen": Wohin es führt, wenn man sich mit Gangstern einläßt, sieht man Dieter Hallervorden - jetzt muss er in einem gestreiften Anzug aus dem Blechnapf essen.

Dieter Hallervorden, hier im Jahr 1979, wird am 5. September 2025 90 Jahre alt. 

Das Erste schenkt Dieter Hallervorden zum 90. Geburtstag ein liebevolles Porträt. An kritischen Tönen fehlt es darin trotzdem nicht.

Im April 2025 feierte die ARD ihr 75-jähriges Bestehen mit einer großen Gala. In Erinnerung an die goldenen Zeiten des öffentlich-rechtlichen Fernsehens hatte sich Dieter Hallervorden noch einmal in Sträflingsstreifen geworfen und auf der oberen Matratze eines Stockwerkbettes Platz genommen. Eigentlich eine große Geste: Jahrzehntelang hatte der Schauspieler Hallervorden gegen sein Image als Blödel-Didi aus „Nonstop Nonsens“ angespielt, lange erfolglos, mitunter verbittert.

Man wusste, was dann kommt: der Kaufmannsladen, Palim-Palim. Doch bevor die erste Flasche Pommes frites bestellt wird, zählte der Knast-Didi erst einmal die Wörter auf, für die er angeblich einsitzen muss. Sie beginnen mit „Z“ und mit „N“ und enden auf „-schnitzel“ und „-kuss“. Wie, rassistisch? Das wird man doch wohl noch sagen dürfen! Darf man, jedenfalls im Ersten. Didi suhlte sich grinsend im Gratismut.

Sollte man den renitenten Entertainer überhaupt so groß feiern?

Am 5. September steht für Dieter Hallervorden das nächste Jubiläum an, er wird 90 Jahre alt. Die ARD schenkt ihm zum Geburtstag ein großes Porträt, „Hallervorden – Didi gegen den Rest der Welt“ – am 1. September wird es zur Primetime ausgestrahlt – und zeigt darin erneut den fragwürdigen Sketch, diesmal allerdings zensiert, ergänzt um eine Replik von Caroline Kebekus („Opa eskaliert“) und einer Reaktion seines jüngsten Sohnes Johannes, der den Auftritt „unnötig“ nennt. Aber die Meinungen des Papas, seufzt der Sohn, seien eben grundsätzlich sehr stark – und es sei schwer, sie zu ändern. „Von meinem Vater habe ich auch gelernt, wie man es in bestimmten Situationen nicht machen sollte.“

Sollte man den renitenten Entertainer überhaupt so groß feiern? Einen, der sich für den österreichischen Filmpreis mit der Sottise bedankt, er würde ihn jetzt „heim ins Reich“ holen; der auf „Friedensprozessionen“ spricht, die auch Nazis besuchen; der Gedichte über den Gaza-Krieg vorträgt, ohne sich antisemitischer Untertöne bewusst zu sein? Man sollte. Jedenfalls so, wie es Simon Tanschek und Lukas Hoffmann in ihrer Dokumentation gelungen ist, trotz eines Übermaßes an Szenen, die den rüstigen Fast-Neunziger beim Schwimmen, Trimmen, Dauerlaufen zeigen. Man sollte, denn in Hallervordens Lebensgeschichte spiegeln sich in beinahe komischer Überdeutlichkeit die Geschichte und die Mentalitäten dieses Landes und dessen emphatischen und manchmal verqueren Idee von Freiheit.

ARCHIV - 03.09.2024, Berlin: Dieter Hallervorden stellt auf der Jahrespressekonferenz seines Schlosspark-Theaters den Spielplan für die Spielzeit 2024/25 vor.

Dieter Hallervorden will an seinem 90. auf der Theaterbühne stehen.

„Ich lasse mir meine eigene Meinung nicht vorschreiben“, poltert das Geburtstagskind darin, aber diesmal ist der Kontext ein völlig anderer. Es ist 1958, der in Dessau geborenen und aufgewachsene Hallervorden ist über Nacht aus Ost-Berlin in den Westen geflüchtet. Als studierter Romanist war er bei einem internationalen Treffen kommunistischer Parteien als Dolmetscher eingesetzt worden und hatte dabei über die Zustände in der DDR gelästert, gut hörbar für die in Blumengebinden versteckten Mikrofone der Stasi.

Im Westen plant er zusammen mit einem befreundeten Republikflüchtling ein Attentat auf Walter Ulbricht. Man könnte aus einer S-Bahn schießen, die an einem von dem SED-Parteichef häufig frequentierten Tennisplatz vorbeifährt. Eine Dummejungs-Idee, die Hallervorden zum Glück nicht weiterverfolgt. Stattdessen folgt er seiner Leidenschaft fürs Theater, bei seiner Schauspiellehrerin Marlise Ludwig lernt er auch seine erste Frau Rotraud Schindler kennen, die über viele Jahre, selbst nach der privaten Trennung, seine treue Sketchpartnerin bleiben wird. Wir erinnern uns: „Wie bitte? Ins Hotel?“ „150 Mark?“

1966 wird Dieter Hallervorden als vermeintlicher Prostituiertenmörder verhaftet

An Stelle der Stasi erwischt ihn die Kripo. Direkt von der Bühne seines Kabaretts „Die Wühlmäuse“ wird Hallervorden 1966 als mutmaßlicher Prostituiertenmörder verhaftet, bleibt zwei Wochen in Untersuchungshaft, bis sich die belastende Zeugin als unglaubwürdig herausgestellt hat und die „Bild“-Zeitung ihm für ihre vorverurteilende Berichterstattung 25.000 Mark Entschädigung zahlen muss, „viel zu wenig für das, was die mir angetan haben“, so der Entlastete.

Später wird er die Verhaftungsszene in seiner Filmkomödie „Didi und die Rache der Enterbten“ nachspielen. Vielleicht ist die absurde Knasterfahrung auch die Genese des großen Palim-Palims. Zuvor aber erlebt Hallervorden als sehr überzeugender, aber wieder rein fiktiver Killer seinen TV-Durchbruch in Wolfgang Menges visionärer Mockumentary „Das Millionenspiel“ (1970) – eine Fernsehshow, in der ein Kandidat vor Auftragsmördern flüchten muss, um eine Million Mark zu gewinnen.

27.03.2025, Berlin: Dieter Hallervorden, Schauspieler, tritt mit dem Sketch Palim-Palim bei der Aufzeichnung von «75 Jahre ARD - Die große Jubiläumsshow» im Studio Berlin-Adlershof auf.

Dieter Hallervordens wieder aufgelegter Palim-Palim-Sketch sorgte für Empörung.

Tanschek und Hoffmann haben dazu ein altes Interview mit dem Darsteller ausgegraben. Die satirische Absicht des Films scheint an vielen Zuschauern meilenweit vorbeigegangen sein: Volkes Stimme, so Hallervorden, habe eher gefragt „Mensch, wieso hast du denn danebengeschossen?“ Da fragte man sich: „Wie viel Brutalität muss bereits in den Leuten angelegt sein?“

Zum TV-Star wird der unschöne Mann freilich nicht als gewissenloser Fiesling, sondern als tollpatschige Knallcharge. Didi statt Dieter. Den Riesenerfolg von „Nonstop Nonsens“ – zwischen 1975 und 1980 gab es sonst nicht viel zu lachen im deutschen Fernsehen – übersetzt Hallervorden in ehrgeizige Kinofilme, angefangen 1984 mit „Didi – Der Doppelgänger“.

Dabei bewegt er sich durchaus auf der Höhe französischer Actionkomödien und wie Jean-Paul Belmondo, übernimmt er viele der halsbrecherischen Stunts selbst, erleidet nach einem missglückten Autoüberschlag sogar einen Herzstillstand. Der kann ihn nicht aufhalten. Doch als er versucht, sich vom Didi-Image zu entfernen, ist es mit der Filmkarriere vorbei. Erst 2013 kann er in Kilian Riedhofs anrührendem Spielfilm „Sein letztes Rennen“ als Charakterdarsteller reüssieren. Als er dafür mit dem deutschen Filmpreis ausgezeichnet wird, bricht sich die angestaute Bitterkeit Bahn: Das sei, bedankt sich Hallervorden, „eine saftige Ohrfeige für alle Möchtegernkritiker, die mich all die Jahre abgewatscht haben“.

Meinungsfreiheit kann auch bedeuten, im richtigen Moment zu schweigen. Für diese Erkenntnis ist Dieter Hallervorden noch lange nicht zu alt.


„Hallervorden – Didi gegen den Rest der Welt“, ARD, 1.9., 20.15 Uhr