Düsseldorfer AusstellungAls Kuratorin ist Supermodel Claudia Schiffer eher schlicht

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Claudia Schiffer (rechts) und Cindy Crawford posieren 1992 für Revlon

Claudia Schiffer (rechts) und Cindy Crawford posieren 1992 für Revlon

Düsseldorf – Am Ende wartet Eva Herzigová mit dem Schlachtermesser und blutverschmierter weißer Schürze über einem makellosen weißen Top. Ihr leerer Blick verheißt nichts Gutes, genauso wenig der klinisch reine Hintergrund, vor dem sie für die Kamera posiert. So ungefähr müsste ein heißes Date für Patrick Bateman aussehen, dem mörderischen Yuppie aus „American Psycho“, mit dem Bret Easton Ellis die 80er Jahre verabschiedete und für die 90er nichts mehr zu hoffen übrig ließ.

Wer weiß, was Claudia Schiffer von der moralischen Leere ahnt, die eine Konsumwelt der schönen Oberflächen in einem Bateman hinterlässt? Vielleicht ist Mario Testinos blutige Aufnahme für das einstige Supermodel einfach nur ein weiteres schönes Modefoto, von denen sie jetzt im Düsseldorfer Kunstpalast so viele zeigt. Schließlich verbindet sie mit den 90er Jahren allein Gutes: Es war das Jahrzehnt, in dem die gebürtige Rheinbergerin zum weltweiten Superstar aufstieg und die Modewelt plötzlich die Weltherrschaft übernommen zu haben schien.

Aus Models wie Claudia Schiffer wurden Superheldinnen

Aus Luxus war eine populäre Kunst geworden, deren Superheldinnen über Laufstege staksten, in Musikvideos posierten und nach einem berühmten Bonmot morgens für weniger als 10 000 Dollar gar nicht erst aufstanden. Anders gesagt: Die 90er Jahre waren ein würdiger Nachfolger jenes turbokapitalistischen Jahrzehnts, das Patrick Batemen vor lauter Konsumglück in den Wahnsinn trieb.

Jetzt verspricht der Düsseldorfer Kunstpalast eine Zeitreise durch die Modefotografie dieser seltsamen, bereits von Nostalgie umflorten Epoche – kuratiert von Claudia Schiffer. Tatsächlich bekam die Wahllondonerin von Museumsdirektor Felix Krämer freie Hand und ist in der Schau „Captivate!“ trotz leiblicher Abwesenheit zur Eröffnung überall präsent. Schiffer spricht nicht nur von jeder zweiten Wand, sondern auch aus dem akustischen Museumsführer. Ihr Deutsch hat mittlerweile einen kleidsamen englischen Akzent; was sie sagt, ist teilweise gut informiert und teilweise von einer Schlichtheit, wie sie nur jemand zustande bringt, der ohne kritisches Gegenüber in Erinnerungen schwelgt.

Diverse Supermodels, aufgenommen von Michel Comte

Diverse Supermodels, aufgenommen von Michel Comte

Man glaubt Claudia Schiffer selbstredend gerne, dass sie eine „tolle Zeit“ hatte und sich als Teil einer großen Supermodel-Familie fühlte. Aber ging es der Modewelt in den 90er Jahren wirklich darum, wie sie erklärt, aus namenlosen Modellen echte „Persönlichkeiten“ zu formen? Dagegen spricht in der Ausstellung oftmals schon der Augenschein, und auch Schiffer selbst sagt, dass sie in ihrer ersten großen Kampagne für die Jeansmarke Guess eine „Mischung aus Bardot und Cowgirl“ darstellen sollte. Vermutlich ließ sich Mode in einer globalisierten Welt einfach besser vermarkten, wenn sie von wandelnden Markenzeichen getragen wurde.

Heute staunt man daher weniger über die ästhetischen Innovationen der damaligen Modebranche, als über deren Gabe, glaubhaft so zu tun, als huldige sie vor allem einer abstrakten Vorstellung von Schönheit. Supermodels waren Symbolfiguren einer auf Konsum errichteten Gesellschaft, die sich im Moment ihres historischen Triumphs nach etwas sehnte, dass, wie gutes Aussehen, nicht käuflich ist. Mittlerweile wurde diese Sehnsucht von einem Heer nahbarer Influencerinnen wieder demokratisiert.

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An den rund 150 Modefotografien der Ausstellung lässt sich dieser Zwiespalt wunderbar nachvollziehen. Gerade die berühmten Gruppenaufnahmen protzen vor allem damit, was man sich (an Supermodels) alles leisten kann, oder sie zeigen junge Frauen, die sehr viel Spaß dabei haben, sehr viel Geld zu verdienen. Auch darin steckt eine Botschaft, und man fragt sich, was von dieser Selbstermächtigung der lange als „Modepuppen“ geschmähten Models damals bei der Zielgruppe der Konsumentinnen angekommen ist. Steckte emanzipatorisches Potenzial in ihrem Vorbild oder ging es doch nur wieder darum, die eigene Schönheit als Kapital zu sehen und sich möglichst teuer zu verkaufen? Antworten darauf darf man von Schiffer nicht erwarten. Aber es fällt doch auf, dass sie als Kuratorin offenbar ein Faible für Mario Testinos Porno-Chic entwickelt hat. Besser ist in der Ausstellung nur Richard Avedons Gruppenfoto für Versace gealtert, das eine ansonsten unerreichte cartoonhafte Erotik ausstrahlt.

Infos

Claudia Schiffer (51) startete ihre Weltkarriere in Düsseldorf und gehörte in den 90er Jahren zur Riege der Supermodels. Sie lebt in London.

„Captivate! Modefotografie der 90er. Kuratiert von Claudia Schiffer“, Museum Kunstpalast, Düsseldorf, Di.-So. 11-18 Uhr, Do, 11-21 Uhr, bis 9. Januar. Katalog: 55 Euro.

Vielleicht zieht man den größten Gewinn aus „Captivate!“, wenn man darin die Signale eines erdähnlichen, aber Lichtjahre entfernten Planeten erkennt. Es sind Botschaften einer hoch entwickelten Kultur, die vor allem um sich selbst kreist und ihre klassische Periode seit langem hinter sich gelassen hat. Man sieht es daran, wie Herb Ritts seine Pin-ups aus Licht und Schatten meißelt, Ellen von Unwerth eine unstillbare Sehnsucht nach Natürlichkeit bedient und Juergen Teller beschließt, die von Drogen vernebelten Fotoromane einer Nan Goldin in den Backstage-Bereich der Modenschauen zu verlegen. Am Ende wartet Herzigovás Schlachtermesser – und fordert einen höheren Sinn.

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