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Elisabeth Nay-Scheibler gestorbenIdeale Partnerin eines schwierigen Künstlers

Lesezeit 3 Minuten

Elisabeth Nay-Scheibler vor einem Gemälde ihres Mannes Ernst Wilhelm Nay

  1. Elisabeth Nay-Scheibler, Witwe des Kölner Künstlers Ernst Wilhelm Nay, ist tot.
  2. Nach dem Tod des Malers wurde sie zur engagierten Vermittlerin seines Werks.
  3. Eine Würdigung von Siegfried Gohr, dem ehemaligen Direktor des Kölner Museum Ludwig.

Köln – Eine bemerkenswerte Persönlichkeit und Zeitzeugin der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist gestorben. Als Elisabeth Kerschbaumer wurde sie am 20. Oktober 1927 in München geboren. Hier wuchs sie auf und kam schon früh in Berührung mit bildender Kunst. Die Galerie Günther Franke wurde ihr Schicksalsort, denn Franke sprach mit der Schülerin über die Kunst der „Entarteten“, die er im Hinterzimmer seiner Galerie während der Nazizeit ausgewählten Personen zeigte.

1949 heiratet sie Ernst Wilhelm Nay

1946 begann sie ihr selbstbestimmtes, der Kunst gewidmetes Leben als Volontärin bei Franke. Hier lernte sie die Kunstwelt kennen. Entscheidend für ihr weiteres Leben wurde die Begegnung mit Ernst Wilhelm Nay, der im Oktober 1946 bei Franke seine „Hekate“-Bilder zeigte. Die Freundschaft mit dem Maler, der 25 Jahre älter war, mündete 1949 in die Ehe. Nach einigen Jahren in Hofheim im Taunus erfolgte 1951 der Umzug nach Köln. Es entstand ein Kreis von Freunden aus Sammlern, Museumsleuten, Dichtern, Wissenschaftlern und Kunstfreunden. Werner Haftmann, Will Grohmann, Carl Georg Heise und Max Imdahl wurden zu bedeutenden Interpreten von Nays Kunst. Die Kölner Galerie „Der Spiegel“ stellte Nay regelmäßig aus. Elisabeth Nay war immer in der Nähe, organisierte das tägliche Leben, pflegte die Kontakte, kümmerte sich um Korrespondenz und Verträge. Sie wurde zu einer privilegierten Zeitzeugin, die den kulturellen Aufbruch der Bundesrepublik in der unmittelbaren Nachkriegszeit miterlebte und, was Nay betraf, mitgestaltete.

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Nays Erfolg wuchs, so dass 1959 ein modernes Haus mit Atelier in Köln-Lindenthal nach Plänen des Architekten Erwin Zander erbaut wurde und das Nay und seine Frau entschieden mitgestalteten. Nachdem 1963 in Bayern ein Atelierhaus eingerichtet worden war, kam Elisabeth wieder mehr in Berührung mit ihrer Heimat, die Nay nach dem Krieg als „zu schön“ empfand. Sie übernahm die wachsenden Aufgaben der Verwaltung einer Künstlerkarriere, die immer weitere Kreise zog, was nach Nays plötzlichem Tod im April 1968 ein wesentlicher Lebensinhalt wurde. Sie begann über Nay zu schreiben, organisierte Ausstellungen, arbeitete an Nay-Filmen, so dass sie immer mehr in die Rolle einer Vermittlerin seiner Kunst hineinwuchs. Ihr Interesse wandte sich auch prähistorischer Kunst zu, was zur Publikation von Buch und Film „Gesichter der Steinzeit“ 1981 führte.

Arbeit am Werkverzeichnis

1979 heiratete sie Christoph Scheibler, einen Sammler und Freund und Witwer mit fünf Kindern, der sich lebhaft für Nay interessiert und eingesetzt hatte. Seit den 80er Jahren sorgte sie sich intensiv um die wissenschaftliche Aufarbeitung von Nays Oeuvre. 1990 entstand das Werkverzeichnis der Ölgemälde, das Aurel Scheibler erarbeitete. Später folgte das besonders umfangreiche Werkverzeichnis der Arbeiten auf Papier von Magdalene Claesges.

Als Elisabeth Nay-Scheibler 2005 die Ernst Wilhelm Nay Stiftung gründete, bewies sie ihren Weitblick hinsichtlich der zukünftigen Sicherung der Aufmerksamkeit für Nays Werk, das einen herausragenden Rang in der Kunst des 20. Jahrhunderts einnimmt.

Elisabeth Nay-Scheibler war die ideale Partnerin eines ungewöhnlichen Menschen und Künstlers. Sie stand unverbrüchlich zu Nay, auch wenn schwierige Situationen zu meistern waren. Menschenkenntnis gepaart mit Humor, ihr Sendungsbewusstsein für die Sache der modernen Kunst, ihr Gespür für Qualität, ihr weitgefächertes Interesse an Kunst, Geschichte oder Entwicklungen innerhalb der Kultur machten Nay-Scheibler zu einer beeindruckenden Persönlichkeit. Ihre Energie und ihr Einsatz für Nay waren das Zentrum ihres Lebens, das vom Hinterzimmer bei Günther Franke zu einer vorbildlichen Weltläufigkeit fortschritt. Sie starb, wie erst jetzt bekannt wurde, am 24. Juli in Köln.

Siegfried Gohr, ehemaliger Direktor der Kölner Kunsthalle und zwischen 1984 und 1991 des Kölner Museum Ludwig, ist Vorstandsmitglied der Ernst Wilhelm Nay Stiftung.