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Eröffnung des Brühler Haydn-FestivalVier Hörner machen mächtig Furore

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Eröffnung des Brühler Haydn-Festivals unter Dirigent und Festivalleiter Andreas Spering.

Eröffnung des Brühler Haydn-Festivals unter Dirigent und Festivalleiter Andreas Spering.

Die Kombination von Barockarchitektur, Alte-Musik-Formation und Hardcore-Moderne funktioniert überraschend gut.

Rund um das Schloss Augustusburg scheint an diesem Spätsommer-Freitagabend bereits der Herbst Einzug gehalten zu haben. Es ist bewölkt, kühl, überall tanzen trockene Blätter im Wind. Die Bäume im Park zeigen müde, fahle Farben, und die immerhin noch hoffnungsfroh leuchtenden Blumen im Rokoko-Garten können die ramponierte Schäbigkeit der Buchsbaum-Rabatten dahinter nicht verdecken.

Gegen die spürbare Abschiedsstimmung in der Außenwelt setzt das Eröffnungskonzert des diesjährigen Haydn-Festivals im Treppenhaus der Augustusburg indes kräftig-vitale, zukunftsorientierte Akzente. Da lässt zum Beispiel Dirigent und Festivalleiter Andreas Spering die Musiker seiner Capella Augustina am Schluss ein bereits gespieltes Stück einfach noch einmal (teilweise) erklingen.

Das geht in Ordnung – nicht nur, weil die üblichen zwei Stunden Konzertdauer noch nicht „voll“ sind und die Publikumsreaktionen keinerlei Überdruss erkennen lassen, sondern auch, weil man das an diesem Abend uraufgeführte Werk des (anwesenden) Schweizer Komponisten David Philip Hefti zweifellos wiederholt hören muss, um mitzubekommen, was da so abgeht. „Schattenlinien“ heißt das nagelneue, vom Festival in Auftrag gegebene und dem Originalklang der Capella auf den Leib geschriebene Stück, das zudem starke Bezüge zur sonstigen Agenda des Abends aufweist.

Bannende Gesamtwirkung

Da erklingen nämlich jene beiden g-Moll-Sinfonien des Festivalpatrons (Nr. 39) und des jungen Mozart (KV 183), denen die vier anstelle der üblichen zwei Hörner eine unverwechselbare Klangaura verleihen. Und just diese vier Hörner erscheinen dann auch bei Hefti. Der lässt sie – unter optimaler Ausnutzung des instrumentalen Idioms – zuweilen repetitiv schmettern, aber Assoziationen an Hirsch und Halali stellen sich wohl eher nicht ein.

Gleich der Anfang mit den sich in Sekundabständen dissonant entfaltenden Klangfäden erinnert stark an Ligeti. Später kommt es zu einem gehetzten Agitato, wobei die Tempowechsel Dirigent und Orchester alles abverlangen. Es gibt beredt-expressive Stellen, ehe das Geschehen wie in müder Resignation hinabsinkt, sozusagen in einem Bogen zum Anfang zurückkehrt.

Klang und Struktur verbinden sich jedenfalls vermittelt-indirekt zu einer bannenden Gesamtwirkung. Und die Kombi von Barockarchitektur, Alte-Musik-Formation und Hardcore-Moderne funktioniert – auch übrigens unter dem Aspekt der Raumakustik – besser, als manche sich das vorstellen mögen. Keine Frage: Indem Spering jetzt zum wiederholten Mal den Festival-Namensgeber beziehungsreich mit Musik der Gegenwart konfrontiert, hat er dem Format eine so willkommene wie wohl auch notwendige aktualisierende Belüftung verpasst.

Unter den rahmenden vorklassischen Sinfonien schoss ob ihrer dramatischen Intensität Mozarts KV 183, die auch mit der gebotenen Eindringlichkeit herüberkam, den Vogel ab. Generell machten die von der rechten Podiumsrückwand massiv intervenierenden vier Hörner in den sie fordernden Werken mächtig Furore, und in Haydns 40. Sinfonie überraschte als Finalsatz immerhin eine mit allen kontrapunktischen Finessen gespickte Fuge.

Hochkarätige Interpreten versprechen attraktive Überraschungen

Aber gerade bei Haydn ist der Weg aus den 60er Jahren des 18. Jahrhunderts zur Sinfonik seiner Reifezeit in den 90ern dann eben doch noch ziemlich weit. Das merkte man weniger an den bereits beachtlich elaborierten Durchführungsteilen als vielmehr an den langsamen Sätzen mit ihrer unattraktiv-spirrligen und auch melodisch „untererfüllten“ Dünnstimmigkeit. Ausgerechnet hier zeigte sich leider auch, dass Homogenität und Klangpräzision gerade der Capella-Streicher nicht in jedem Augenblick über alle Zweifel erhaben waren.

Wie auch immer: Das Programm des diesjährigen Brühler Haydn-Festivals (noch bis zum 31. August) verspricht für die kommenden Tage einige weitere attraktive Überraschungen, serviert von allesamt hochkarätigen Interpreten ihres Metiers. Immer wieder wird es dabei um den Einfluss gehen, den der Doyen der Wiener Klassik nicht nur auf Zeitgenossen, sondern auch auf Komponisten des 20. Jahrhunderts hatte, so auf Strawinsky und Schostakowitsch.

Das zeigten bereits die Auftritte der Hofkapelle München unter Rüdiger Lotter an diesem Wochenende, und es werden die Konzerte der gefeierten Barock-Sopranistin Dorothee Mields und des G.A.P. Ensembles (am Mittwoch im Gardensaal) sowie des Kölner Asasello Quartetts (Freitag ebendort) zeigen. Der Pianist Markus Becker schließlich bringt am Dienstag Sphären zusammen, von denen man auf Anhieb vielleicht nicht erwartet, dass sie viel miteinander zu tun haben: Er spielt – wiederum im Gardensaal – zunächst Haydn-Klaviersonaten und dann Jazz-Improvisationen über Haydn-Werke.


Weitere Infos finden Sie unter schlosskonzerte.de/haydn-festival