Feines Legato, glasklare Fugen

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Der grandiose Torso von Mozarts Requiem wurde und wird oft vervollständigt, die erste Version stammt bekanntlich von Franz Xaver Süßmayr. Diese Fassung werde „zu Unrecht geschmäht“, meinte Christoph Spering einmal. Wie zum Beweis leitete er jetzt – zur Eröffnung der aktuellen Chorkonzertreihe in der Kölner Philharmonie – eine vollkommen geschlossene Aufführung, gab der Totenmesse mit seinen Ensembles Kraft, Dringlichkeit und Dramatik.

Der Chorus Musicus sang flexibel, mit feinem Legato und glasklar in den Fugen. Das klein besetzte Neue Orchester stützte die Ausdruckskontraste, zumal die virtuosen Blechbläser. Auch das gut harmonierende Solistenquartett (Hannah Morrison, Ingeborg Danz, Benedikt Kristjansson, Daniel Ochoa) brachte Trauer und Angst genauso ausdrucksvoll heraus wie ein stilles Gottvertrauen. Ein starkes Stück, eine großartige Interpretation.

Umso mehr erstaunte der halb leere Saal. Den hätte man eher für das zweite Werk erwartet, Beethovens wenig bekannte C-Dur-Messe opus 86. Seine erste Arbeit für den Gottesdienst ist streng entlang dem lateinischen Ordinarium komponiert, das er persönlich deutet. Das missfiel seinerzeit, außerdem fehlen virtuose Arien und abgerundete Chorsätze – vielmehr hat der Sinfoniker Chor, Solisten und Orchester eng miteinander verflochten. Spering setzte jetzt noch eins drauf, indem er einen deutschen Text in Gestalt von drei Hymnen wählte. Beethoven selbst hatte sich solch eine Übertragung gewünscht – weil die Messe so auch Chancen bei Protestanten und im Konzertsaal hatte. Besonders gefiel ihm die Umdichtung, die 1823 ein gewisser Benedikt Scholz aus Schlesien verfasste.

Text passt nicht zur Musik

Der zeitverhaftete Text wirft also das schlichte Latein mitsamt seinen Bedeutungen über Bord, im Credo etwa sind die Worte über Jesu’ Passion durch Gefühliges über Kummer und Tränen ersetzt. Dabei passt der Text kaum einmal zur Musik, und Sperings kantig-kontrastreiche Interpretation überrollte Scholz’ Weitschweifigkeiten durchaus. Immerhin belegte die Ausgrabung, dass uns mehr von Beethoven und dem Literaturgeschmack seiner Zeit trennt, als uns lieb sein mag. (MK)

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